Christliche Familie

Gottes Alltagswunder

„Ganz normal katholisch“ zeigt sich das Jungfamilientreffen in Pöllau. Gerade so bietet es viel geistliche Nahrung für die Familien.
Pfarrer Roger Ibounigg ist seit Jahren begeisterter Gastgeber für das Jugend- wie für das Jungfamilientreffen
Foto: Franz Schöffmann | Katholische Willkommenskultur: Pfarrer Roger Ibounigg ist seit Jahren begeisterter Gastgeber für das Jugend- wie für das Jungfamilientreffen im Juli.

Am vergangenen Sonntag ist das 19. Pöllauer Jungfamilientreffen der „Initiative Christliche Familie“ (ICF) zu Ende gegangen. Der österreichische Familienbischof und Diözesanbischof von Innsbruck, Hermann Glettler, ist eigens aus Tirol gekommen, um die Messe mit den Familien zu feiern. „Gottes Alltagswunder“ nennt er in seiner Predigt die Familie. Und bittet alle, zuhause auszuteilen und weiter zu verschenken, was sie erfahren und erhalten haben. In großer Fröhlichkeit nehmen die Familien diesen Ruf mit. Doch was haben sie in diesen Tagen im steirischen Pöllau erhalten und erfahren?

Ein friedlicher Ort

Das erste, was einem als Besucher auffällt, ist der Frieden. 75 Familien auf einem Fleck – mit den vielen, oft noch jugendlichen Helfern an die 500 Personen: Da erwartet man eigentlich mehr Lärm und Ungeduld, noch dazu im Hochsommer, bei Temperaturen von manchmal über 30 Grad. Aber beim Jungfamilientreffen ist das anders.

Man betritt in der verträumten Fünftausend-Einwohner-Gemeinde Pöllau in der wunderschönen Oststeiermark den Schlosspark (das alte, ehemalige Kloster wird hier „Schloss“ genannt) und stößt zuerst einmal auf ein Zelt, in dem ständige Eucharistische Anbetung gehalten wird. Gleich drauf kommt die Fußball-Wiese, dann ein großes Zelt, in dem Morgen- und Abendgebet stattfinden und natürlich die Vorträge, die das Kernstück des Erwachsenenprogramms ausmachen.

Und, weil Gemütlichkeit und Geselligkeit nicht zu kurz kommen dürfen, ein „Buschenschank“ (ungefähr das, was in Wien ein „Heuriger“ genannt wird). Wenn man gerade zum Beginn oder zum Ende des Kinderprogramms kommt, sieht man kleine Gruppen fröhlicher Kinder durch den Schlosspark marschieren, manche davon singend – auf dem Weg zu oder von ihren Eltern.

Sehnsucht nach geistlicher Nahrung und Stärkung

Seit 2003 kommen hier katholische Familien aus ganz Österreich und darüber hinaus zu einer Woche der Erholung, der Glaubensvertiefung und des gemeinsamen Betens und Feierns zusammen. Manche gehören einer der geistlichen Gemeinschaften oder Erneuerungsbewegungen an. Viele sind in ihrer Pfarrei engagiert. Allen gemeinsam ist, dass sie ihre Ehe und Familie aus dem Glauben heraus kräftigen wollen. Dazu dienen Vorträge, Workshops und Austauschgruppen für die Eltern, auch ein Programm für die Unter-14-Jährigen, Jugendstunden, Gebetszeiten, tägliche Messfeier und viel Zeit füreinander und zur Pflege der Freundschaften, die hier vielfach entstanden sind und sich Jahr für Jahr erneuern.

Pfarrer Roger Ibounigg ist seit Jahren begeisterter Gastgeber für das Jugend- wie für das Jungfamilientreffen

Das Treffen wird nicht von einer Bewegung oder einem Orden veranstaltet, sondern von einer Plattform, die einfach nur katholisch sein möchte: der „Initiative Christliche Familie“ (ICF), die von der Österreichischen Bischofskonferenz unterstützt wird. Geleitet wird sie von Robert Schmalzbauer, Vater von acht Kindern und zweifacher Großvater, der mit seiner Frau Michi von Anfang an dabei war. Wenn man ihn zu den „Erfolgsgeheimnissen“ des Treffens befragt, erzählt er davon, wie seine damals noch kleine Familie vor Jahren „Sehnsucht hatte nach geistlicher Nahrung und Stärkung – für uns als ganze Familie“. Das Schlüsselerlebnis kam im Jahr 2000, als Familie Schmalzbauer ein Jahr in Frankreich bei der Gemeinschaft „Le Verbe de Vie“ gelebt hat. Die machten Familienveranstaltungen und es fiel auf, wie liebevoll dort gottgeweihte Schwestern und Brüder den Eltern und Kindern „richtiggehend gedient haben“.

Wert und Würde

Damit wurde auch den Familien ihr Wert und ihre Würde in den Augen der Kirche wieder neu bewusst. Familie Schmalzbauer lernte dabei, wie wichtig zunächst die Befriedigung der ganz einfachen familiären Bedürfnisse ist: „Wo kann ich mein Kind wickeln? Wo kann ich in Ruhe stillen? Damit du einem Vortrag zuhören oder dich im Gebet auf Gott hin öffnen kannst, müssen für einen Vater oder eine Mutter ja eine Menge Voraussetzungen erfüllt sein.“

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Mit diesen Erfahrungen begannen die Schmalzbauers mit sieben anderen jungen Familien in Mödling bei Wien Samstagnachmittage zu gestalten, die immer noch jeden Monat stattfinden. „Da ging es uns schon um die drei großen Themen, die dann auch für das Pöllauer Treffen maßgeblich geworden sind: die Gottes-Beziehung, aus der alles andere seinen Sinn und seinen Halt bekommt, dann die eheliche Beziehung und die Erziehung.“

Vor der Pandemie gab es stetiges Wachstum

Dass es dann gerade in Pöllau zum ersten Jungfamilientreffen kam, war nicht ganz zufällig. Schon seit Jahren fanden dort im Sommer Jugendtreffen der Katholischen Charismatischen Erneuerung statt. Robert Schmalzbauer sagt: „Das kann man nicht planen, das muss man finden: ein Ort mitten in einem Naturpark und mit einer riesigen Kirche (der größten barocken Kirche der Steiermark), und dann mit einem von einer Mauer umgebenen Schlosspark, also einem sichern Terrain. Mit einem uns zugetanen Pfarrer und einem jungen Kaplan, die so gut vernetzt waren, dass bald die ganze Gemeinde uns mit offenen Armen aufgenommen hat… Das war alles vorbereitet. Es war alles schon da.“

Trotzdem war es „ein großes Wagnis und ein großes Abenteuer“. Im ersten Jahr kamen 35 Familien, dann 45, dann 75, dann 90, dann hundert. Im Jahr 2019 stieß das Treffen mit 200 Familien an seine Kapazitätsgrenze. Dann kam die Pandemie, und 2020 fand vieles nur digital statt. Es entstanden kleine regionale Treffen in ganz Österreich, die sich per Videostream einem Rumpfprogramm in Pöllau anschlossen. Heuer konnte dank strenger 3G-Kontrollen fast schon wieder alles wie gewohnt stattfinden, nur eben mit gedrosselter Teilnehmerzahl.

In drei Generationen dabei

Längst ist das Jungfamilientreffen keine isolierte Veranstaltung für sich alleine. Viele Kinder, die mit ihren Eltern als Kleine nach Pöllau gekommen sind, sind heute als Jugendliche Helfer beim Kinderprogramm. Viele von ihnen gehen auch zum Jugendtreffen, das in der Woche vor den Jungfamilien in Pöllau stattfindet. Wenn sie dann selber Kinder haben, kommen sie mit ihnen wieder zum Familientreffen. Es ist nichts Außergewöhnliches mehr, dass manche Familien schon in drei Generationen dabei sind. Von Pöllau aus bilden sich neue Zentren für Familiennachmittage – und von diesen Nachmittagen kommen wieder neue Familien nach Pöllau.

Die Jugendlichen, die hier herauswachsen, haben ihre eigene Gruppe gegründet, die sich auch während des Jahres trifft. Sie nennen sich „Helden für Ihn“ – und begeistern in Pöllau die Familien mit einem Jugendtheater, heuer über den heiligen Richard Pampuri. Sie berühren besonders durch ihren tiefen Ernst. In diesem Jahr gab es etwas ganz Besonderes: die Nachprimiz von Rupert Santner, einem der ehemaligen „Helden“, der hier schon als 15jähriger mitgeholfen hat und heuer in Salzburg zum Priester geweiht wurde.

Sind das alles „Superkatholiken“ unter sich? Robert Schmalzbauer antwortet: „Wir sind nicht super, sondern ganz normal katholisch. Es werden die Sakramente angeboten, wir beten den Rosenkranz, es gibt die Anbetung. Viele Menschen entdecken gerade hier erst den ganzen Reichtum, den ihnen die Kirche anbietet. Oft hört man dann: ,Wissen Sie, wir haben zuhause eigentlich nicht so oft gebetet. Und wir sind auch nicht jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Aber hier haben wir gemerkt, wie schön das ist.‘ Es ist etwas, was die Kirche überall leben könnte, und nichts Exklusives, das nur für besondere Leute wäre.“

Priester und Laien beschenken sich gegenseitig

Ein Ehepaar, das mit seinen drei Kindern seit vielen Jahren aus Niederösterreich nach Pöllau kommt, sind Peter und Roswitha Hamedinger. Auf das Jungfamilientreffen stießen sie, weil sie Wege gesucht haben, um zu wachsen. „Wir haben traditionell katholisch gelebt, mit Messbesuch an Sonn- und Feiertagen, aber wir wollten wachsen. Unser Motto bei unserer Hochzeit hieß: ,Gemeinsam mit Dir gehen‘ – aber wir haben überhaupt nicht gewusst, was das heißt“.

Pöllau bedeutet für sie „Stärkung, geistige Tankstelle, Justierung“. Peter Hamedinger sagt: „Du bekommst hier wieder die Ausrichtung aufs Wesentliche im Leben. Es relativieren sich die Dinge des Alltags.“ Und dazu komme die Erkenntnis: Wenn wir hierher kommen, kann es gelingen, dass die Kinder in den Glauben finden und dabeibleiben. Seine Frau Roswitha meint: „Die Freunde und die Erfahrungen aus Pöllau helfen ihnen, die Sehnsucht zu entwickeln nach mehr, nach einer tieferen Beziehung zu Christus.“

Barmherzigkeits-Nachmittag

Das Kernstück des Treffens sei der Barmherzigkeits-Nachmittag mit Besinnung, Beichte und Aussprache mit dem Ehepartner, gefolgt am Abend von einer feierlichen Erneuerung des Eheversprechens. „Die Bedeutung der Versöhnung, des gemeinsamen Neuanfangs, das haben wir hier gelernt. Nicht das Vergangene zudecken, sondern hinschauen und dadurch geheilt werden.“ Meilensteine auf ihrem Weg als Familie seien diese jährlichen Eheerneuerungen geworden.

Vieles wäre ihnen noch wichtig: Dass man hier Freunde findet fürs Leben, dass man so viele beeindruckende Priester kennenlernt – „voller Hingabe, Treue und ganz nahe bei Christus. Da bekommt die Beichte die Intensität und den Tiefgang des Guten Hirten. Und das erlebst du in Pöllau nicht einmal, sondern zwanzigmal“, resümiert Peter Hamedinger.

Vertrauen in die Priester

300 Priester waren im Lauf der Zeit schon da – dabei wird das Treffen von Laien verantwortet. Pater Andreas Hasenburger vom Orden der Missionare vom kostbaren Blut, sieht als geistlicher Leiter des Treffens ein „gegenseitiges Beschenken dieser beiden Wege des Glaubens und der Hingabe, dem des Priesters und dem der Eheleute“. Womit wird er beschenkt? „Schon durch die Anwesenheit dieser Ehepaare mit den vielen Kindern. Und sehen zu dürfen, wie sie als Familie zu leben versuchen, mit Hürden und Schwierigkeiten, und doch in großer Freiheit und Fröhlichkeit. Das Vertrauen, das sie uns Priestern entgegenbringen, bei der Beichte oder in Gesprächen. Und die Tatsache, dass hier ein Ort des Friedens ist und der Gegenwart Gottes. Er ist da. Und ich glaube, dass das alle, die hier sind, in irgendeiner Weise erfahren dürfen.“

 

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