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Kaisergebirge in Tirol: Wilder Kaiser, weites Tal

Im Kaisergebirge gibt die Natur den Ton an. Im Tal zeugen kleine Kapellen, prachtvolle Kirchen und der Wallfahrtsort Maria Klobenstein von der christlichen Tradition. Beides verbindet sich eindrucksvoll bei einer Ballonfahrt zwischen Himmel und Erde.
Ausblick vom Heißluftballon auf die unberührte Landschaft des Kaisermassivs
Foto: imago images | Der Ausblick vom Heißluftballon auf die unberührte Landschaft des Kaisermassivs ist unbeschreiblich. Seit 1963 steht das Kaisergebirge unter Naturschutz.

Dichte Wolken umhüllen heute Morgen die blanken Kalkfelsen des Wilden Kaisers. Auch der Ellmauer Halt, mit 2344 Metern der höchste Gipfel, ist verhüllt. Nur die Umrisse vom vorgelagerten Zahmen Kaiser sind hier und da zu erahnen. Die Sonne ist ein kleiner heller Schatten – über dem wohl bekanntesten Gebirgszug der Ostalpen. Ab und zu brechen ihre Strahlen durch den Nebel. Mystisch ist die Stimmung am Fuße des Kaisers, im sogenannten Kaiserwinkl. Die Gemeinden Kössen, Walchsee, Schwendt und Rettenschöss haben sich vor einigen Jahren zu diesem Feriengebiet zusammengeschlossen, indem die Nordstaulage regelmäßig für Schneemassen sorgt, die sonst nur in höher gelegenen Skiorten zu finden sind.

Die Region ist bis in den April hinein ein einziger Wintertraum. Bäume und Sträucher sind von einer feinen Reifschicht überzogen. Die märchenhafte Landschaft von oben zu bestaunen ist für heute geplant. Jetzt scheint der Traum von der Überquerung des Wilden Kaiser im Ballon aber erst einmal zu platzen. Denn Irmgard Moser von AlpenBallonEvents schüttelt zweifelnd den Kopf: „Bei Nebel können wir nicht starten. Wir verschieben erst einmal um eine Stunde.“

Wallfahrtskirche Maria Klobenstein

Damit die gute Urlaubsstimmung nicht in den Keller rutscht, gibt es einen Kaffee. Durchs Fenster des Cafés sind kleine blaue Lücken am Himmel zu sehen und die Hoffnung auf einen baldigen Start wächst. Doch der Anruf der Ballonpilotin macht alles zunichte: „Wir verschieben auf morgen“. Aktivitäten für ein Alternativprogramm gibt es im Kaiserwinkl allerdings genügend. An der österreichisch-deutschen Grenze, zwischen Kössen und Schleching, steht die Wallfahrtskirche Maria Klobenstein. Die Legende erzählt, dass hier eine Frau von einem Erdrutsch überrascht wurde. Nach ihrem Gebet zur Muttergottes spaltete sich ein Felsen zu ihrem Schutz. Wer es ohne Berührung durch den „geklobten“ Stein schafft, dem soll ein Wunsch gewährt werden. Was läge näher als sich schönes Wetter für den morgigen Tag zu wünschen? Kirchlein und Felsen liege nahe der Tiroler Ache, deren Rauschen durch die Stille dringt.

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Der etwas vierzigminütige Hängebrückenrundweg führt von hier über zwei Brücken und lässt sich mit gutem Schuhwerk oder Schneeschuhen auch im Winter gehen. Er ist Teil des Schmugglerwegs Klobenstein. Bereits um 1800 vor Christus war die Schlucht Teil eines Handelswegs, für Kupfer und Bronze. Im Mittelalter wurden dann vor allem Wein und Salz transportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg schmuggelte man Zigaretten, Kaffee, Rum und ganze Käselaibe. Dank der Almwirtschaft und der Fütterung der Kühe mit Heu gibt es heute noch zahlreiche Käsereien, die ebenfalls einen Besuch lohnen. An der Straße nach Kössen liegt die römisch-katholische Annakapelle, die bereits einigen Familien gehörte. In ihrem Inneren erinnert ein Bild an den Besuch von Kardinal Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI. In Schwendt wacht die Kirche über der Gemeinde, so wie der heilige Christophorus über die Reisenden und Wanderer. Auch Pilger kommen hierher, die den Marienweg laufen, der auf rund 60 Kilometern von Sebi über Walchsee und Kössen nach Erpfendorf führt.

