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Fränkischer Marienweg: Pilgern auf Fränkisch

Über 2 000 Kilometer lang ist der Fränkische Marienweg, der durch abwechslungsreiche Landschaften und zu zahlreichen Wallfahrtsorten führt: heimliche Hauptstädte der Welt und wichtige Orte des Lebens und des Glaubens.

Die Tauberbrücke Rothenburg ob der Tauber, im Volksmund nur Doppelbrücke genannt, überspannt den gleichnamigen Fluss. Mit viel Getöse strömt das dunkelgrüne Wasser dem Main entgegen. Die historische Straßenbrücke wirkt mit ihren zwei aufeinanderstehenden Bogenreihen massiv und verlässlich und das vermutlich bereits seit 1330. Die „Sonntagspilger“, mehr geht bei den aktuellen Corona-Beschränkungen nicht, sind heute auf der Magnificat-Route unterwegs.

Das ist eine der beiden Routen des Ober- und Mittelfränkischen Marienwegs, den es seit letztem Jahr gibt. Knapp 20 Jahre länger existiert der Marienweg durch Unterfranken bereits, mit dem die beiden neuen Routen auch verbunden sind – zum wohl längsten Wanderweg Deutschlands. Jetzt trägt der Fränkische Marienweg zu Recht seinen Namen. Denn er verbindet die drei Regierungsbezirke und die beiden Diözesen Frankens, auch wenn die Marienverehrung seit der Reformation in den Gebieten des Erzbistums Bamberg unterschiedlich ausgeprägt ist.

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Ein dichtes Netz von Marienwallfahrtsorten

Das Frankenland durchzieht ein dichtes Netz von Marienwallfahrtsorten. Überall finden sich Madonnen an Hauswänden, Bildstöcke am Weg, Grotten in den Gärten und Kapellen in Feld und Wald. Schlichte Volkskunst und Werke von höchstem künstlerischem Rang erzählen in allen Variationen von der Mutter Jesu, von Vertrauen und Dank, vom christlichen Glauben der Vorfahren. An der Doppelbrücke beginnt die heutige Teilstrecke nach Colmberg, rund 25 Kilometer entfernt. Es geht beim Pilgern, wie auch beim Wandern, um die Ruhe, den Abstand zum Alltag. Auf dem Fränkischen Marienweg suchen die beiden Pilger-Neulinge nach dem besonderen Geist der Wallfahrtsorte, die seit Jahrhunderten die Menschen in ihren Bann ziehen. Sie können sich gut vorstellen, wie im späten Mittelalter die Handelsreisenden von Augsburg nach Würzburg unterwegs gewesen waren, das solide Bauwerk überquert haben. Das helle Mauerwerk der Brücke aus Muschelkalk blendet im Sonnenlicht. Von ihr blickt man auf die Kirche „Unsere Liebe Frau“ mit ihrer idyllischen Lage.

1472 erbaut: Kobolzeller Kirche

Kobolzeller Kirche
Foto: Frühauf | Die Kobolzeller Kirche wurde 1472 an der Stelle eines Marienheiligtums gebaut. Im Bauernkrieg kam es zu Plünderungen. Danach stand sie leer, bis sie 1804 zum Abbruch verkauft wurde.

An der Brücke vorbei führt die Weinsteige an die Tauber und zur Kobolzeller Kirche, die direkt unterhalb der Altstadt von Rothenburg liegt. Die Kirche ist meist nur zu den Gottesdiensten geöffnet, aber der Pilger- und Wanderführer verrät: Das katholische Gotteshaus wurde 1472 an der Stelle eines Marienheiligtums gebaut. Im Bauernkrieg kam es zu Plünderungen. Danach stand sie leer, bis sie 1804 zum Abbruch verkauft wurde. Der Käufer nutzte das Kleinod als Tuchfärberei und landwirtschaftlichen Betrieb. Das bewahrte die Kirche vor dem Abriss. Der bayerische König Max II. kaufte das heruntergekommene Gebäude und übergab es der katholischen Pfarrgemeinde. 1860 wurde die Kirche wieder geweiht. Auf ihrem Hochaltar steht eine Marienstatue aus dem 15. Jahrhundert.

Die Bank vor dem Kirchenportal lädt zum Innehalten ein. Wer den Kopf dreht sieht gegenüber, an der anderen Uferseite des Flusses, die Herrenmühle, eine bäuerliche Getreide-, Öl- und Lohmühle. Die ausladenden Bäume in ihrem Garten spenden Schatten, den eine Katze für ein Schläfchen nutzt. Viel Zeit zum Abschalten bleibt nicht, denn die Strecke ist eine Herausforderung für die Pilger auf Probe. Von hier führt der Weg den südwestlichen Tauberhang in Richtung Stadt hinauf. Ein Pilgerstock wäre schön, an den so manch Entgegenkommender gedacht hat. Rothenburg liegt direkt auf dem Fränkischen Marienweg. Steil geht es aufwärts, vorbei an den Rebstöcken mit den Trauben für den Tauberwein.

