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Historische Orte in Tschechien

Neben Prag und Krumau gibt es in Böhmen und Mähren auch für den geistlich interessierten Reisenden viel zu entdecken. Mit der Tagespost unterwegs zu geschichtsträchtigen Orten in Mitteleuropa.
Gotische Nikolauskirche in Znaim
Foto: Hurnaus | Die gotische Nikolauskirche in Znaim, einem südmährischen Städtchen, das harmonisch auf einer Felszunge am linken Ufer des Flusses Thaya thront.

Kunst- und Kulturliebhaber kennen die goldene Stadt Prag und die unter UNESCO-Denkmalschutz stehende südböhmische Kleinstadt Krumau. Das Wissen darüber, dass Tschechien über zahlreiche weitere städtische Kleinode verfügt, ist bei Reisenden aus dem Westen jedoch nicht weit verbreitet. Wer weiß etwa, dass die beiden Landesteile Böhmen und Mähren neben Italien die größte Dichte an mittelalterlichen Stadtbildern zu bieten haben? Einige dieser Städte stehen unter UNESCO-Denkmalschutz wie Olmütz, Brünn, Kuttenberg, Kremsier oder Leitomischl.

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Sehenswertes Olmütz

Dem geistlich interessierten Reisenden ist besonders die Stadt Olmütz zu empfehlen. Wenn man die Anzahl der Kirchen und Kapellen auf die Einwohnerzahl rechnet, dann liegt die mährische Stadt europaweit an vorderster Stelle. Zu den architektonischen Juwelen von Olmütz zählt die 35 Meter hohe Dreifaltigkeitssäule auf dem Oberring. Dieses Wahrzeichen wurde als Tschechiens erstes Monument in die Weltkulturerbe-Liste eingetragen.

Geschichtlich interessierte Besucher werden auch den Erzbischöflichen Palast besuchen, wo Kaiser Ferdinand V. zugunsten seines 18-jährigen Neffen Franz Joseph auf den österreichischen Thron verzichtete. Von 1187 bis 1642 war Olmütz die Hauptstadt Mährens, darüber hinaus durch den Sitz der Olmützer Bischöfe über viele Jahrhunderte auch ein katholisches Zentrum. Die Kathedrale des heiligen Wenzel und die vielen großartigen Barockgebäude geben heute Zeugnis von der einstigen Pracht der nordmährischen Stadt.

Europäische Geschichte

Zum weltlichen Besitz der Olmützer Bischöfe gehörte auch die ostmährische Stadt Kremsier (Kromìøíž). Die Stadt, die ebenfalls unter UNESCO-Denkmalschutz steht, wird wegen ihrer großen kulturellen und historischen Bedeutung als „Athen der Hanna-Region“ bezeichnet. Das Renaissance-Schloss mit seinem großen Park und Blumengarten diente jahrhundertelang als Sommersitz der Olmützer Bischöfe. Nach der Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstandes von 1848 verlegten die Habsburger den konstituierenden Reichstag in die kleine mährische Stadt.

Im Sitzungssaal des Erzbischöflichen Schlosses wurde die erste demokratische Verfassung Europas verkündet, die von Kaiser Franz Joseph und seinem Ministerpräsidenten Felix Fürst zu Schwarzenberg jedoch ignoriert wurde. 1885 trafen sich Kaiser Franz Josef und Zar Alexander III. im Schloss zu politischen Gesprächen. Zum Erzbischöflichen Schloss gehört auch ein großer Weinkeller, in dem die Olmützer Bischöfe den einzigen tschechischen Wein nach den Normen des Vatikans herstellten.

Die Festung von Znaim

Sehenswert ist auch die südmährische Stadt Znaim (Znojmo), die harmonisch auf einer Felszunge am linken Ufer des Flusses Thaya thront. Die romanische Rotunde der Jungfrau Maria und der heiligen Katharina gehörte zu einer Festungsanlage, die heute ein nationales Kulturdenkmal ist. Die alte Burg- und Königsstadt verfügt neben anderen Kulturschätzen über zahlreiche Kirchen und Klöster, von denen die gotische St. Nikolauskirche die bekannteste ist. Unweit der Stadt liegt das Geburtshaus des heiligen Klemens Maria Hofbauer, dessen 200. Todestag im vergangenen Jahr gefeiert wurde. In Taßwitz wurde am 26. Dezember 1751 der bekannte Priester und Prediger des Redemptoristenordens geboren, der später zum Stadtpatron von Wien werden sollte.

