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Projekt „Art helps“: Kreativität und Hoffnung

Vom Design Director zum Hausmeister in einer Favela und Begründer kreativer Hilfe.
Kinder in der Ostukraine als Superhelden
Foto: Art Helps | Kinder in einem Flüchtlingslager im Irak nehmen an einen Kunstprojekt von Art Helps teil. Kunst hilft den Kindern ihre Kreativität zu entdecken und damit Lebensmut zu gewinnen.

Der Name ist Programm. Art helps, Kunst hilft, so nennt sich das Projekt von Yasemin und Thomas Lupo. Doch wie kann Kunst helfen? „Alles Visuelle war für mich immer total spannend und interessant“, sagt Thomas Lupo. Der Großvater hatte Ölbilder gemalt, den jungen Thomas faszinierte das. Da habe sich für ihn als kleinem Jungen eine ganze Welt aufgetan. Er hat selber auch früh angefangen zu malen. Später studierte er Design und stieg zum Design Director bei Jung van Matt auf. Doch das war nicht das Ziel. „Mein ganzes Leben einfach nur für den Kommerz zu leben, um fiktive, unechte Welten zu kreieren“, so Lupo, hätte er sich nicht vorstellen können. Schon immer habe er gedacht, er müsse von dem, was er studiert hat, anderen Menschen etwas geben. So habe er damals so ein Experiment gewagt: Ein sechsmonatiger Aufenthalt in Brasilien.

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Menschen finden ihre Kreativität

Der vormalige Design Director einer großen Werbeagentur wagte sich als Hausmeister in eine Favela, um mit jungen Menschen kreativ zu arbeiten. Seine Grundfrage lautete: „Kann ich die Menschen dazu bringen, ihre eigene Kreativität zu finden?“ Das Projekt wurde ein voller Erfolg. Die Kinder bauten mit ihm am Ende Kameras aus Müll, mit denen sie echte Fotos machten. Diese Bilder wirken surreal, mal dringt Licht durch einen Spalt, mal verfremdet die Unschärfe das Bild so, als wäre ein wirklich großer Fotokünstler am Werk gewesen. Anschließend, so ist sich Thomas Lupo sicher, habe es weitergehen müssen. Art helps war geboren. Nebenbei heimste das Buch, mit dem Lupo das Projekt dokumentierte, reichlich Preise ein. Hilfe, so zeigt sich hier, kann qualitativ hochwertige Ergebnisse hervorbringen. Der positive Nebeneffekt war die für das Projekt gewonnene Aufmerksamkeit.

Die zweite Hilfe

Zweite Hilfe leisten, so nennt es Yasemin Lupo im Gespräch. Die erste Hilfe für Menschen in Armut ist Essen, Kleidung, ein Dach über dem Kopf. Die zweite Hilfe ist es, den Menschen in aussichtslosen Lebensumständen, Hoffnung zu geben. Hoffnungslosigkeit gibt es viel in der Welt. Ob es die extreme Armut in der Favela ist, die dauerhaft provisorische Situation in einem irakischen Flüchtlingscamp oder der Krieg in der Ukraine. Immer geht es um Hoffnung, indem sie in den Menschen die Kreativität wecken. „Wenn man Kinder beständig im kreativen Denken fördert“, sagt Yasemin Lupo, „dann werden sie nicht so hoffnungslos.“ Die junge Frau berichtet von Kindern, mit denen sie jahrelang zusammengearbeitet haben, die mittlerweile selbstständig sind und sich zum Beispiel als Fotografen selbstständig gemacht haben. Einige haben den Weg aus der Favela gefunden.

 


150 Kreative aus allen Richtungen der Kunst

Yasemin und Thomas Lupo machen das nicht allein. Sieben feste Mitarbeiter sind in Stuttgart damit beschäftigt, Projekte zu ersinnen und durchzuführen. Ein hübsch eingerichteter, heller und freundlicher Eckladen in der Schwabenmetropole ist die Heimat von Art helps. Innen duftet es nach Kaffee und atmet weite Welt. In jeder Ecke erkennt man, es geht darum, Menschen mit Kunst helfen. Kunst umgibt einen auf der gemütlichen Sitzgarnitur. Rund 150 kreative Mitarbeiter aus allen Richtungen der Kunst haben sie um sich gesammelt. Allen gemeinsam ist das Ziel, mit ihrer Kunstform Menschen zu helfen, ihre eigene Kreativität und damit sich selbst und ihre Lebensperspektiven zu entdecken. In Deutschland, Brasilien, dem Irak und auch in der Ukraine sind die Arthelper, wie sie sich selber nennen, aktiv. Aktuell sind gerade die Netzwerke in der Ukraine sehr hilfreich. So gab es bei Ausbruch des Krieges direkte Ansprechpartner vor Ort, mit denen konkrete Hilfe direkt und unbürokratisch organisiert werden konnte. Mehrere Hilfstransporte hat Art helps schon von Stuttgart aus auf den Weg in die Ukraine gebracht. Kriegsflüchtlingen konnte gezielt geholfen werden.