Beste Bedingungen im Winter

Am nächsten Tag: Gleiche Zeit, gleiches Spiel: Um Punkt neun Uhr stehen alle Ballonfahrer wieder in Kössen parat. Die Blicke sind in den Himmel gerichtet, der heute bereits fast wolkenlos ist. Ein paar dünne, weiße Wolkenschleier scheinen sich in den Zacken des Wilden Kaisers verfangen zu haben. Irmgard Moser kommt mit der guten Nachricht: „Wir fahren jetzt gleich alle gemeinsam los.“ Ob das wohl mit dem gestrigen Besuch bei Maria Klobenstein zusammenhängt? Am Startplatz, kurz vor dem Walchsee, herrscht bald ein reges Treiben. Mehrere Ballone werden gleichzeitig befüllt. Immer wieder faucht ein Brenner und ein Feuerstrahl wärmt die einströmende Luft. Rund 4 000 Kubikmeter passen in die Hülle, damit sie auf die Größe von rund 30 Metern kommt. Heiße Luft ist leichter als kalte – dieses Prinzip lässt den Ballon steigen. Im Winter herrschen daher die besten Bedingungen zum Aufsteigen. Gerade hebt der erste Ballon ab und schwebt davon. Ein weiß-roter folgt. Die ersten Blicke nach unten lösen ein Kribbeln im Bauch aus. Menschen, Autos, Häuser schrumpfen auf Miniaturgröße.

Der Blickwinkel ändert sich aus der Vogelperspektive. Hier zwischen Himmel und Erde verschwindet der Alltag und mit ihm lästige Gedanken. Während die Spielzeuglandschaft immer kleiner wird, drängt sich allerdings die Frage auf: „Wie hoch steigen wir eigentlich?“ „Wir sind über 3 000 Meter hoch, wenn wir das Kaisergebirge überfahren“, erklärt Pilot Stefan Kummeth, der heute Morgen beim „Schnick, Schnack, Schnuck“ seinen Teamkollegen geschlagen hat und daher den Ballon steuert. Sein Partner übernimmt die Aufgabe des Verfolgers und ist im ständigen Funkkontakt, um möglichst zeitnah ebenfalls am noch unbekannten Zielort anzukommen. „Wir wissen bis kurz vor der Landung nicht, wohin uns der Wind treibt“, sagt Kummeth und betätigt dabei den Brenner. Der Wind, der heute aus Norden bläst, bestimmt die Fahrt. Für den Piloten bedeutet das, die passenden Windströmungen zu finden, um über den Wilden Kaiser zu kommen.

Die Leichtigkeit des Dahinschwebens

Bis auf das gelegentliche Zischen des Gasbrenners ist es ganz still. Die fünf Personen im Korb genießen das Gefühl des Dahinschwebens, die plötzliche Leichtigkeit. Inzwischen fühlt man sich dem Himmel näher als der Erde und auch die leisen Zweifel des Sicherheitsbedürfnisses verfliegen, das sich gegen das Abenteuer erst einmal gesträubt hat. Ein richtiger Windzug ist nicht zu spüren, obwohl sich der Ballon mit rund 50 Stundenkilometern auf das Massiv des Kaisers zubewegt. „Wir fahren mit dem Wind“, erklärt der Pilot, der über Funk auch mit den anderen Ballonbesatzungen in Kontakt steht. Der Ausblick auf die unberührte Landschaft des Kaisermassivs ist unbeschreiblich. Seit 1963 steht das Kaisergebirge unter Naturschutz, das zwei Hauptkämme prägt: Der nördliche Zug des Naturschutzgebietes umfasst den Zahmen Kaiser, der südliche den Wilden Kaiser, ein bizarres auf und ab von Felsen und Steinen. Bis zu 1 000 Meter hohe Abstürze verleihen dem Gebirge seine Wildheit. Viele Gipfel des Kaisergebirges sind berühmte Kletterberge. Für weniger geübte Alpinisten gibt es an den Südhängen Erlebnispfade.

Bergdoktor-Idylle

Stefan Kummeth zeigt auf die Loferer Steinberge und in Richtung des Nationalpark Hohe Tauern, während der Ballon aufs Kitzbühler Horn zusteuert. In der Ferne gleitet majestätisch der grün-weiß-blaue Ballon mit der Aufschrift Kaiserwinkel über die noch schneebedeckten Alpen. Gämse und Steinböcke sind nicht zu sehen und auch die Steinadler tauchen nicht auf, die hier wieder in größerer Zahl leben. Die Murmeltiere haben sich zum Winterschlaf verkrochen. In dieser Idylle ist der Bergdoktor aus der gleichnamigen ZDF-Serie zu Hause. An der friedlichen Szenerie hat man sich auch nach einer Stunde nicht sattgesehen.

Doch die ersten Häuser und die Kirche von St. Johann schieben sich ins Blickfeld. Es geht nach unten. Ein Langläufer schaut nach oben und winkt. In der Ferne tauchen schneebedeckte Felder auf. Dort setzt der Ballon auf, nicht ohne die Erinnerung vom Piloten: „Festhalten, wir landen gleich.“ Dann taucht das Fahrzeug des Verfolgers auf. Kurz darauf ist nichts mehr von der beeindruckenden Ballonhülle zu sehen, die gerade noch am blauen Himmel dahingezogen ist. Allzu schnell sind alle zurück – auf der Erde und im Leben, dem man wohl nur kurz entfliehen kann. Doch das Fazit ist einheitlich: Aus der Vogelperspektive wirkt alles kleiner und verliert an Bedeutung, manches vielleicht ja dauerhaft.

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