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Eindeutig mehrdeutig

In einem Essay setzt sich Tagespost-Korrespondent Stefan Rehder mit der neuen Sehnsucht nach Eindeutigkeit auseinander.
DNA - Doppelhelix
Foto: un (dpa) | Die DNA - Sinnbild der Eindeutigkeit. Das Bild zeigt ein Modell des menschlichen DNA-Stranges mit seiner doppelten Helix-Struktur.

Die Sehnsucht nach Eindeutigkeit sei eine normale Reaktion auf den raschen, oft unübersichtlichen gesellschaftlichen Wandel, der bei vielen zu verständlicher Verunsicherung führe. Nach Ansicht des Autors ließe sich die Mehrdeutigkeit oftmals in Eindeutigkeit überführen. Allerdings erfordere diese einige Anstrengungen und sei nicht Nulltarif zu haben.

Debatten um Einwanderung und Klimawandel als Beispiele

Die Mehrdeutigkeit von Begriffen, Symbolen und Sachverhalten, aber auch von Gefühlen und Wünschen ertragen und aushalten zu können, ist eine Kulturfertigkeit, die heute immer mehr Menschen zunehmend abhanden zu kommen scheint. Und das unabhängig davon, wo sie sich selbst innerhalb von Gesellschaften verorten: Links, rechts oder irgendwo dazwischen. Nirgendwo lasse sich dies derzeit besser beobachten als in den Debatten um Einwanderung und Klimawandel, meint Tagespost-Korrespondent Stefan Rehder.

Gott: Das Paradebeispiel für notwendige Mehrdeutigkeit

Auch Christen seien vor der Versuchung, Eindeutigkeit zu verlangen, wo Mehrdeutigkeit ausgehalten und bewältigt werden müsse, nicht gefeit. In seinem Essay verdeutlicht der Autor dies an Beispielen wie dem Liturgiestreit und der Kritik an der Amtsführung von Papst Franziskus. Aus Sicht des Autors ist Gott selbst sogar ein Paradebeispiel für Mehrdeutigkeit: Ein Gott in drei Personen. Spätestens hier sei der Sicherheit suggerierende Wunsch des Menschen nach Eindeutigkeit zum Scheitern verurteilt, meint der Autor und beruft sich auf den Heiligen Augustinus: „Wenn Du es begriffen hast, ist es nicht Gott.“

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Eindeutigkeit als erstrebenswertes Gut

Dass Mehrdeutigkeit oftmals ausgehalten und bewältigt werden müsse, dürfe jedoch nicht dazu führen, Eindeutigkeit gering zu achten. Im Gegenteil: Eindeutigkeit sei ein hohes Gut, nach dem zu streben lohne. Vielfach ließe sich Mehrdeutigkeit auch in Eindeutigkeit überführen. Notwendig sei dafür allerdings, den jeweiligen Bezugsrahmen klar zu benennen. Wo dies der Fall sei, ließen sich auch mehrdeutige Symbole wie etwa das Kreuz oder das Kopftuch eindeutig klassifizieren. Ohne die Bereitschaft zu einem aufrichtigen Dialog und einem echten Verstehenwollen des jeweils anderen sei eine Überführung des Mehrdeutigen ins Eindeutige nicht zu haben.

DT/reh

Warum ein anstrengungsloser, Eindeutigkeit suggerierender und fordernder Gebrauch Sozialer Netzwerke dem Streben nach Eindeutigkeit nicht zuträglich ist, erfahren Sie in der aktuellen "Tagespost"..

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