Brüssel/Graz (DT) Das monatelange Ringen zwischen den widerstreitenden Interessen war der wirtschaftlichen Dimension des Themas durchaus angemessen: Immerhin produzieren in der Europäischen Union mehr als 2,4 Millionen Betriebe auf einer Anbaufläche von 3,6 Millionen Hektar Wein. In einer Marathonsitzung einigten sich die europäischen Agrarminister am Mittwoch auf eine Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Wein, genauer gesagt darauf, den entsprechenden Vorschlag der Kommission zu verwässern.
Horrorvisionen von einem „europäischen Einheitswein“
Dem Wein gewogene Europaabgeordnete wie Christa Klaß (CDU) hatten bereits Horrorvisionen von einem „europäischen Einheitswein“, auch wenn dabei schwer vorstellbare Bilder entstanden: „Wein ist ein sensibles Produkt, das sich nicht europaweit über einen Kamm scheren lässt.“ Im Gegensatz zum europäischen Wein, der zu mehr als 80 Prozent aus Frankreich, Italien oder Spanien stammt, ist der europäische Markt von allen 27 Mitgliedstaaten gestützt, weshalb – um das von Frau Klaß verwendete Bild aufzugreifen – das Weinrecht durchaus europäisch gekämmt und geschoren werden muss. Vor allem geschoren, denn das Hauptproblem ist die Produktion und Finanzierung von immensen Überschüssen.
Deshalb soll binnen drei Jahren eine Weinanbaufläche von 175 000 Hektar – weniger als die Kommission vorschlug – gerodet werden. Ein Mitgliedstaat kann die Rodung dann einstellen, wenn er acht Prozent seiner Gesamtweinbaufläche oder zehn Prozent jener einer Region gerodet hat. Die zuständige Kommissarin Mariann Fischer Boel zeigte sich trotz zahlreicher Kompromisse optimistisch: „Wir müssen nicht mehr den Großteil unserer Haushaltsmittel dafür aufwenden, unerwünschte Überschüsse abzusetzen, sondern wir können uns nun darauf konzentrieren, unseren Konkurrenten entgegenzutreten und Marktanteile zurückzugewinnen.“
Die Kommission ist überzeugt, dass die Reform kostspielige Marktinterventionsmaßnahmen beendet und stattdessen Haushaltsmittel für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weine freisetzt. Die Rodungen sollen nicht einfach die Überproduktion beenden, sondern vor allem nicht wettbewerbsfähigen Wein vom Markt fegen. Die in den nationalen Finanzrahmen festgesetzten Mittel sollen künftig der Absatzförderung auf Drittmärkten sowie der Modernisierung von Rebflächen und Kellereien dienen. Die für den europäischen Steuerzahler jährlich rund 500 Millionen Euro teure Destillation überschüssigen Weins wird binnen vier Jahren schrittweise abgeschafft.
Traditionelle Begriffe und auch Flaschenformen bleiben erhalten
Heiß umkämpft waren zwischen Nord und Süd die Fragen der Etikettierung. Zwar wird diese künftig vereinfacht, so dass sich bei europäischen Weinen ohne geographische Angabe mitunter nur Rebsorte und Jahrgang auf dem Etikett finden, doch bleiben die geschützten Ursprungsbezeichnungen bestehen. Traditionelle Begriffe und Flaschenformen – für Franken besonders wichtig – können weiterhin geschützt werden.
Ebenfalls viel diskutiert war die Anreicherung mit Zucker (in Deutschland und Österreich) oder Traubenmost (in Italien und Spanien). Der in nördlichen Gebieten traditionelle Zusatz geringer Zuckermengen zum Most bleibt erlaubt, wird aber limitiert. Auch dies kommentiert die Europaabgeordnete Klaß erhellend: „Was dem Süden die Säure, ist für uns der Zucker.“