Mit Hilfe der ersten echten sympto-thermalen Methode konnte eine Form der Natürlichen Empfängnisregelung entwickelt werden, die es den Ehepaaren ermöglicht, sowohl die besten fruchtbaren Tage zu bestimmen (wichtig bei Kinderwunsch!), als auch eine absolut unfruchtbare Zeit. Letzteres erlaubt daher auch die Beratung jener Ehepaare, die bei Vorliegen von wichtigen Gründen eine Empfängnis vermeiden müssen (dazu ist kein Kontrazeptivum imstande!). Daneben können weitere unfruchtbare Tage mit unterschiedlicher Verlässlichkeit bestimmt werden.
Ein Ehepaar sagte dazu: ‚Das Schönste für uns an der Natürlichen Empfängnisregelung: Wir mussten nie an der Verlässlichkeit zweifeln – weil wir sie selbst bestimmen.‘ In dieser 50-jährigen Arbeit konnte durch viele Zeugnisse aufgezeigt werden, dass die Ehelehre der katholischen Kirche nicht nur nichts Unmögliches verlangt, sondern dass ein Leben bewusst eingebettet in den Zyklus der Frau lebbar ist und eine Bereicherung des ehelichen Lebens mit Vertiefung der ehelichen Liebe darstellt.“ Diese Zusammenfassung stellt Josef Rötzer seinem Referat „50 Jahre im Dienste der NER“ am 23. November 2001 im Vatikan voran. Zu seinem 100. Geburtstag 2020 veröffentlichte ich seine Biographie, deren Titel zusammenfasst, wie Rötzer Glaube und Vernunft zusammensehen konnte: „Ein Arzt in der Verantwortung vor Gott“.
Eine verantwortungsvolle Empfängnisregelung
Die NER vermittelt das Wissen darüber, dass es im Zyklusgeschehen der Frau fruchtbare und unfruchtbare Tage zu unterscheiden gilt. Der Weg in der Praxis ist die sogenannte Sympto-thermale Methode Rötzer. Das Ureigenste, die Originalität der Arbeit meines Vaters liegt in der Erkenntnis, dass es für eine verlässliche Anwendung der NER notwendig ist, die Auswertung der Messung der Aufwachtemperatur (thermal) von der Selbstbeobachtung der Frau, von der Beschaffenheit des Zervixschleimes (sympto-), abhängig zu machen.
NER als die gesunde, sichere, partnerschaftliche, verantwortungsvolle und der Natur des Menschen entsprechende Form der Regelung der Empfängnis: Sind das nur schöne Schlagworte oder entspricht dies den Tatsachen? Um den Weg der NER zu verbreiten, müssen Vorurteile ausgeräumt werden, auch Vorurteile, die Frauen von Ärzten zu hören bekommen.
Vorurteil 1: NER sei unsicher
Zuverlässigkeit meint, dass eine gute und klare Auswertung der verschiedensten Zyklusverläufe der Frau nach der sympto-thermalen Methode Rötzer eine zentrale Aufgabe darstellt. Wir haben eine höchst zuverlässige Methode anzubieten, mit der sogar die hundertprozentig unfruchtbare Zeit bestimmt werden kann. Kein Verhütungsmittel kann eine solche Zuverlässigkeit erreichen.
Diese Zuverlässigkeit der NER hat sich in der Praxis bewährt, ist wissenschaftlich belegt und wird in gynäkologischen Lehrbüchern bestätigt. Vielleicht klingt dies ein wenig „technisch“, aber die Zuverlässigkeit der Auswertung ist sehr wichtig, denn nur dann, wenn sich jedes Ehepaar auf diese Auswertungsregeln verlassen kann, wird es sich auch in seiner Ehe für die weiteren und tiefen Dimensionen der NER öffnen.
Vorurteil 2: NER sei kompliziert
Das Erlernen der Natürlichen Empfängnisregelung und die fortlaufende Weiterbildung hat mein Vater einmal mit dem Erwerb eines Führerscheins und der Fahrpraxis verglichen. Wie viele Opfer an Zeit und Geld nehmen doch all jene auf sich, die einen Führerschein haben wollen! Um die letzten Feinheiten der NER beherrschen zu können, braucht es nicht so viele Unterrichtsstunden wie zum Erwerb des Führerscheins. Jeder Führerscheinbesitzer weiß, dass dann noch die Fahrpraxis erworben werden muss. Ebenso soll man bei der NER die Auslegung der eigenen Aufzeichnungen immer wieder mit Musterbeispielen vergleichen. NER wird im Laufe der Zeit zu einer Selbstverständlichkeit, die keine Mühe mehr macht – wie das Autofahren nach entsprechender Fahrpraxis.
Vorurteil 3: NER sei nur lebbar bei regelmäßigen Zyklen und wenn man ohnehin ein Kind will.
Wie wichtig sind bei unregelmäßigen Zyklen die Aufzeichnungen der Frau! Der Grundgedanke ist, dass wir erkennen müssen, warum der Zyklus unregelmäßig ist. So lautete auch ein Thema meines Vaters: „Zyklusaufzeichnungen als Grundlage für eine Diagnose und zielgerichtete Therapie“. Wir dürfen den Zyklus der Frau nie „zudecken“, etwa mit der sogenannten „Anti-Baby-Pille“. Die Blutungen können durch die Einnahme der Hormone der Pille „regelmäßig“ werden, aber dies hat nichts mit dem persönlichen Zyklus der Frau zu tun, sondern ist ein Kunstprodukt, hervorgerufen durch diese künstlichen Hormone, die in der Pille enthalten sind.
