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Prinzen-Schützen halten an ihrem Emmaus-Gang fest

Die Prinzen-Schützen im westfälischen Borghorst halten auch 2021 an ihrem Emmaus-Gang fest.

Sie sind im Ersten und im Zweiten Weltkrieg durch den Ort gezogen, und ein Verbot der Nationalsozialisten konnte sie nicht stoppen. Deshalb wollen die Prinzen-Schützen in Steinfurt-Borghorst nördlich von Münster, die seit 1823 jedes Jahr am Abend des Ostersonntags ihren Emmaus-Gang veranstaltet haben, auch vor dem Corona-Virus nicht klein beigeben. Als wohl einzige kirchliche Gemeinde, Organisation oder Gruppe bundesweit halten sie in dieser schweren Zeit, in der das gesamte kirchliche Brauchtum zu Ostern abgesagt ist, an ihrer Tradition fest, und das nach 2020 nun schon zum zweiten Mal. „Mein Gott, wir haben schon einige Schicksalsstunden erlebt, in denen unsere Schützenbrüder in Angst und Schrecken gelebt und ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben“, meint der erste Vorsitzende der Prinzen-Schützen, Kai Laukemper. „Da werden wir doch jetzt nicht weichen.“

Unter Pandemieauflagen

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Die äußere Form allerdings wird, streng angepasst an die Auflagen von Stadt Steinfurt und Land Nordrhein-Westfalen, diesmal eine ganz andere sein: Statt sonst 100 bis 150 Schützen werden in diesem Jahr wie schon 2020 voraussichtlich nur zwei durch die Kleinstadt zur Kirche St. Nikomedes ziehen, selbstverständlich mit Mundschutz. Der bis heute durchgehaltene Brauch geht letztlich auf eine Stiftung zurück: Im Jahr 1823 erhielten die Prinzen-Schützen, früher „Junggesellen-Schützen“ genannt, eine kunstvoll gearbeitete Laterne von Fürst Alexius Friedrich zu Bentheim und Steinfurt. Die guten Beziehungen der katholischen Schützen zum evangelischen Fürstenhaus, dem ein imposantes Schloss im Nachbarort Burgsteinfurt gehört, waren der Grund für diese großzügige Schenkung und dauern bis heute an: Der jetzige Fürst Christian zu Bentheim und Steinfurt ist Ehrenmitglied des Vereins.

Ein Gelübde vor 198 Jahren

„Die kostbare Messinglaterne enthält drei Kerzen, die für die göttliche Dreifaltigkeit, also Vater, Sohn und Heiligen Geist, stehen“, erläutert Laukemper. „In diesem Jahr soll sie in dunkler Zeit ein Licht am Ende des Tunnels und eine Ermutigung sein, standhaft zu bleiben.“ Die Laterne, so macht er des Weiteren deutlich, ist der Hauptgrund, warum die Prinzen-Schützen den Emmaus-Gang auch in diesem Krisenjahr nicht ausfallen lassen dürfen und wollen: Sie haben sich nämlich vor 198 Jahren selbst ein Gelübde auferlegt und dazu verpflichtet, die Laterne an das Fürstenhaus zurückzugeben und den Brauch einzustellen, wenn er einmal nicht stattfinden sollte.

Warum sich die „Schütten tho Borchhorst“, wie sie auch genannt werden, selbst diese Auflage machten, konnte bisher nicht eindeutig geklärt werden; es ist aber anzunehmen, dass sie damals dafür tief religiöse Gründe hatten. Dass diese Auflage, die Tradition auf jeden Fall durchhalten zu müssen, egal, was kommt, in manchen Jahren Probleme bereiten kann, dafür sind die beiden Jahre der Corona-Pandemie das beste Beispiel.