Kreuzung zum Jakobsweg

In der mittelfränkischen Stadt trifft der Fränkische Marienweg auf den Jakobsweg und die „Via Romea“, eine alte Pilgerroute von Stade nach Rom. Wieder einmal hilft der Wegweiser des Mittelfränkischen Marienwegs bei der Orientierung. Die Wegmarkierung in Form eines stilisierten Marienmotivs – das Gotteskind auf den Armen der Mutter, in den fränkischen Farben Rot, Weiß und Blau – klebt an einem Verkehrsschild. So gelangt man zur katholischen Pfarrkirche St. Johannis, wo es auch den Pilgerstempel gibt. Vor der Evangelisch-Lutherischen St. Jakobs-Kirche steht eine Pilgerstatue mit Pilgerstab und Pilger-Muschel in Händen. Die Kirche hinter der Pilgerfigur ist als gotische Basilika erbaut. Ihr Hochaltar ist einer der bedeutendsten in Deutschland. Jetzt bringt die Morgensonne die Glasgemälde in den Fenstern des Ostchores zum Leuchten. Das linke Fenster zeigt Bilder aus dem Marienleben. Ein paar Stufen führen auf die Westempore, wo der Heilig-Blut-Altar steht, ein Meisterwerk des berühmten Würzburger Bildhauers Tilman Riemenschneider, entstanden 1499 bis 1505. Es ist der Aufbewahrungsort der im Mittelalter verehrten Heilig-Blut-Reliquie, die sich in der Bergkristallkapsel des Reliquienkreuzes über der Schreinmitte befindet.

Zauberhaftes Rothenburg

Rothenburg ob der Tauber verzaubert mit jedem Schritt mehr. Die gut erhaltenen mittelalterlichen Häuser verleihen der Stadt eine besondere Atmosphäre. Die Runde auf der alten Stadtmauer, die teilweise begehbar ist, fällt aus, denn bis Colmberg ist es noch ein langer Fußmarsch. Aber ein Schneeball muss sein. Das Gebäck aus Mürbteig, das so groß und rund wie ein Schneeball ist, liegt überall in den Auslagen der Bäckereien und ist meist bestäubt mit weißem Puderzucker. Die braune Variante des fränkischen Gebäcks schmeckt nach Zimt.

Nach dem süßen Genuss geht es direkt durch das Galgentor auf die Felder, wo sich der Weg durch die offene Landschaft schlängelt. Am Rand der noch brach liegenden Felder zeigen sich hier und da ein paar Frühlingsblumen, lila Krokusse, gelbe Winterlinge. Obstbäume säumen den Weg. Für ihre Blüte ist es noch zu früh im Jahr. Pilgern, meist auf historischen Wegen, wenn nicht gar auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela, ist seit vielen Jahren wieder sehr beliebt. Spätestens nach dem Bestseller von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg“ von 2006 machen sich viele Menschen auf und suchen beim Gehen inneren Frieden. Dabei spielt die Konfession kaum mehr eine Rolle. „Beim Beten mit den Füßen“, wie das Pilgern auch genannt wird, ist der Weg das Ziel. Wie hier und heute beim Wandern auf der Magnificat-Route und dem Pilgern auf Probe.

Naturpark Frankenhöhe

Bei Schafhof wird die A7 unterquert. Dann steigt das Gelände an. Das besonders malerische Wegstück führt auf die Frankenhöhe. Der Naturpark Frankenhöhe bietet mit seinen naturbelassenen Randbuchten und Südhängen Schutz für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten. Dazu zählen Orchideen, Küchenschelle und Adonisröschen, die hier prächtig gedeihen. Die Ausblicke reichen über endlose Felder, Wälder und Wiesen. Die Farbe Grün fehlt noch im momentanen Farbenspiel, das von gelb und beige bis zu Brauntönen reicht.

Von Wachsenberg fällt der Weg ab und die Wanderer überqueren den Karrenbach. Immer wieder bieten sich besonders idyllische Plätze für ein Picknick an. Denn nicht jeder Gasthof am Wegesrand bietet Essen-to-go. Über Feldwege und durch kleine Wäldchen gelangt man über den Sportplatz nach Stettberg. Von hier wandern die Pilger über den Gaulgraben und entlang der Hauptstraße. Kurz begleitet sie die Altmühl, in die das Wasser zahlreicher kleiner Bäche fließt – bis zur Donau und dem Schwarzen Meer.

Gltzernde Weiher

Über einen breiten Feldweg verlässt man Binzwangen. Die zahlreichen Wegweiser, die die örtlichen Wandervereine in Kooperation mit dem Verein der Freunde und Förderer des Fränkischen Marienweges e.V. angebracht haben, markieren den Weg in beide Richtungen. Nach Oberhegenau liegen einige Weiher am Wegesrand. Ihr Wasser glitzert in der Sonne. Ein Reiher steht in einer Wiese und lässt sich von den Vorbeiziehenden nicht erschrecken. Jeder, der hier des Weges kommt, hat mindestens ein freundliches „Grüß Gott“ auf den Lippen. Der Segenswunsch passt perfekt zum Fränkischen Marienweg.

Burg Colmberg
Foto: Frühauf

Schließlich kommt Colmberg in Sicht. Von Weitem sieht man die Burg über dem Ort aufragen. Die Burgstraße am Ende des Ortes windet sich den Berg hinauf. Dann ist das Ziel erreicht. Auf Fränkische Spezialitäten wie Bratwurst mit Sauerkraut, Schäuferla, Zwiebelskäs, Karpfen und die Burgbesichtigung muss man momentan verzichten. Auf Vorbestellung gibt es To-Go-Boxen. Die Pilger sind mit den Resten aus den Rucksäcken und dem herrlichen Blick über die fränkische Landschaft mehr als zufrieden.

 

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