Seit 2016 in der Ostukraine

Gerade die Ukraine steht im Augenblick im Mittelpunkt des Interesses der Welt. Doch problematisch sind die Zustände dort schon weitaus länger. „Im Jahr 2016 kam Art helps in die Ostukraine. Seit 2014 wird dort ununterbrochen geschossen und gebombt“, berichtet Yasemin Lupo. Unmittelbar vor Ausbruch des Krieges hatten sie mit Kindern in der Ostukraine ein Heldenprojekt gemacht. Helden seien diese Kinder, so die junge Frau, weil sie dieses Dauerbombardement aushielten. So bastelte Art helps in einem Projekt Heldenkostüme mit den Kindern. Die Kinder durften sich selbst als Held kreieren. Sie erzählten, welche Superkräfte sie haben. Eine Fotoserie dokumentiert die ukrainischen Superheldenkinder. Durch das Fotoshooting stehen die Kinder im Mittelpunkt. Sie werden gesehen und mit ihnen wird ihre Geschichte gesehen und erzählt.

Immer wieder dreht es sich genau darum, in der großen Welt unsichtbare Kinder sichtbar zu machen. Den Kindern selbst zu zeigen, dass sie etwas können und Kreativität in ihnen schlummert. Aus den Kunstprojekten vor Ort werden neben fotografischen Dokumentationen auch handfeste Objekte. Art helps druckt die Werke der jungen Künstler auf Tassen, auf T- Shirts und Kunstblätter. „Wir gehen an Orte, wo Menschen leben, dort machen wir Kreativ-Workshops. Dann entstehen durch dieses Design Produkte und durch den Verkauf der Produkte, aber auch durch Spenden, können wir den Kreis schließen, sodass wir immer wieder neue Projekte machen können“, berichtet Thomas Lupo. Diese Art des Umgangs mit Kunst nennt der Designer „eine Brücke von dieser Welt in unsere Welt hinein“. Das könne Kunst schaffen, sagte Lupo, dass wir Menschen begeistern können auf eine gute Art und Weise, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, was sie eigentlich nicht interessiere oder wo man nicht gerne hinschaue. Kunst nennt der Künstler Thomas Lupo eine Sprache und eine Verbindung.

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Einkaufstasche aus einem Flüchtlingszelt

Mit berechtigtem Stolz zeigen die beiden verschiedene Objekte. Darunter eine Einkaufstasche aus einem Zelt eines irakischen Flüchtlingslagers. Die Zelte waren kaputt und sollten verbrannt werden, doch das Material war zum Teil noch gut und es ist stabiles Material.

Die Kinder bedruckten die Zeltbahnen, halfen beim Zuschneiden und beim Nähen. Jede Tasche sieht etwas anders aus. Allen gemeinsam ist: sie erzählen eine Geschichte von Flucht und Vertreibung, aber auch von Hoffnung und Kreativität.

„Man kann so auf ein Problem aufmerksam machen, indem man etwas Schönes in den Händen hält, was zugleich auch die Not zeigt. Die Leute beschäftigen sich damit und erfahren einfach mehr darüber. Das kommt unseren Kindern zugute. Nicht nur die Gelder helfen, sondern auch das Wissen, nicht vergessen zu sein in dieser Welt“, beschreibt Yasemin Lupo den Gedanken hinter der Tasche. Aber auch bei anderen Projekten zeigt Art helps keine Trauer. Die Helfer von Art helps sehen die Kinder oft sehr glücklich. Der Grund dafür ist einfach, weil sie Kinder sind und weil sie diese Freude in sich tragen. „Uns ist wichtig“, sagte Yasemin Lupo, „darauf aufmerksam zu machen. Wir wollen das Potenzial dieser Kinder fördern.“

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Themen & Autoren
Peter Winnemöller Ukraine

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