Die Herren von Neuhaus

Seit 1992 steht die mährische Kleinstadt Teltsch (Telè) auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste. Der Marktplatz der Stadt, die auf der Böhmisch-Mährischen Höhe liegt, ist ein großartiges Zeugnis italienischer Renaissancekunst nördlich der Alpen. Der „Zacharias von Neuhaus-Marktplatz“ birgt ein architektonisches Juwel, das zu den schönsten Stadtplätzen Europas gehört. Am Ende des Platzes liegt das Schloss, das einst den „Herren von Neuhaus“ gehörte. Die letzten Besitzer des Schlosses, die Grafen von Podstatzky-Liechtenstein, wurden zwangsenteignet und mussten 1945 das Land verlassen. Besonders sehenswert ist die Allerheiligenkapelle aus dem Jahr 1580, die als Begräbnisstätte der „Herren von Neuhaus“ diente. Eine zauberhafte mittelalterliche Stadt ist Kuttenberg (Kutná Hora) in Mittelböhmen. Die ehemalige Silberbergwerksstadt war einst die zweitgrößte Stadt Böhmens.

Beliebte Silbermünzen

Zwischen 1290 und 1620 wurden hier etwa 2 500 Tonnen Silber gefördert. Nachdem König Wenzel II. von Böhmen der Stadt das Münzrecht verlieh, wurde in Kuttenberg bis 1547 der Prager Groschen geprägt. Diese Münze galt wegen ihres hohen Silbergehalts europaweit als beliebtestes Zahlungsmittel. Der enorme Reichtum der Stadt zeigt sich heute in den großartigen Sakralbauten wie dem Dom der heiligen Barbara, der im Stil der Spätgotik als fünfschiffige Kathedrale erbaut wurde. Am Bau der Kathedrale beteiligten sich berühmte Architekten wie Peter Parler, Matthias Rejsek oder Benedikt Ried.

Die Kathedrale, deren Grundstein 1403 gelegt wurde, sollte größer und prunkvoller als die benachbarte Kathedrale von Sedlec werden. Dort stand die Ruine einer monumentalen Kirche, die von den Hussiten niedergebrannt wurde. Die gesamte Altstadt von Kuttenberg ist wegen ihrer zahlreichen Kirchen, repräsentativen Bürgerhäusern und Palais ein kulturhistorisches Juwel. In Kuttenberg lieferten sich katholische deutsche Bürger und tschechische Hussiten Anfang des 14. Jahrhunderts zahlreiche Schlachten.

Burg der Königinnen

Historisch interessant ist auch die größte Stadt Ostböhmens, Königgrätz (Hradec Králové). Ab dem 14. Jahrhundert war Königgrätz Witwensitz der böhmischen Königinnen. So bedeutet der Name der Stadt übersetzt so viel wie „Burg der Königinnen“. Königgrätz war eine der ersten hussitischen Städte. Der hussitische Heerführer Jan Žižka fand 1424 hier sein Grab. Bis zum Dreißigjährigen Krieg blieb die Stadt vorwiegend protestantisch. 1664 wurde Königgrätz Bischofssitz einer neu gegründeten Diözese. Kaiser Joseph II. ließ große Befestigungen anlegen und erklärte die Stadt 1778 zur Festung. Westlich und südlich wird die Altstadt von den beiden Flüssen Adler und Elbe begrenzt. Seit 1962 gehört die Altstadt von Königgrätz zum städtischen Denkmalreservat. Die Heilig-Geist-Kathedrale mit ihren beiden Türmen, der Weiße Turm der Kapelle des heiligen Klemens und das Rathaus mit seinen beiden Türmen beherrschen heute eindrucksvoll den großen Marktplatz. Am 3. Juni 1866 fand nordwestlich der Stadt die berühmte „Schlacht von Königgrätz“ statt, in der Österreich seine Vormachtstellung an Preußen verlor.

Die böhmische Pforte

Weniger bekannt, aber trotzdem sehr sehenswert ist die südlich des böhmischen Mittelgebirges am rechten Ufer der Elbe gelegene katholische Bischofsstadt Leitmeritz (Litomìøice). Umgeben von Weinbergen und Obstplantagen, war Leitmeritz bis 1945 vorwiegend von Deutschen bewohnt und wegen seines milden Klimas während der Habsburgermonarchie bei vielen Bürgern als Alterssitz sehr beliebt. Der St. Stephans-Dom, auf dem Domhügel gelegen, überragt die Stadt. Rund um den sehenswerten Dom befindet sich der Bischofsbezirk der Diözese Leitmeritz.

Neben seinem prächtigen Dom hat Leitmeritz noch weitere sehenswerte Kirchen wie die Jesuitenkirche, die Dominikanerkirche, die Kirche des heiligen Adalbert und des heiligen Wenzel sowie eine evangelische Kirche zu bieten. Unweit der Stadt verengt sich die Elbe zur böhmischen Pforte. Dieser Abschnitt der Elbe ist landschaftlich sehr reizvoll und zieht Jahr für Jahr viele Besucher aus dem In- und Ausland an. Neben seinen historischen Städten und den sehenswerten Burgen und Schlössern haben die beiden Landesteile Böhmen und Mähren auch landschaftlich einiges zu bieten.

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