Treffen bei Sonnenuntergang

Wie wird der Emmaus-Gang diesmal also ablaufen? Das „Treffen“, soweit man es so nennen kann, findet wie immer bei Sonnenuntergang an der Vereinsgaststätte, dem Borghorster „Lindenhof“ statt. Die staatlichen Corona-Auflagen werden es voraussichtlich nur Kai Laukemper selbst und „Jubelkönig“ Paul Brinkert, der vor 25 Jahren König war, erlauben, an dem traditionellen Gang teilzunehmen. Wie sonst auch üblich werden sie quer durch die Innenstadt zur Nikomedes-Kirche gehen; Zuschauer am Straßenrand wird es diesmal nicht geben, aber Laukemper hofft, dass die Borghorster auf eine andere Weise Zeichen setzen werden. „Im vorigen Jahr haben einige Leute Kerzen ins Fenster gestellt, aber da stellen wir uns, ehrlich gesagt, noch mehr vor “, betont er. „Deshalb überlegen wir, allen 700 Mitgliedern unseres Vereins Kerzen zukommen zu lassen, die sie ins Fenster stellen können.“

Am Ziel wird auf dem Vorplatz der Kirche Pfarrer Dr. Jochen Reidegeld die beiden Schützen-Repräsentanten erwarten. Jubelkönig Brinkert spricht mit dem Pfarrer drei Vaterunser – eines für alle Verstorbenen, eines für die Verstorbenen aller Schützengesellschaften und eines für einen besonderen Zweck, der in jedem Jahr neu bestimmt wird. „In diesem Jahr bietet sich natürlich eines im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie an“, unterstreicht der erste Vorsitzende. Anschließend ziehen die beiden Schützenbrüder mit dem Pfarrer in die Kirche ein und halten dort eine Andacht ab, an der neben den Geistlichen nur Bürgermeisterin Claudia Bögel-Hoyer teilnehmen darf.

Emmausgang im Internet

Danach ziehen die beiden Vertreter der Schützengesellschaft diesmal ausnahmsweise nicht zurück zum Vereinslokal „Lindenhof“, sondern Kai Laukemper nimmt sie mit nach Hause und wartet dort – wie der Brauch es vorschreibt – darauf, dass die drei Kerzen erlöschen. „Im vorigen Jahr hat das bis 4 Uhr morgens gedauert“, berichtet Laukemper schmunzelnd. Die Besonderheit in diesem Jahr ist: Der gesamte Emmausgang einschließlich des Verlöschens der Kerzen wird live im Internet gestreamt, so dass jeder das Geschehen von zu Hause aus verfolgen kann. Immer, wenn eine der Kerzen ausgeht, wird das alte Prinzen-Lied angestimmt: „Wir sind die alte Prinzenschar/die blau und weiße Garde/Wir sind schon alt 500 Jahr/und stolz auf unsre Farbe“ mit dem anschließenden Refrain „Schöner grüner, schön schmeckt der Wein an dem Rhein, juchhe!/Hurra, hurra, hurra, hurra, seht, die Prinzenjungs sind da!/ Hurra, hurra, hurra, hurra, seht, die Jungs sind da!“. Wobei, wie Kai Laukemper hinzufügt, die Zeile mit den „Jungs“ eigentlich schon veraltet ist, denn inzwischen sind 15 Prozent von 700 Mitgliedern, die der Traditions-Schützenverein zählt, Frauen. Auch muss man nicht mehr katholisch sein, um der Gesellschaft anzugehören.

Keine Zukunftssorgen

Dass Laukemper selbst erst 30 Jahre jung ist („aus meiner Generation sind noch etliche dabei“) beweist, dass der altehrwürdige Verein sich um seine Zukunft keine Sorgen machen muss. Und die große Resonanz auf das standhafte Festhalten an der großen Tradition - die Frankfurter Allgemeine Zeitung machte sie im vorigen Jahr ebenso zum Thema wie der Nachrichtensender n-tv – hat die Prinzen-Schützen selbst überrascht. „Auch hier in Borghorst haben wir viel Zuspruch und Lob bekommen, und unsere Vereinsmitglieder sind total stolz, dass wir selbst in diesen schweren Zeiten die Laterne weitertragen“, freut sich Laukemper. „Wir schaffen das!“ So hofft der junge Schützen-Vorsitzende, dass der Emmaus-Gang 2021 nicht nur für die Stadt Borghorst und die Region Münsterland, sondern weit darüber hinaus zum Zeichen der Hoffnung und der Standhaftigkeit in Zeiten der Corona-Krise wird. „Aber 2023, wenn wir unser 200-Jahr-Jubiläum feiern, werden wir hoffentlich alle in voller Vereinsstärke wieder real durch den Ort ziehen können“, erklärt Laukemper.

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