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Bistümer St. Gallen und Basel: Verwässerung der Lehre der Kirche

Lernen statt verkünden: Die Bistümer St. Gallen und Basel stehen beispielhaft dafür, wie man die auf dem Naturrecht basierende Lehre der Kirche verwässern kann.
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Foto: Andreas Lander (dpa-Zentralbild) | Die schweizer Bischöfe möchten die Grundhaltung der Achtsamkeit, Solidarität und Wertschätzung in der Familienpastoral. Hatte die Kirche diese Haltung aber nicht schon immer?

Die älteste und universale Konstante menschlichen Zusammenlebens ist das „konjugale Prinzip“. Für die katholische Kirche nichts Neues; schon vor dem Sozialanthropologen Claude Levi-Strauß, der diesen Begriff prägte, hat sie sich in der praktischen Seelsorge immer damit befasst. Ins Zentrum der Pastoral sind Ehe und Familie aber erst mit dem Anthropologen Johannes Paul II. gerückt. Auch seine Nachfolger haben mit vielen Ansprachen und Lehrschreiben die Bedeutung und Unverzichtbarkeit der Ehe- und Familienpastoral unterstrichen. Man kann sogar rückblickend sagen, dass Enzykliken wie „Humanae Vitae“ und „Familiaris Consortio“ prophetischen Charakter hatten.

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Von der Gesellschaft lernen?

Das wird nicht von allen Hirten erkannt, geschweige denn anerkannt. Die Bistümer St. Gallen und Basel stehen beispielhaft dafür, wie man die auf dem Naturrecht basierende Lehre der Kirche verwässern kann. Sie haben jetzt unter dem Titel „Paare und Familien: Kirche und Pastoral betreten ,Heiligen Boden‘“ eine Schrift herausgegeben, die „pastorale Orientierungen“ bieten soll. Auffallend ist schon auf den ersten der rund 40 Seiten die Haltung, die diese Schrift kennzeichnet: Man will „lernen, wahrzunehmen, zu begleiten, zu unterscheiden und zu integrieren“. Es gehe bei den pastoralen Orientierungen um eine „erste Konkretisierung der begonnenen Lernbewegung in der Paar- und Familienpastoral“, um eine „erneuerte Grundhaltung der katholischen Kirche… gegenüber Paaren und Familien“. Mit anderen Worten: Vorher hat die Kirche die Lehre Christi verkündet, jetzt soll sie von der Gesellschaft und neuen Lebensformen lernen. Vorher hat sie sich bemüht, das christliche Menschenbild als Weg zum Glück zu erläutern, jetzt soll eine neue „Grundhaltung der Achtsamkeit, Solidarität und Wertschätzung“ vorherrschen. Hatte sie diese Haltung nicht schon immer?

Neu definierte Grundbegriffe

Die Kirche soll lernen, als ob sie nichts mehr zu sagen und zu verkünden hätte. Da nimmt es nicht wunder, dass Grundbegriffe neu definiert werden, etwa der Begriff Ehe. Von Paar- und Familienpastoral soll „in einem breiten Sinn die Rede“ sein. Immerhin lässt nach Ansicht der Autoren – verantwortlich zeichnen die Bischöfe Markus Büchel (St. Gallen) und Felix Gmür (Basel) – „der Begriff Paare Raum für unterschiedliche Paarbeziehungen inklusiv Ehe“. Von Unauflöslichkeit ist allerdings nicht mehr die Rede, nur noch von Dauer. Und die Definition von Ehe und Familie aus dem Katechismus sucht man vergebens.

Wie eine neue Erkenntnis wird der Wandel der Gesellschaft beschrieben. Dabei hat schon vor mehr als zwanzig Jahren der Zürcher (!) Soziologe Francois Höpflinger auf das „Paradoxon der Koexistenz traditioneller und moderner Lebens- und Familienformen“ als „Hauptmerkmal der aktuellen Situation in Europa“ hingewiesen. Zwar habe „der sozio-ökonomische Wandel in allen europäischen Ländern analoge familiale Veränderungen ausgelöst, aber stärker als in anderen sozialen Bereichen ist das familiale Leben durch die Gleichzeitigkeit von Wandel und Kontinuität charakterisiert“. Festzuhalten sei, so Höpflinger, dass es keine Abwertung der traditionellen Familie gebe. Und: „Eine (normative) Abkehr von der Familie lässt sich höchstens in einigen urbanen Subgruppen festhalten. Da Personen in den Medien und im akademischen Bereich eine hohe Affinität zu solchen „anti-familialen“ urbanen Gruppen aufweisen, bleibt im veröffentlichten Bild der Familie die Kontinuität familialer Strukturen weitgehend unbeachtet.“

Mangel an Wissenschaftlichkeit

Nun also auch in diesen schweizer Bistümern. Erstaunlich ist der Mangel an Wissenschaftlichkeit, amtliche Statistiken werden nur am Rande und ohne Zahlen genannt (Fußnote Seite 27). Man holt sich halt das heraus, was für die Grundthese der Broschüre – die Umkehr der Kirche weg von der Person und hin zu weltlichen Verhaltensformen – nützlich scheint. Die soziale Wirklichkeit in Europa besteht aber nicht aus Minderheiten, Ehe und Familie aus Mann und Frau mit Kindern sind nach wie vor die von einer großen Mehrheit gewünschte und praktizierte Lebensform. Natürlich spielt die Dynamik eher auf der Seite der Einzelpersonen und der Wechselfälle des Lebens. Aber gerade hier kann eine Ehe- und Familienpastoral Beständigkeit fördern, früher nannte man das Treue.

Unkritische Mediengläubigkeit

Die Broschüre dagegen wimmelt von wohlfeilen Allgemeinplätzen. Möglicherweise hat auch eine unkritische Mediengläubigkeit gepaart mit soziologischen Vermutungen zu einer gefühlten Wahrnehmung der Wirklichkeit geführt. Gefährlich wird so eine Sicht der Welt allerdings, wenn die selbst gebastelte Brille auch der „ganzen Kirche“ aufgesetzt werden soll und dann zu solchen Sätzen führt: „Nicht mehr die Kirche belehrt die Menschen, sondern die Menschen in ihren Paarbeziehungen und Familien zeigen als eigene Form von Kirche, was das Evangelium heute für uns alle bedeuten kann.“ Kirche als neue „eigene Form“ so wie es euch gefällt. Natur des Menschen? Christliches Menschenbild? Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen? In Basel und St. Gallen alles vergangen und überholt. Das Papier der zwei Bistümer riecht nach einem Totenschein.

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