Vorurteil 4: NER sei auch nichts anderes als Verhütung, wenn eine Schwangerschaft nicht angestrebt wird. Die Intention sei dieselbe wie bei der Verhütung.
Worin liegt der Unterschied zwischen Empfängnisregelung und Verhütung? Einen wesentlichen Hinweis finden wir im Zweiten Vaticanum, in „Gaudium et spes“ (GS). Das Konzil hat hier deutlich festgestellt, dass „wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein schon aus der guten Absicht und der Bewertung der Motive abhängt, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben, und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklichen humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend der ehelichen Keuschheit“ (GS 51).
Diese Darlegung weiterführend lehrte der heilige Papst Johannes Paul II., dass nur dann, wenn die beiden Sinngehalte des ehelichen Einswerdens – die liebende Vereinigung und die Fruchtbarkeit – nicht getrennt werden, die Liebe vollmenschlich ausgedrückt werden kann. Es geht darum, in großer Behutsamkeit darauf zu achten, dass im Einswerden von Mann und Frau das Geschenk der Ganzhingabe auch wirklich ganz bleibt. Deshalb wird die Kirche nicht müde, immer wieder aufs Neue den Unterschied zwischen Empfängnisregelung und Empfängnisverhütung herauszuarbeiten.
Im Apostolischen Schreiben „Familiaris consortio“ lesen wir: „Es handelt sich um einen Unterschied, der größer und tiefer ist, als man gewöhnlich meint, und der letzten Endes mit zwei sich gegenseitig ausschließenden Vorstellungen von Person und menschlicher Sexualität verknüpft ist. Die Entscheidung für die natürlichen Rhythmen beinhaltet ein Annehmen der Zeiten der Person, der Frau, und damit auch ein Annehmen des Dialoges, der gegenseitigen Achtung, der gemeinsamen Verantwortung, der Selbstbeherrschung.
Die Zeiten und den Dialog annehmen heißt, den zugleich geistigen und körperlichen Charakter der ehelichen Vereinigung anerkennen und die personale Liebe in ihrem Treueanspruch leben. In diesem Zusammenhang macht das Ehepaar die Erfahrung, dass die eheliche Vereinigung um jene Werte der Zärtlichkeit und Affektivität bereichert wird, die die Seele der menschlichen Geschlechtlichkeit bilden, auch in ihrer leiblichen Dimension. Auf diese Weise wird die Sexualität in ihrer echt- und vollmenschlichen Dimension geachtet und gefördert, sie wird nicht ‚benutzt‘ wie ein Gegenstand, was die personale Einheit von Seele und Leib auflösen und so die Schöpfung Gottes in ihrer intimsten Verflechtung von Natur und Person verletzen würde.“ (FC 32)
Vorurteil 5: Enthaltsamkeit sei nicht lebbar.
Wenn eine Schwangerschaft vermieden werden soll, ist es richtig, in der erkannten fruchtbaren Zeit sexuell enthaltsam zu leben. Bedeutet das, enthaltsam von der Liebe zu leben, oder darf diese Zeit eine Herausforderung sein, die Vielfalt der Ausdrucksformen der ehelichen Liebe zu entdecken und kreativ zu werden?
In der Praxis zeigt sich, dass immer mehr junge Paare offen sind für diese Natürliche Empfängnisregelung. Einerseits weil keine künstlichen Hormone verwendet werden, und somit die Umwelt und vor allem die Gesundheit der Frau geschützt werden, andererseits auch, weil sie erkennen, dass ein Wechsel von Erfüllen und Wartenkönnen die gegenseitige Liebe verjüngt, spannend macht und es nie langweilig wird.
Professor José Noriega berichtete bei seinem Vortrag „50 Jahre Humanae vitae“ von dem Zeugnis eines Ehepaares, dass diese Zeit so beschreibt: „Wir sprechen nicht so sehr von der ‚periodischen Enthaltsamkeit‘, sondern vom periodischen Einswerden – worauf wir uns in der enthaltsamen Zeit vorbereiten, auf ein Fest, auf eine Zelebration, auf das volle Einswerden. Die Enthaltsamkeit ist die Vorbereitung darauf! Eheliches Einswerden ist ein Fest, eine Zelebration, die Vorbereitung braucht.“
Elisabeth Rötzer, Institut für Natürliche Empfängnisregelung Rötzer (INER)
Informationen über Literatur und Kurse: www.iner.org
Kurz gefasst
Immer mehr junge Paare entdecken die Natürliche Empfängnisregelung (NER). Weil bei ihr keine künstlichen Hormone verwendet, die Gesundheit der Frau und die Umwelt geschützt werden, aber auch, weil sie erkennen, dass NER die gegenseitige Liebe verjüngt. Dennoch halten sich einige Vorurteile, denen hier aus berufenem Mund begegnet wird.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe