Glaubenskurs

Glaubenskurs auf katholisch

Der multimediale Glaubenskurs von "Tagespost", Youcat und Radio Horeb.
Glaubenkurs von Youcat, Tagespost und Radio Horeb
Der Glaubenkurs von Youcat, Tagespost und Radio Horeb

 

Inhaltsverzeichnis:

Glaubenskurs Teil 1: Was wissen wir von Gott?

Glaubenskurs Teil 2: Wie zeigt sich Gott dem Menschen?

Glaubenskurs Teil 3: Was heißt Glauben?

Glaubenskurs Teil 4: Wozu ist die Bibel gut?

 Glaubenskurs Teil 5: Was heißt: Gott wird Mensch? 

Glaubenskurs Teil 6: Warum das Leid?

Glaubenskurs Teil 7: Warum das Kreuz?!

  Glaubenskurs Teil 8: Wozu brauchen wir die Kirche?  

Glaubenskurs Teil 9: Warum lassen sich Christen taufen?

Glaubenskurs Teil 10: Warum lassen sich Christen firmen?

Glaubenskurs Teil 11: Wie versöhnt uns Gott mit sich und den anderen?

Glaubenskurs Teil 12: Warum ist die Heilige Messe das zentrale Ereignis der Kirche?

Glaubenskurs Teil 13: Wie beruft Gott?

  Glaubenskurs Teil 14: Was bedeutet zölibatäres Leben in der Kirche?

 Glaubenskurs Teil 15: Was bedeutet Heiraten in der Kirche?

Glaubenskurs Teil 16: Was haben die Gebote mit der Liebe zu tun?

  Glaubenskurs Teil 17: Was macht den Menschen zum Menschen?

Glaubenskurs Teil 18: Was macht mich frei, was engt mich ein?

 Glaubenskurs Teil 19: Was bedeutet "Du sollst den Sonntag heiligen!" 

 

 

Glaubenskurs Teil 1: Was wissen wir von Gott?

Die Menschheit war immer schon „religiös“, wahrscheinlich gibt es kein einziges Volk und keine einzige Kultur, in der nicht etwas Göttliches, einer oder gleich mehrere Götter verehrt wurden. „Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr Nichts?” – lautet bis heute auch die erste Frage der Philosophie. Die Antworten, die darauf gegeben werden, ähneln sich; die meisten sagen: Man kann die Wirklichkeit nicht ohne Gott denken. Daran ändern auch die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaft (etwa über Urknall, Zufall und Notwendigkeit, die Entstehung und Entwicklung menschlichen Lebens) nichts Grundsätzliches.

YOUCAT 41 und 23: 

Macht die Naturwissenschaft den Schöpfer überflüssig?

Gibt es einen Widerspruch zwischen Glaube und Naturwissenschaft?

Schon die frühen Zeugnisse der Religion sind Zeichen voll Ehrfurcht, Schönheit, Dankbarkeit; man streute dem Schöpfer und Erhalter der Welt Blumen, ließ edle Düfte zu ihm aufsteigen und errichtete dem geheimnisvollen Urheber von allem prachtvolle Tempel. Machtvoll und stark war das Göttliche auf jeden Fall. Aber war es auch gut? Das Leben brachte doch Glück und Unglück in bunter Mischung. So waren die Gottesvorstellungen der Alten oft auch durchwirkt mit Angst: Wenn das Göttliche es nun böse mit mir meint? Die Menschen spürten, dass sie ihr Leben nicht selbst hergestellt hatten und dass dieses Leben wie eine Kerze im Wind war. Jeden Moment konnte es erlöschen und es war vielfältig bedroht. Sie konnten das Wetter nicht beeinflussen und nicht die Fruchtbarkeit ihrer Böden. Und wo gingen die Toten hin? Die Menschen fühlten sich in der Hand höherer Mächte. Oft versuchten sie diese durch Opfer zu beeinflussen; sie sagten sich: Wenn wir Gott das Beste geben, was wir haben, dann wird er uns begünstigen. Und so opferten sie Gott (oder den Göttern) Früchte, Tiere, ja sogar Menschen – ein Geschäft, das auf Gegenseitigkeit angelegt war.

YOUCAT 355: Was bedeutet „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben?“

Das Volk Israel hatte offenkundig einen besonderen Instinkt für die göttlichen Dinge. Wenn wir das Alte Testament lesen, nehmen wir teil an einer musterhaften Lerngeschichte über Gott. Wir sehen, wie Israel Abschied nimmt von der Vielgötterei des alten Orients. Gott kann nur einer sein. Sonne, Mond und Sterne, die von den Nachbarvölkern noch als Götter verehrt werden, werden in der Bibel als Lampen am Himmel verspottet. Abraham lernt, dass dieser eine Gott ansprechbar ist. Und er lernt, dass dieser Gott keine Menschenopfer will. In den Psalmen heißt es: „Schlachtopfer willst du nicht, ich würde sie geben, an Brandopfern hast du kein Gefallen.“ (Ps 51,18). Was Gott aber offenkundig gefällt ist ein „reines Herz“ (Ps 51,12). Gutes zu tun, gerecht zu sein, das hat scheinbar mit einem Gott zu tun, der in sich ganz gut und gerecht ist. Wie kommt dann aber das Böse in die Welt, woher kommen Hass und Gewalt, die Schuld und der Tod, die Tränen der Kinder und Leiden der unschuldigen Tiere?

YOUCAT 7: Warum musste Gott sich zeigen, damit wir wissen, wie er ist?

Heute unterscheidet man drei Formen der Beziehung zu Gott: den Atheismus, den Agnostizismus und Theismus. Der (menschheitsgeschichtlich spät entstandene) Atheismus besteht in der vermeintlich sicheren Gewissheit, dass es Gott nicht gibt. Der Agnostizismus geht von der Voraussetzung aus, dass der Mensch über Gott nichts Sicheres wissen könne; deshalb müsse man sich mit Religion gar nicht beschäftigen. Der Theismus geht von der Existenz Gottes aus, womit noch nicht gesagt ist, was das ist – „Gott“. Ein Prinzip, in Gefühl, eine universale Vernunft, ein Geist, eine Person, eine Art kosmischer Energie?

YOUCAT 30: Warum glauben wir an nur einen Gott?

Als C.S. Lewis, der Autor der „Chroniken von Narnia“, Christ wurde, war er bereits Theist. Durch Nachdenken war Lewis zur Erkenntnis gekommen, dass es Gott geben musste. Aber es berührte ihn nicht. Es war nur eine kalte folgenlose Annahme. Wie konnte man in Fühlung kommen mit dieser gewaltigen anderen Seite der Wirklichkeit? C.S. Lewis erschien es unmöglich. Er fühlte sich wie Hamlet, eine Figur im Stück von William Shakespeare – wie einer also, der eine Rolle in einem Stück spielt, das er nicht selbst geschrieben hat. Aber eines Tages kam ihm die entscheidende Einsicht: „Wenn Hamlet und Shakespeare sich jemals begegnen sollten, dann musste es auf Shakespeares Betreiben hin geschehen. Hamlet konnte nichts initiieren.“ Man könnte also sagen: Das Wesen des Christentums besteht darin, dass der Autor des Stückes unerwarteter Weise die Bühne betritt und sich seinen Figuren zeigt – dass also der unergründliche Gott aus seinem Geheimnis hervortritt und sich zeigt, wie er ist. Das nennen wir Offenbarung.

YOUCAT 357: Ist Atheismus immer eine Sünde gegen das Erste Gebot?

Wer in seinem Leben schon einmal eine Liebesgeschichte erlebt hat, der kennt diesen spannenden Moment. Jemand, mit dem du es sehr gern zu tun hast, druckst herum, er ringt mit sich, wird rot: „Du, ... ich muss dir etwas sagen!“ Dir klopft das Herz bis zum Hals. Du ahnst, was jetzt kommt: Der Mensch, der dich liebt, riskiert Kopf und Kragen, denn du könntest lachen und ihn verachten. Aber er wagt es; er offenbart sich dir und lässt dich in die tiefst verschlossene Kammer seines Herzens blicken. Würde der andere Mensch dieses Risiko nicht eingehen, du würdest im Leben nicht erfahren, was er für dich empfindet.

 

Glaubenskurs Teil 2: Wie zeigt sich Gott dem Menschen?

YOUCAT 6: Kann man Gott überhaupt in Begriffe fassen?

Wie es keine Liebesgeschichte ohne Offenbarung gibt, so gibt es auch keine Erkenntnis Gottes, ohne dass Gott aus der Tiefe seiner Verborgenheit hervortritt und sich offenbart, das heißt: sich verstehbar macht, wie er ist und wie er es mit uns meint. Gott ist viel zu groß, als dass man ihn definieren und in Begriffe fassen könnte. Wie lächerlich sind alle Versuche, Gott auf eine Formel zu bringen! Schon der große Philosoph Augustinus sagte: „Si comprehendis, non est Deus” - frei übersetzt: Wenn du (ihn) verstanden hast, dann ist das, was du zu verstehen glaubst, ganz gewiss nicht Gott. Eigentlich müsste man wie Karl Barth sagen: „Gott wird nur durch Gott erkannt.“ Ein Maikäfer ist ja auch mit der Infinitesimalrechnung überfordert.

YOUCAT 4 und 45: Können wir die Existenz Gottes mit unserer Vernunft erkennen? Stammen die Naturgesetze und natürlichen Ordnungen auch von Gott?

Wie könnte sich Gott uns zeigen, damit wir verstehen? Mit einer Neon-Leuchtschrift am Horizont? Oder würde es den SciFi-Freaks besser gefallen, wenn er vor laufenden Kameras wie ein außerterrestrisches Monstrum aus den Tiefen des Ozeans aufstiege? Das ist lächerlich. Wären wir nicht total geblendet, wenn sich Gott uns direkt zeigen würde? So lässt sich Gott aber in vielen Spuren finden, die seine Macht und Größe anzeigen, zum Beispiel in der Natur, im Gewissen. In der Natur: Die Sonne geht auf und die Schöpfung zeigt sich in einer Fülle und Schönheit, dass man spürt: das ist die DNA Gottes. Von den kleinsten Zellen bis hinauf in den Makrokosmos ist alles aufs Feinste miteinander abgestimmt. Das Gewissen, sagt uns normalerweise, es ist absolut nicht gut, ein Kind zu schlagen, jemanden zu berauben oder zu betrügen. Es ist, als wäre es die Stimme Gottes, die das unbedingt von uns will. Wenn wir dagegen verstoßen, haben wir das Gefühl, als könnten wir uns nie wieder blicken lassen von dieser Instanz, die da so geheimnisvoll in uns da ist.

YOUCAT 295: Was ist das Gewissen?

Gott ist noch viel intensiver da als in vagen Natur- erfahrungen. Er ist der Clou, der Witz, die Pointe in deinem Leben. Viele Menschen ahnen das nicht; sie glauben, dass man die Frage nach dem Sinn im Leben auch ohne Gott beantworten kann. Sie bleiben unterhalb ihrer Möglichkeiten, wenn sie meinen, ein sinnvolles Leben bestünde darin, dass man das Maximale an Spaß aus dem Leben herausholt, bevor man auf dem Nordfriedhof verscharrt wird.

YOUCAT 50: Welche Rolle spielt der Mensch in der Vorsehung Gottes?

Es ist mit dem Glauben wie fünf Minuten vor dem Beginn deiner großen Liebesgeschichte, die alles auf den Kopf stellt. Noch ist alles grau. Er/Sie kommt um die Ecke und die Welt beginnt für dich noch einmal von vorne. So ist es mit dem Glauben: Dein Schöpfer, dein Herr und Erlöser kommt um die Ecke, und von da an habt ihr eine gemeinsame Geschichte. Das Abenteuer beginnt. Später wirst du sagen: Ich habe ja gar nicht gewusst, was Leben ist!

YOUCAT 43: Ist die Welt ein Produkt des Zufalls?

„Erst wo Gott gesehen wird“, sagte Papst Benedikt XVI. in der ersten Predigt nach seiner Wahl, „beginnt das Leben richtig. Erst wo wir dem lebendigen Gott in Christus begegnen, lernen wir, was Leben ist. Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht.“

YOUCAT 56: Hat der Mensch eine Sonderstellung in der Schöpfung?

Was ist der Mensch? Jemand raunt mir zu: Sie hat Albert Einstein BILD 7 gekannt, er war mit Michael Jackson auf der Bühne, die Kanzlerin liebt es, mit ihr Essen zu gehen. Und was ist mit einem Wesen, das nie im Rampenlicht stand? Das Kind am Rand der Sahelzone? Der demente alte Mann, dem der Speichel herunter läuft? Sind die beiden weniger wert? Widmen wir uns ihnen bloß aus einer gewissen Sentimentalität heraus? Nirgendwo im Reich des Geistes, in keiner Religion, hat der Mensch eine größere Bedeutung als im Judentum und Christentum. Hier ist der Mensch – und zwar jeder Mensch – „Krone der Schöpfung“ (Psalm 8,6), „Abbild Gottes“ (Genesis 1,27) das Wesen, das von Gott mit ewiger Liebe angeschaut ist, der Kommunikationspartner Gottes auf Augenhöhe. „Als ich noch gestaltlos war, sahen mich bereits deine Augen.“ (Psalm 139,6). Mit der Offenbarung Gottes beginnt eine neue Qualität des Humanen.

YOUCAT 280: Wie begründen Christen die menschliche Würde?

 

Glaubenskurs Teil 3: Was heißt Glauben?

Was braucht man für seinen ganz normalen Alltag? Jede Menge Glauben. Ich habe keinerlei Beweise, dass es Island wirklich gibt. Dennoch vertraue ich dem Reiseportal. Ich glaube, dass ich in Reykjavik landen werde, wenn ich mir ein Ticket buche und zum Flughafen gehe. Die wenigsten Dinge im Leben können wir beweisen.
Und wenn jemand zu seiner Freundin sagt: "Beweise mir mal deine Liebe!", dann kann man ziemlich sicher sein, dass diese Liebe schon zu Ende ist, bevor sie angefangen hat.

YOUCAT 12 und YOUCAT 21: Woher wissen wir, was zum wahren Glauben gehört? Glauben was ist das?

Wann immer man das Wort "Glauben" in den Mund nimmt, kommt einer um die Ecke und meint abschätzig: Glauben heißt nicht wissen. Gemeint ist: Glauben ist mehr für Naive;  Leute mit Intelligenz verfügen über Wissen. Von der Kirche gibt es das Gerücht, dass ihre gesamte Existenz auf weitgehend unbewiesenen Annahmen beruht. Die Leute sollen glauben. Zwar wird man nicht mehr dafür verbrannt, wenn man es besser weiß, aber ein bisschen was Ketzerisches hat es immer noch, wenn jemand etwa sagt: "Gott? ... Also für mich ist das mehr so eine Art  Urformel ". Hat das nicht auch seine Berechtigung? Wenn "Gott" schon so etwas Wichtiges ist, wie die Religionen immer behaupten, dann sollen ihre Brains diesen wolkigen Begriff doch mal auf den Punkt bringen. Dann möchten wir hören: Die Urformel für Gott lautet ei + 1 = Gott. So etwas, in dieser Richtung. Dann hätte man einen klaren Beweis auf der Hand und müsste nicht lange rummachen mit "glauben"; dann wüsste man es!

Nehmen wir einmal an, die Formel würde stimmen. Wir wüssten es! Was würde nach ihrer Veröffentlichung in Physical Review passieren? Würden sich die Leute bekehren, in die Knie sinken und die wunderbare Formel anbeten? Ich wette: Nein! Die Leute würden sagen: Aha! Und sie würden das Ding in jener entlegenen Hirnregion abspeichern, in der bereits das Gesetz von der Schwerkraft lagert. Kein Mensch würde etwas Ähnliches tun wie die 49 Christen im Jahr 304, als man sie vor den Kaiser Diokletian schleppte. Die 49 waren in Karthago verhört worden, weil sie bei der Heiligen Messe erwischt wurden. Man gab ihnen eine letzte Chance: Sie konnten ihrem Gott abschwören und rein pro forma dem Kaiser ein bisschen huldigen. Das taten sie nicht, sondern sagten: "Ohne den Sonntag können wir nicht leben." Das kostete sie das Leben.

YOUCAT 454: Wie stark verpflichtet die Wahrheit des Glaubens?

Beim Glauben scheint es also um etwas ungleich Kostbareres zu gehen, als über bestimmte Sachverhalte informiert zu sein. Sagen wir so: Es geht nicht um Wissen über Gott, sondern um Beziehung zu Gott. Nehmen wir ein krasses Beispiel. Jemand kommt und schleudert mir ins Gesicht: "Deine Mutter ist eine Schlampe!" Das empört mich zutiefst, obwohl ich meine Mutter die letzten 50 Jahre nicht auf Schritt und Tritt begleitet habe, es faktisch also nicht beweisen kann, dass meine Mutter der liebevollste und treueste Mensch auf der ganzen Erde ist. Zwischen meiner Mutter und mir herrscht eine tiefe Vertrauensbeziehung und ich würde niemals das Andenken meiner Mutter beschmutzen lassen. Auch wenn es um Gott geht, ist die Vertrauensbeziehung das A und O.

 Das Wort Glaube kommt übrigens aus der indogermanischen Wortwurzel leubh   und das heißt soviel wie  lieb haben ,  für lieb erklären ,  gutheißen ,  loben . Und da sind wir schon am Punkt. Glauben bedeutet Gott lieb haben, Gott für lieb erklären, Gott gut heißen, Gott loben. Wenn immer mehr junge Leute heute den Lobpreis entdecken, dann sind sie am feurigen Herz des Glaubens. Sie sind jedenfalls näher dran als die Neunmalklugen, die in Bibliotheken nach dem Absoluten fahnden.

Blaise Pascal, der große französische Mathematiker und Philosoph hat einmal gesagt: "Menschen und menschliche Dinge muss man kennen, um sie zu lieben. Gott und göttliche Dinge muss man lieben, um sie zu kennen."

YOUCAT 20: Wie können wir Gott antworten, wenn er uns anspricht?

Glauben ist keine Erfindung der Kirche. Wenn es eine Erfindung ist, dann eine von Jesus. Immer wieder heißt es im Johannes Evangelium: "Wer an mich glaubt ..."    Ja, was dann? - ... der "... hat das ewige Leben" (Joh 6,47), der "... wird leben, auch wenn er stirbt" (Joh 11,25), der "... wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere als diese vollbringen" (Joh 14,12). Starker Tobak! Mit größter Selbstverständlichkeit bezieht Jesus das glauben auf sich selbst.
 
Ich habe mich immer darüber gewundert, dass niemand protestiert, wenn Jesus sagt: "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (Joh 14,6). Ich! Er sagt ja nicht: Ich weiß einen Weg, ich kenne die Wahrheit. Ich habe ein bisschen Erfahrung mit dem Leben. Nein   Ich bin!

YOUCAT 32: Was heißt: Gott ist die Wahrheit?

Jesus lässt uns im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich glaube ihm und setze alles auf diese Karte, oder ich halte ihn für einen Donald Trump der Religion. "Glauben", sagt Papst Benedikt, "bedeutet, sich Gott zu überlassen."

Die einfache Sehnsucht nach Gott ist schon der Anfang des Glaubens. Frere Roger Schutz (1915 2005)

Wenn die Heiligen im Himmel nochmals auf die Erde zurückkehren könnten, würden sie, von Liebe entflammt, unermüdlich darauf bedacht sein, für die Ausbreitung des Glaubens in der ganzen Welt zu sorgen, in der Absicht, der ganzen Welt die unendliche Liebe Gottes zu den Menschen kundzutun. Denn viel mehr als jeder Erdenbewohner wissen die Heiligen, wie sehr der Vater, der Sohn und der Heilige Geist würdig sind, erkannt zu werden. Sind sie doch hingerissen, wenn sie sehen, mit welcher Herrlichkeit im Himmel jede, auch die kleinste Tat für die Verbreitung des Glaubens, belohnt wird. Hl. Vinzenz Pallotti (1795 1850)

 

Glaubenskurs Teil 4: Wozu ist die Bibel gut?

Heute staunt man, dass es Zeiten der Kirche gab, in denen die Bibel für die normalen Leute verboten war. Ist das nicht verrückt? „Die Schrift nicht kennen, heißt Christus nicht kennen“, sagte schon der Kirchenvater Hieronymus. Wie kam das? Bibel las man als einfacher Christ nicht, man hörte sie ausschließlich während der Gottesdienste, in kleinen Dosen, kirchlich kommentiert.

Der Dominikanermönch und Inquisitor Melchior Cano ist eine Gestalt wie aus „Der Name der Rose”. Als im Jahre 1559 ein spanischer Bischof die Übersetzung der Bibel in die Landessprache forderte, trat Cano auf den Plan und warnte davor, dass es zu Zuständen wie in Deutschland kommen werde, wo Martin Luther 40 Jahre zuvor die Bibel ins Deutsche übertragen hatte. Die Bibel sei nichts für ‚Zimmermannsfrauen‘: „Auch wenn die Frauen mit unersättlichem Appetit danach verlangen, von dieser Frucht zu essen, ist es nötig, sie zu verbieten und ein Feuermesser davor zu stellen, damit das Volk nicht zu ihr gelangen könne.“ Auch Theresa von Avila, die große Reformerin der Kirche im 16. Jh., war davon betroffen und litt fürchterlich darunter. Doch hatte sie in der Nacht eine Eingebung, die sie sehr tröstete: „Da sagte der Herr zu mir: ‚Sei nicht betrübt, denn ich werde dir ein lebendiges Buch geben‘.“

YOUCAT 17 und 18: Welche Bedeutung hat das Alte Testament für Christen? Welche bedeutung hat das Neue Testament für Christen?

Die Attacke des Inquisitors muss man weniger als Dokument der Unterdrückung von Frauen lesen, denn als Angriff auf das Volk. Frauen waren damals wie heute häufig mehr religiös interessiert als die Männer. Frauen würden die Bibel mit Feuereifer lesen und diskutieren; und wenn sie sich dann noch von der Reformation anstecken ließen, dann würde an jeder Straßenecke eine neue Kirche entstehen. Luther hatte ja bekanntlich das sola scriptura-Prinzip aufgestellt: Ein Christ brauche allein die Heilige Schrift und nicht dazu auch noch die Interpretationen der Priester. Die Bibel sei selbsterklärend. In der Tat verstrickte sich die reformatorische Bewegung schon zu Luthers Zeiten in eine Fülle unterschiedlicher Lesarten. Alle wollten sie der Bibel folgen. Aber faktisch folgten die einen der Auslegung von Calvin, die anderen der Auslegung von Zwingli, wieder andere der Auslegung von Thomas Müntzer oder John Knox ...

YOUCAT 130: Sind auch nichtkatholische Christen unsere Schwestern und Brüder?

Längst hat die Kirche ihren Irrtum eingesehen, die Bibel unter Verschluss zu halten, als wäre sie ein Stück Giftschrankliteratur. Heute ist es völlig normal, wenn Papst Franziskus junge Katholiken auffordert, intensiv in der Bibel zu lesen: „Ihr haltet ... etwas Göttliches in Händen: ein Buch wie Feuer! Ein Buch, durch das Gott spricht. Also merkt Euch: Die Bibel ist nicht dazu da, um in ein Regal gestellt zu werden, sondern um sie zur Hand zu haben, um oft in ihr zu lesen, jeden Tag, sowohl allein als auch gemeinsam. Ihr macht doch auch gemeinsam Sport oder geht gemeinsam shoppen. Warum lest ihr nicht zu zweit, dritt, zu viert gemeinsam in der Bibel? Draußen in der Natur, im Wald, am Strand, abends, im Schein von ein paar Kerzen? Ihr werdet eine gewaltige Erfahrung machen!“ Aber man kann natürlich sagen: Es gehört zur Schuldgeschichte der Kirche, dass sie über Jahrhunderte hinweg einfache Menschen nicht frei aus dem Reichtum des Wortes Gottes schöpfen ließ.

YOUCAT 16: Wie liest man die Bibel richtig?

Dennoch hat die Kirche ein Prinzip nicht aufgeben: Die Bibel ist das Buch der Kirche. Sie ist aus ihrem Leben herausgewachsen; sie ist und bleibt ihre Herzkammer. „Wir können“, sagt Papst Benedikt, „niemals alleine die Schrift lesen. Wir finden zu viele Türen verschlossen und gleiten leicht in den Irrtum ab. Die Bibel wurde vom Volk Gottes und für das Volk Gottes unter der Inspiration des Heiligen Geistes geschrieben.“ Wir dürfen den lebendigen Zusammenhang mit der Kirche nicht vergessen, uns also nicht selbst zum Herren der Bibel machen. „Um sein Ziel zu erreichen, zitiert selbst der Teufel aus der Bibel“, sagte schon Shakespeare.

YOUCAT 19: Welche Rolle spielt die Heilige Schrift in der Kirche?

Aber was ist das „Wort Gottes“ genau? Alles, was Gott uns zu sagen hat, hat er uns in Jesus Christus gesagt. Er ist die Offenbarung der Offenbarungen und das eigentliche „Wort Gottes“. Den Zugang zum Wort Gottes finden wir schriftlich in der Heiligen Schrift und mündlich in der Apostolischen Tradition (oder Überlieferung). Man kann sich das konkret vorstellen: Bis zum Jahr 397 – da legte die Synode von Karthago fest, welche Bücher zur Heiligen Schrift gehören – lebten Generationen von Christen quasi ohne Neues Testament. Lebten sie deshalb ohne „Wort Gottes“? Nein, das Wort war in ihnen lebendig, „wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Sonst hätten sie die Katakomben und grausamen Zirkusspiele der Antike nicht überlebt.

YOUCAT 10: Ist mit Jesus Christus alles gesagt, oder wird nach ihm die Offenbarung noch fortgesetzt?

Was wäre, wenn wir immer eine Bibel, oder eine Taschenausgabe des Evangeliums bei uns hätten, wie unser Handy? Was würde geschehen, wenn wir die Bibel genauso behandeln wie unser Handy? Wenn wir umkehren, um sie zu holen, weil wir sie zu Hause haben liegen lassen, wenn wir sie mehrmals am Tag zur Hand nehmen, wenn wir die Botschaften Gottes in der Bibel lesen, wie wir die Botschaften auf dem Handy lesen? Papst Franziskus

Das Evangelium lesen und immer wieder lesen, ohne Unterlass, um immer mehr den Geist, die Taten, die Worte, die Gedanken Jesu vor Augen zu haben, um zu denken, zu sprechen, zu handeln wie Jesus, um dem Beispiel und den Weisungen Jesu zu folgen! Sel. Charles de Foucauld (1858–1916)

 

Glaubenskurs Teil 5: Was heißt: Gott wird Mensch?

Jean-Paul Sartre, der französische Philosoph, war neben Sigmund Freud der zweite epochemachende Atheist und Antichrist im 20. Jahrhundert; der später so bittere und radikale Sartre wollte zu denen gehören, die aus Gott „eine verjährte Hypothese gemacht haben, die ruhig und von selber sterben wird.“ Nun war es aber ausgerechnet Sartre, der – vielleicht besser als jeder Theologe – erklärte, was es mit der Menschwerdung Gottes auf sich hat. Die Theologie spricht von der „Inkarnation” (= dem ins Fleisch kommen) Gottes. Warum wollte Gott denn ausgerechnet Fleisch werden?

YOUCAT 9 und 337: Was zeigt Gott von sich, wenn er seinen Sohn zu uns schickt? Wie werde wir erlöst?

Von Sartre gibt es – man glaubt es kaum – ein Krippenspiel. Es heißt „Bariona oder der Sohn des Donners“. Sartre schrieb und inszenierte es 1940, als er Kriegsgefangener in der Nähe von Trier war. Das Stück war für die Lagerweihnachtsfeier bestimmt. Für Sartre war diese Zeit in Trier bewegend. Er vertiefte sich in die katholischen Autoren Paul Claudel und Georges Bernanos („Die beiden großen Entdeckungen, die ich im Gefangenenlager gemacht habe, waren Der Seidene Schuh und Tagebuch eines Landpfarrers. Es sind die einzigen Bücher, die bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben“), lernte Priester kennen und fühlte sich „brüderlich“ mit ihnen verbunden: „Ich habe eine Form kollektiven Lebens wiedergefunden, die ich seit der École Normale nicht mehr gekannt hatte, und eines muss ich sagen: ich war glücklich dort.“ Fast hätte Sartre das Loch in seiner Seele, sein großes Vatertrauma, angepackt. Aber soweit sollte es doch nicht kommen. Immerhin schrieb Sartre den „Bariona“, um damit „die breiteste Gemeinschaft  zwischen Christen und Nichtchristen herzustellen“.

Das Stück enthält eine atemberaubende Passage, in der Sartre seine Gott-Losigkeit erklärt. Er lässt den Bariona sagen: „Ein Gottmensch, ein Gott aus unserem erniedrigten Fleisch, ein Gott, der bereit wäre, diesen salzigen Geschmack kennenzulernen, den wir im Mund haben, wenn die ganze Welt uns verlässt, ein Gott, der im voraus bereit wäre, zu leiden, was ich heute leide... Also, das ist Blödsinn!“ An anderer Stelle lässt er den Bariona sprechen:

YOUCAT 76: Warum wurde Gott in Jesus Mensch?

„Wenn Gott Mensch würde für mich, dann würde ich ihn lieben, ihn ganz allein. Dann wären Bande zwischen ihm und mir, und für das Danken reichten alle Wege meines Lebens nicht; ein Gott, der Mensch würde aus unserem liebenswerten, elenden Fleisch, ein Gott, der das Leid auf sich nähme, das ich heute leide. Ja, wenn Gott Mensch würde für mich, dann würde ich ihn lieben ... Aber welcher Gott wäre dumm genug dafür?“

YOUCAT 33 und 402: Was heißt: Gott ist die Lieben? Was ist Liebe?

Und Maria sagt: „Dieser Gott ist mein Kind. Dieses göttliche Fleisch ist mein Fleisch. Er ist aus mir gemacht, er hat meine Augen, und diese Form seines Mundes ist auch die Form von meinem. Er sieht mir ähnlich. Er ist Gott, und er sieht mir ähnlich ... Und keine Frau hat ihren Gott derart für sich allein gehabt. Einen ganz kleinen Gott, den man in den Arm nehmen kann und mit Küssen bedecken, einen ganz warmen Gott, der lächelt und atmet, einen Gott, den man berühren kann und der lebt.“

YOUCAT 82: Ist es nicht anstößig, Maria "Mutter Gottes" zu nennen?

Kein Satz in der Heiligen Schrift hat in und außerhalb der Kirche größeren Skandal gemacht, als Joh 1,14: „Und das Wort (= Gott) ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Ein Gott, der Fleisch wird, das war für die geistverliebten Griechen, die gerade ihren absurden Götterhimmel entsorgt hatten, einfach nur shocking. Und selbst in der Kirche feuerte eine Irrlehre nach der anderen dagegen. Die Monophysiten lehrten, Christus sei nicht wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich gewesen; er habe nur die göttliche Natur besessen. Die Subordinatianisten lehrten, Jesus sei eine Art Gott zweiter Klasse gewesen, nicht auf einer Stufe mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Die Adoptianisten lehrten, Christus sei nur Mensch gewesen; Gott habe ihn bei der Taufe im Jordan gleichsam als Sohn „adoptiert“. Die Doketisten dagegen lehrten, Christus sei wirklich Sohn Gottes gewesen, habe sich aber eines Scheinleibes bedient, sei darum auch nur scheinbar am Kreuz gestorben.

YOUCAT 13: Kann sich die Kirche in Glaubensfragen irren?

Nestorius, Bischof und Patriarch von Konstantinopel im 5. Jh., wurde auf dem Konzil von Ephesus seines Amtes enthoben, weil er darauf bestand, er könne „einen zwei oder drei Monate alten Gott“ nicht anerkennen. Die Kirche hielt immer daran fest, dass der aus der Jungfrau Maria geborene Jesus von Nazareth „wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich“ ist. Und das war nicht immer einfach!

YOUCAT 77: Was bedeutet es, dass Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich ist?

Ich stelle mir einmal vor, ich müsste einen Gott verehren, der sich aus dem Dreck dieser Erde herausgehalten hat! Ich würde auf der Stelle Atheist werden. So aber weiß ich, dass wahr ist, wonach Sartre sich sehnte – „ein Gott, den man berühren kann und der lebt“. Gott hat ein menschliches Gesicht bekommen.

Gott war unbegreiflich, unnahbar, unsichtbar und unvorstellbar. Er ist Mensch geworden, uns nahe gekommen in einer Krippe, damit wir ihn sehen und begreifen können. Hl. Bernhard von Clairvaux (ca. 1090–1153)

Der tiefste Grund für die Menschwerdung Christi war der Wille Gottes, uns seine Liebe zu zeigen und sie uns nachdrücklich ans Herz zu legen. Hl. Augustinus (354–430)

 

Glaubenskurs Teil 6: Warum das Leid?

Ein junges Paar freut sich auf das Baby. Das Kind wird geboren. Es hat keine Arme. Warum lässt Gott das zu? Ich habe einmal einen alten Priester mit einer Abfolge von Katastrophen, die sich gerade in meiner Nähe ereigneten, provoziert. Er schüttelte immer nur den Kopf und sagte mit ruhiger Stimme einen einzigen Satz: „Gott macht keine Fehler.“ Ich musste schlucken, konnte mich lange nicht damit anfreunden. Später begegnete ich der Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom. Sie sagte mir: „Wir möchten Felix gegen kein anderes Kind auf der Welt eintauschen. Er ist der Sonnenschein in unserer Familie ...“

YOUCAT 66: Lag es in Gottes Plan, dass Menschen leiden und sterben?

Seit G. W. Leibniz (1646–1716) gibt es das Wort Theodizee (griech.: „Anklage Gottes“) für die Frage, wie ein guter Gott mit dem Leid in der Welt zu vereinbaren ist. Mit Leid dieser Art müssen alle umgehen, ob sie Gott nun auf der Rechnung haben oder nicht. Wer nicht glaubt, hält das Leben womöglich für ein Glücksspiel, bei dem Einige halt Pech haben. Das kann nicht sein, sagen Christen dann. Die Träne eines einzigen Kindes würde den Sinn des Universums pulverisieren, würde da nicht einer kommen, der „alle Tränen von ihren Augen“ (Offb 21,4) abwischt. Dennoch haben auch Christen keine unfehlbare Formel in der Tasche, mit der sie das Leid wegzaubern und die Güte Gottes beweisen können. Wie andere Menschen stehen auch Christen ratlos vor den unfassbaren Varianten unschuldigen Elends. Nicht nur Menschen leiden, auch Tiere; in gewissem Sinn leidet die ganze Schöpfung. Dennoch glauben Christen, dass sich das Leben lohnt, ja dass sich jedes Leben lohnt, das Gott schenkt. Aber sie müssen sich hämische Fragen gefallen lassen: „Wo war denn eurer Gott, als das und das passiert ist?“

YOUCAT 240: Wie deutete man „Krankheit“ im Alten Testament?

Was tun sie dann? Sie leiten die Frage an Gott weiter, manchmal in Tränen, manchmal mit einem leicht rebellischen Unterton, wie es der Romano Guardini (1885–1968) getan hat: „Warum, Gott, brauchst du zum Heil die fürchterlichen Umwege, das Leid der Unschuldigen, die Schuld?“ Guardini meinte übrigens auch, er werde sich im Letzten Gericht nicht nur fragen lassen, sondern auch selber Fragen stellen.

YOUCAT 40 und 51: Kann Gott alles? Ist er allmächtig? Wenn Gott alles weiß und alles kann, warum verhinder er dann nicht das Böse?

Das ist keineswegs gottlos. Schon die Bibel hält Krankheit und Leid nicht säuberlich von Gott fern. Menschen gehen in einen oft genug verstörenden Dialog mit ihrem Gott, klagen ihn sogar an: „Herr, warum bleibst du so fern, verbirgst dich in Zeiten der Not?“ (Ps 10,1) Da ist der arme Mann Ijob, dem restlos alles genommen wird: „Ich schreie zu dir und du erwiderst mir nicht; ich stehe da, doch du achtest nicht auf mich.“ (Ijob 30,20) Was sagt Gott? „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege – Spruch des Herrn“ (Jes 55,8). Sind wir ihm gleichgültig? Macht Gott wirklich keine Fehler?

Die Frage nach Gott und dem Leid bleibt ein Mysterium, das freilich von einer Reihe von Gewissheiten umstellt ist. Wir wissen: Gott ist allmächtig, sonst wäre er nicht Gott. Wir wissen: Gott hat die Welt gut geschaffen. Dass es das Böse und das Leid gibt, erscheint uns zu recht als Störung, Abbruch, als etwas, das einfach nicht sein soll. Die Heilige Schrift sieht die Welt fundamental vergiftet durch das Böse, dessen Urheber Gott nicht ist und nicht sein kann. Gott ist der Feind des Bösen; er denkt „Gedanken des Heils und nicht des Unheils“. (Jer 29,11) Bei Jesaja heißt es sogar: „Ich selbst werde euch trösten, wie eine Mutter ihr Kind tröstet.“ (Jes 66,13)

YOUCAT 241: Warum zeigt Jesus so viel Interesse an den Kranken?

Letztlich laufen die Fäden erst bei Jesus zusammen. In seinem Sohn geht Gott selbst in das Leid seiner Schöpfung, bis an diesen radikalen Punkt, an dem der sterbende Sohn seinem Vater entgegenbrüllt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34). Was wie die abgründigste Gottesanklage klingt, ist in Wahrheit der unglaubliche Psalm 22, der nur zur Hälfte der Schrei eines Verratenen ist, zur anderen Hälfte aber ein einzigartiges Loblied auf den rettenden Gott: „Denn er hat nicht verachtet, nicht verabscheut des Elenden Elend. Er hat sein Angesicht nicht verborgen vor ihm; er hat gehört, als er zu ihm schrie.“ (Ps 22,25). Der Vater lässt seinen Sohn nicht im Tod; er weckt ihn zu neuem Leben auf – und mit ihm alle, die an ihn glauben. Und so sagt Paulus: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht.“ (Römer 8,28).

„Ich glaube“, meinte einmal der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906–1945), „dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will“. Er schrieb diesen Satz in der Todeszelle, in welche die Nazis den Widerstandskämpfer verbracht hatten. Dort schrieb er vier Monate vor seiner Hinrichtung (und im Angesicht des Todes) auch ein Gedicht, das er seiner Verlobten schickte: „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag... Und reichst du uns den schweren Kelch, den bitter’n des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand, so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.“

YOUCAT 70: Wie entzieht uns Gott dem Sog des Bösen?

Herr, bei dir bin ich sicher wenn du mich hältst, habe ich nichts zu fürchten. Ich weiß wenig von der Zukunft, aber ich vertraue auf dich. Gib, was gut ist für mich. Nimm, was mir schaden kann. Wenn Sorgen und Leid kommen, hilf mir, sie zu tragen. Lass mich dich erkennen, an dich glauben und dir dienen. Sel. John Henry Kardinal Newman (1801–1890)

Wir denken Gott als den Gerechten, als den Ort der absoluten und endgültigen Gerechtigkeit. Die Tränen und Schreie der Opfer in der Kette des Unrechts bleiben bei ihm nicht ungehört. „Nil inultum remanebit“, „nichts bleibt ungerächt“, so heißt es im Dies irae. Aber wir denken ihn zugleich als Ort der absoluten Barmherzigkeit und Verzeihung, die alle menschlichen Maße sprengt. Die Identität von Gerechtigkeit und erbarmender Güte, die wir im Begriff der absoluten Güte denken, bleibt unserer Vorstellungskraft verborgen. Nur im Opfer Christi lichtet sich für den Gläubigen das Dunkel. Denn dieses Opfer bedeutet, dass Gott selbst, um ohne Unrecht gegen die Opfer des Bösen verzeihen zu können, sich selbst zum Opfer machte und sich so zum Verzeihen ermächtigte. Robert Spaemann (1927–2018), dt. Philosoph

 

Glaubenskurs Teil 7: Warum das Kreuz?!

YOUCAT 101: Warum musste uns Jesus ausgerechnet am Kreuz erlösen?

Die Isenheimer Antonitermönche bestellten bei Meister Grünewald ein Kunstwerk, einen Altar, dessen Mitteltafel aus einer Kreuzigung bestand, die an grausamem Realismus alles übertraf, was bis dahin gemalt worden war: Hände im Schmerzkrampf, ein ausgemergelter Körper, nur noch Haut und Knochen, voll Schwären und Eiter, Dornen im Kopf, Blut und Wunden ohne Zahl. Die Ordensbrüder stellten den alten Tag in der Kapelle auf und brachten täglich die unheilbar Kranken vor dieses Bild. Es musste den unter Schmerzen sich windenden Feuerkranken oder den mit blau-schwarzen Beulen übersäten Pestkranken erscheinen, als sei da einer von ihnen ans Holz genagelt. Die Antoniter hielten das Gebet vor dem Kreuz für eine quasi Medicina – eine Art Medizin. Trieben sie ihren Spott mit den Ärmsten der Armen? Muss man den Leidenden auch noch ihr eigenes Elend vor Augen führen? So denken wir heute und würden eher dazu neigen, den Sterbenden Opioid- Schmerzmittel und eine Videoendlosschleife von Mr. Bean zu verabreichen. Die Menschen im Mittelalter entnahmen der quasi Medicina vermutlich drei Botschaften: 1. Die Botschaft von der Solidarität Gottes, 2. Die Reue über die eigenen Sünden, 3. Die Hoffnung auf fundamentale Rettung. Was auf den ersten Blick grausam klingt, verdient eine nähere Betrachtung.

YOUCAT 102: Wieso sollen auch wir das Leid in unserem Leben akzeptieren und so „das Kreuz auf uns nehmen“ und damit Jesus nachfolgen?

Zu 1. Wenn man in großen Leiden steht, besteht der tiefste Schmerz häufig darin, dass man sich von Gott und Mensch verlassen vorkommt. Da muss ich jetzt allein durch! Es ist tröstlich, wenn andere Leidende in der Nähe sind. Und es ist doppelt tröstlich, wenn Gott da ist. Was soll ich im Ernstfall mit einem Gott, der vom Reigen seliger Geister umgeben ist, aber mindestens an einem Ort noch nie war: in meinen Leiden. Früher sagte man: Opfere deine Leiden mit den Leiden Christi auf! In moderne Sprache übersetzt: Verwandle deine Leiden in ein Geschenk für andere, tu es gemeinsam mit Jesus, der für dich am Kreuz litt, der dir seinen Tod zum Geschenk machte, für dein Heil und das Heil der ganzen Welt.

YOUCAT 229: Was macht einen Menschen bereit zur Reue?

Zu 2. Wer Menschen kennt, die dem Tod ins Gesicht

blicken, erfährt häufig, dass die seelischen Schmerzen die größeren sind: der Schmerz, seine Biographie nicht ungeschehen machen zu können, die Wunden, die man geschlagen, die Menschen, die man verlassen hat oder denen man manches schuldig blieb. In der Reue über ein angebrochenes, häufig zerbrochenes Leben tröstet der Blick auf den, der alles gut macht, der auch meine Geschichte zu einer absolut guten Geschichte machen möchte. Und sei es im letzten Augenblick. „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“ (Karfreitagsliturgie).

YOUCAT 108: Was hat sich durch die Auferstehung in der Welt geändert?

Zu 3. Christen sterben häufig mit einem Kreuz in der

Hand oder in Sichtweite des Kreuzes. Bei Jesus blickt man durch ... auf die letzte Pointe des Lebens, – und die besteht nicht in einer Erd-, See- oder Feuerbestattung. Die letzte Pointe des Lebens ist die Auferstehung von den Toten. „Die wahre Revolution, die das Leben radikal verändert, hat Jesus Christus mit seiner Auferstehung vollbracht: mit Kreuz und Auferstehung“, sagt Papst Franziskus.

YOUCAT 136: Wie sieht die Kirche die übrigen Religionen?

Die Frage, wie man den Leiden entkommt, wird in allen Religionen der Erde gestellt. Wir dürfen sie auch auf das Sterben hin befragen. Ich stelle mir einmal vor, die Antoniter hätten – statt bei Meister Grünewald ein Kreuz – einen Buddha erworben, um die Kranken vor seiner lächelnden Seelenruhe zu versammeln. Im Buddhismus heißt es lapidar: „Leben ist Leiden“ und dieses Leiden höre nicht mehr auf, bis wir uns der Ursache aller Leiden, der Begierden (= Wünsche) entwöhnt hätten. Ich möchte aber nicht wunschlos (un-)glücklich werden, sondern an das tiefste Ziel meiner Wünsche gelangen: nämlich ganz heil zu werden. Ich möchte Leben haben, Leben in Überfluss, Leben ohne Ende. Ich möchte mir das Leben nicht abgewöhnen, den Vorrat meiner Freude nicht abzählen, bis er aufgebraucht ist. Ich bin Christ; in welche Not auch immer ich gerate – ich weiß: Ich komme aus dieser Nummer heil heraus.

YOUCAT 281: Warum sehnen wir uns nach Glück?

„Ein Mensch ohne Religion“, hat Erzbischof Helder Camara einmal gesagt: „ist ein Wanderer ohne Ziel, ein Fragender ohne Antwort, ein Ringender ohne Sieg und ein Sterbender ohne neues Leben.“ Bischof Camara hätte besser gesagt: „...ohne christliche Religion“. Je mehr Kreuze aus den Klassenzimmern, Gerichtssälen und von den Berggipfeln entfernt werden, desto heiliger müssen Christen das Bild des Gekreuzigten in ihren Herzen halten, denn es ist ein letztes verschattendes Bild vor dem großen Bild der Freude, dem Aufgang der Sonne: der Auferstehung.

Heiliger Bernhard von Clairvaux (ca. 1090–1153).
 
 

Glaubenskurs Teil 8: Wozu brauchen wir die Kirche?

YOUCAT 121: Was bedeutet „Kirche“?

Wer das innerste Geheimnis der Kirche verstehen will, schaue sich dieses Bild an: Auf den ersten Blick – ein Marienbild. Maria gilt seit den ältesten Zeiten als „Urbild“ der Kirche. Warum? Ihr Leib war die erste Wohnung Gottes, als er Mensch wurde. Mehr noch: Jesus war der ganze Lebensinhalt von Maria. Sie war um ihn – er war in ihr. Genauso muss die Kirche sein: Ein Ort, an dem der Auferstandene leben kann. Ein Ort vollkommener Liebe und Bereitschaft. So wie damals, als Gott anklopfte bei einer jungen Frau in Galiläa. Gott suchte einen Ort, um in der Welt zu sein. „Dein Wille geschehe“, hat Maria zu Gottes Engel gesagt.

YOUCAT 128: Was heißt: Die Kirche ist der „Tempel des Heiligen Geistes“?

Gott suchte nicht nur damals einen Ort, an dem Jesus sein Leben führen konnte. Er sucht ihn auch heute unter uns. Man sagt deshalb auch, dass die Kirche „Tempel des Heiligen Geistes” ist. Das Wort „Tempel“ meint so viel wie „heiliger Raum“. Gott ist zwar überall präsent, aber es ist oft schwer zu unterscheiden, wo wir es mit etwas Göttlichem zu tun haben oder mit etwas bloß Menschlichem. Es ist faszinierend, wenn wir in der Heiligen Schrift lesen, dass Gott wirklich unter uns „wohnen“ will. Es Gott „wohnlich“ bei uns zu machen, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Wir sind es aber nicht selber, die einen Tempel bauen sollen. Da haben viele mitgearbeitet. Zuletzt ist es Gott selbst, der Heilige Geist, der Tag und Nacht an der Wohnung Gottes unter uns gebaut hat und baut. Die Kirche hat keinen anderen Lebensinhalt als Jesus selbst. Wir müssen nur da sein – um Jesus herum – und ihn wirken lassen. Dann sind wir die Kirche. Im Lukasevangelium sagt Jesus einmal: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und danach handeln.“ (Lk 8,21). „Die Kirche“ sagt Papst Benedikt XVI., „ist Gottes Familie in der Welt.“ Die Kirche ist also erst einmal der lebendige Jesus, der heute bei uns lebt – und dann erst kommt seine „Familie“, kommen wir Unvollkommenen, wir Sünder, die mit Jesus zusammen „ein Leib“ sein dürfen.

YOUCAT 126: Was heißt: Die Kirche ist der Leib Christi?

Ja, Jesus hat sich so tief auf uns eingelassen, dass wir mit ihm gewissermaßen „ein Leib“ sind. Das bezeugt die Heilige Schrift an vielen Stellen. Der heilige Augustinus (350–430) hat ein tiefes Wort über das gesagt, was passiert, wenn wir die heilige Kommunion empfangen: „Empfangt, was ihr seid: Leib Christi, damit ihr werdet, was ihr empfangt: Leib Christi.“

YOUCAT 125: Was ist das Einzigartige am Volk Gottes?

Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat man ein uraltes biblisches Bild von der Kirche zu neuem Leben erweckt, das Bild vom (neuen) „Volk Gottes“, das „zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg“ dahinschreitet. Mit dem alten Volk Gottes war das Volk Israel gemeint, mit dem Gott einen langen Weg gegangen war. Ohne das Volk Israel zu vergessen, hat sich Jesus Christus nun ein neues Volk erschaffen, das Menschen aus allen Völkern und Kulturen mit auf den Weg zu Gott nimmt.

YOUCAT 124: Warum ist die Kirche mehr als eine Institution?

Wenn man heute die Kirche betrachtet, ist man erschlagen von dem, was in zweitausend Jahren aus ihr geworden ist. Man könnte fast den Überblick verlieren. Manchmal betrachten wir die riesige Institution, sehen Kathedrale und Dome, Priester und Bischöfe, hören von der Kirchensteuer oder von der Caritas. Dann wieder betrachten wir die geistliche Wirklichkeit der Kirche, hören von Berufung und sehen Menschen, die beten oder ihr Leben Gott schenken. Beide Wirklichkeiten gehören zusammen: das Geistliche und die Institution. Ohne die Institution könnte die Kirche in der Welt nicht bestehen; sie braucht Geld, um helfen zu können, Räume, um sich zu treffen und Menschen, die einen bestimmten Auftrag haben.

YOUCAT 119: Was tut der Heilige Geist in der Kirche?

Aber das Ganze wäre nur ein toter, geistloser Apparat, wenn das Geistliche – Gottes lebendige Wirklichkeit im Heiligen Geist – nicht das Herz der Kirche wäre.

YOUCAT 123: Was ist die Aufgabe der Kirche?

Die Kirche ist kein Selbstzweck. Gott hat nicht die geringste Freude an ihr, wenn sie nur um sich selbst kreist. Er hat sie um der Menschen willen eingerichtet. Sie soll „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit” („Lumen gentium“) sein. Die Kirche darf dabei eben nicht bei sich bleiben: Sie muss den Menschen durch Liebe dienen: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40). Ganz bei der Sache ist die Kirche, wenn sie drei grundlegende Aufgaben erfüllt: Sie muss das Wort Gottes verkündigen: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung.“ (2 Timotheus 4,2). Sie muss die Sakramente spenden und Gottesdienst feiern: Das sind die entscheidenden Orte, an denen Gott an uns arbeitet, uns verwandelt, uns befreit und erlöst.

 

Glaubenskurs Teil 9: Warum lassen sich Christen taufen?

Goethes Gedicht „Erlkönig“ war zu seiner Zeit ein Gruselschocker. Ein Vater reitet mit seinem kranken Kind im Arm durch „Nacht und Wind“. Das Kind wird unruhig, fühlt sich bedroht durch einen todbringenden Dämon, den Erlkönig. Der Vater versucht das verzweifelt schreiende Kind zu beruhigen, drückt es fester in seine Arme und treibt sein Pferd zu höchster Eile an. Die Ballade endet mit den Worten „(Er) ... erreicht den Hof mit Müh’ und Not. In seinen Armen das Kind war tot.“

YOUCAT 197: Warum hält die Kirche an der Praxis der Kindertaufe?

Was bewegt junge Eltern, wenn sie ihr Baby in den Arm nehmen, um es zur Taufe zu bringen? Es ist eine existenzielle Ahnung, die viel mit dem „Erlkönig“ zu tun hat. Ihnen wurde ein unschuldiges Wesen anvertraut. Es ist die tiefste Sehnsucht ihrer Liebe, dieses Kindchen vor allem zu bewahren, was ihm schaden könnte. So wenden sie sich an Gott, den Herrn des Lebens, und bitten um seinen Segen. Das ist für viele die Taufe.

YOUCAT 198: Wer kann die Taufe

Ist das nicht bloß frommes Wunschdenken? Was ist mit all den Müttern, deren Kinder in den Krieg geschickt wurden, um von dort nicht mehr zurückzukehren. Gehen wir nicht alle dem Tod entgegen? „In den Armen das Kind war tot“ – müssen wir das nicht oft genug erleben? Das Leben hat wunderschöne Seiten, aber wir können nichts wirklich festhalten; alles ist bedroht. Und weil es die Sünde gibt, richten wir uns auch noch gegenseitig zugrunde. Ist da nicht alle Liebe, alles Behütenwollen (mit und ohne göttliche Hilfe) letztlich für die Katz?

Die „Taufe“ muss mehr sein als ein frommer Wunsch. Sie muss mehr sein als eine rituell aufgeladene Sentimentalität eines Onkel- und Tantenfestes rund um ein süß herausgeputztes Baby, das nicht weiß wie ihm geschieht. Sonst könnte man sie sich sparen. Schauen wir einmal nach Mali. Vor noch nicht allzu langer Zeit bereitete dort ein Priester 40 Erwachsene auf die Taufe vor. In den letzten Wochen der dreijährigen Vorbereitung lebten sie in der Nähe der Kirche. Das blieb nicht verborgen. In einer Nacht bekam der Seelsorger heftige Drohanrufe von militanten Islamisten: Wenn diese Leute getauft würden, könne man für nichts garantieren. Der Priester stellte den Leuten frei zu gehen. Sie berieten unter sich. Keiner ging. Einer sprach für alle: „Wir möchten getauft werden – mit Wasser oder mit Blut!“ Sie wurden getauft – mit Wasser. 40 erwachsene Menschen riskierten buchstäblich Kopf und Kragen, um getauft zu werden. Und wenn ein Kommando mit Maschinengewehren, Benzinkanistern und Brandsätzen in die Kirche einfallen würde? Dann würden sie die „Bluttaufe“ empfangen und wären auf diese Weise mit Christus verbunden worden.

YOUCAT 195: Wie wird die Taufe

Für die Christen in Mali war die Taufe etwas, das jeden Preis rechtfertigt, sogar das eigene irdische Leben. Und sie hatten Recht. Die Taufe schenkt Leben für immer. Das ist christliche Lehre. Dafür verbürgt sich die Kirche. Und sie folgt darin Jesus, der in Mt 28,19 die Taufe fordert und sie in Mk 16,16 („Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet...“) zum Eingangstor in das wahre Leben gemacht hat. Seither macht es die Kirche wie einst Petrus in der Apostelgeschichte; sie fordert die Menschen zum Glauben auf und ruft ihnen unaufhörlich zu: „Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“ (Apg 2,38).

YOUCAT 200: Was geschieht in der Taufe?

Es mag Leute geben, denen das bizarr erscheint: Warum sollte ich um alles in der Welt mit diesem Jesus verbunden sein, ihn sogar in der Taufe wie eine Art Kleid anziehen (Gal 3,27)? Die Antwort ist einfach: Weil Jesus die einzige Brücke zwischen Tod und Leben ist. Um einen drastischen Vergleich zu bringen: Die Taufe ist so etwas wie das letzte Flugzeug aus dem Kessel von Stalingrad. Wir Menschen befinden uns all im Kessel des Todes. Wir werden dem Verhängnis, das wir uns durch Sünde und Bosheit zu einem guten Teil selbst zugezogen haben, nicht entrinnen. Aber es kommt jemand freiwillig in den Kessel. In Jesus Christus stieg Gott in die Todeszone, um das volle Maß der Leiden mit uns Menschen zu teilen, um unsere Sünden auf sich zu nehmen und uns einen Ausweg aus dem Land des Todes zu eröffnen. Dieser Ausweg heißt Auferstehung.

YOUCAT 199: Ist die Taufe tatsächlich der einzige Weg zum Heil?

Jesus ist der Erste, der gestorben ist – und dennoch lebt. Das Seitenstück zur Auferstehung Jesu ist die Taufe. Darin werden wir mitgenommen aus dem Land des Todes in das Leben ohne Ende. Und so kann man den kühnen Vergleich wagen: Die Taufe ist wie das letzte und einzige Flugzeug aus dem Kessel von Stalingrad. Wer sagt das? Der Römerbrief: „Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind... Wenn wir nämlich mit der Gestalt seines Todes verbunden wurden, dann werden wir es auch mit der seiner Auferstehung sein.“ (Röm 6,3–5)

 

Glaubenskurs Teil 10: Warum lassen sich Christen firmen?

Über das Sakrament der Firmung gibt es einen bösen Kalauer. Zwei Pfarrer unterhalten sich über die Fledermausplage in ihren Kirchen: „Ich hab wirklich schon alles ausprobiert“, sagt der eine Pfarrer, „ich krieg sie einfach nicht weg!“ Der andere Pfarrer winkt ab: „Nichts einfacher als das. Ich habe sie gefirmt. Am Tag darauf war keiner mehr von ihnen da!“

YOUCAT 203: Was ist die Firmung?

In diesem Witz steckt mehr als ein Körnchen Wahrheit. Die Firmung ist mit der Taufe und der Eucharistie (Erstkommunion) eines von drei „Initiationssakramenten* der Kirche; manche sprechen auch vom „Sakrament der Eingliederung in die katholische Gemeinschaft“ oder vom „Sakrament der Mündigkeit“. Da wirkt es dann wie ein Hohn, wenn man Jugendliche mit sanftem Nachdruck zu einem Sakrament hinschiebt, das sie offenkundig nicht wollen oder mit dem sie scheinbar nichts anfangen können. Sonst wären sie am nächsten Tag nicht weg. Die einen reden von einer institutionalisierten „Lüge“ und verlangen, dass man diese „Farce“ sofort abstellt; andere sind vorsichtiger und geben zu bedenken, man könne nie wissen, was bei den Jugendlichen „hängenbleibt“ vom Heiligen Geist.

YOUCAT 204 und 118: Was sagt die Heilige Schrift über das Sakrament der Firmung? Was geschah an Pfingsten?

Offenkundig sind wir Lichtjahre von Sinn und Ursprung der Firmung entfernt, wenn wir den Mechanismen eines leeren Rituals nicht glauben entrinnen zu können. Schauen wir einfach auf das Neue Testament und die Praxis der Alten Kirche! In Samarien, im heutigen Westjordanland, hatten Menschen zu Christus gefunden. „Als die Apostel in Jerusalem (das) hörten, schickten sie Petrus und Johannes dorthin. Diese zogen hinab und beteten für sie, sie möchten den Heiligen Geist empfangen. Denn er war noch auf keinen von ihnen herabgekommen; sie waren nur auf den Namen Jesu, des Herrn, getauft. Dann legten sie ihnen die Hände auf und sie empfingen den Heiligen Geist.“ (Apostelgeschichte 8, 14–17)

YOUCAT 207: Wer darf firmen?

Auch Paulus „firmt“, und zwar in der luxuriösen Handelsmetropole Ephesus: „Er traf einige Jünger und fragte sie: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet? Sie antworteten ihm: Wir haben noch nicht einmal gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. Da fragte er: Mit welcher Taufe seid ihr denn getauft worden? Sie antworteten: Mit der Taufe des Johannes. Paulus sagte: Johannes hat mit der Taufe der Umkehr getauft und das Volk gelehrt, sie sollten an den glauben, der nach ihm komme: an Jesus. Als sie das hörten, ließen sie sich auf den Namen Jesu, des Herrn, taufen. Paulus legte ihnen die Hände auf und der Heilige Geist kam auf sie herab; sie redeten in Zungen und weissagten.“ (Apostelgeschichte 19,2–7).

YOUCAT 59: Wozu hat Gott den Menschen geschaffen?

Was ist Sache? Ein Firmspender hat es einmal auf die etwas populistische Formel gebracht. Mit der Taufe steht das Auto da – mit der Firmung kommt der Sprit. Sprit kommt übrigens von spiritus = Geist. Wir erfahren schon im Neuen Testament von zwei geistlichen Wirklichkeiten, die innerlich zusammenhängen, die zusammen eine runde Sache sind, die aber doch getrennt vermittelt werden. Vielleicht kann man es so sagen: Die Taufe ist mehr ein Jesus-Sakrament; sie schweißt uns Menschen mit dem Auferstandenen Herrn so tief zusammen, dass wir mit ihm und den anderen Christen „ein Leib“ sind (was wir in der Eucharistie feiern). Die Firmung ist mehr ein Geist-Sakrament. In der Firmung werden wir mit dem Heiligen Geist – der auch der Geist Jesu ist – begabt.

YOUCAT 286 und 340: Was ist Freiheit, und wozu ist sie da? Wie verhält sich die Gnade Gottes zu unserer Freiheit?

In der Firmung werden wir zu geistlichen Menschen. Gott selbst nimmt Wohnung in den Schluchten unserer Seele. Von nun an leben wir aus einer Quelle, die tiefer ist als unsere tiefsten Gedanken. Wir erfahren einen Antrieb in uns, der jede Willenskraft toppt. In uns lebt Gott, liebt Gott, atmet Gott. Und so gehören wir nicht mehr äußerlich zu Jesus – etwa, weil wir ihn gut finden, weil wir seine Fans sind, weil wir seinen Lehren zustimmen. Nein, als geistliche Menschen – als Menschen, die aus dem Geist leben – sind wir in einer echten „Beziehung“ mit ihm. Wir gehören ihm.

Bischof Stefan Oster sagte einmal in einer Firmpredigt: „IHM gehören, heißt nicht einfach: Wir hängen an seinem Hundehalsband und er zieht uns hinter sich her. Ihm gehören heißt: Wir sind Freunde von ihm. Wir sind Kinder Gottes. Wir gehören zu ihm, weil wir uns auch in Freiheit zu ihm entschieden haben.“ Und weiter sagt er den Firmlingen: „Werdet Beziehungsspezialisten für die Beziehung mit Gott und helft anderen, in diese Beziehung zu finden. Wir sollen Beziehungsspezialisten sein für die Beziehung mit Gott, weil wir immer besser lernen, wie man mit Gott in Beziehung lebt, wie diese Beziehung wächst, wie wir selber darin wachsen, wie wir selber davon getragen sind. Und wir sollen helfen, andere Menschen mit in diese Beziehung hineinzunehmen.“

Initiation (lat.) = Einführung

 

Glaubenskurs Teil 11: Wie versöhnt uns Gott mit sich und den anderen?

Es scheint, als lebten wir im Zeitalter der universellen Entschuldigungen. Was auch immer passiert – es waren die Eltern, die Umstände, die Politik oder der Nachbar. Wir befassen uns gerne mit Sünde und Schuld, aber nur, wenn es andere betrifft.

YOUCAT 67 und 315: Was ist Sünde? Was ist überhaupt eine Sünde?

Psychologen weisen zu Recht darauf hin, dass man keine starke Persönlichkeit aufbauen kann, wenn man sich fortwährend selbst zerfleischt und so gar nicht in der Lage ist, sich anzunehmen und gut zu fühlen. So weiß man heute, wie wichtig es ist, Kindern von Anfang an Anerkennung zu schenken. Aber muss man deshalb das Thema Sünde ausklammern? Immerhin heißt es im Neuen Testament, Christus sei „für unsere Sünden gestorben“ (1 Kor 15,3). Noch hängen Kruzifixe in Schulzimmern und Gerichtssälen. Ist das nur ein Relikt aus einer dunklen Zeit?

YOUCAT 290: Wie hilft Gott uns, freie Menschen zu werden?

Der Abschied von der Sünde begann im 19. Jahrhundert Friedrich Nietzsche, der radikale Philosoph, hatte etwas gegen „Sünde“; er hielt sie für ein krankmachendes „jüdisches Gefühl und eine jüdische Erfindung“ – typisch für eine „Sklavenreligion“. Man habe die Sünde benutzt, um „Zerknirschung, Entwürdigung, Sich-im-Staube-wälzen“ zu erzeugen und Menschen damit zu demütigen. „Nur wenn du bereuest, ist Gott dir gnädig“, sei einem „gesunden Griechen“ nie in den Sinn gekommen. Nietzsche empfahl „Unbekümmertheit um die natürlichen Folgen der Sünde“; er träumte von der vitalen Schönheit, Freiheit und Kraft der gewissenlosen blonden Bestie: „Das Tier muss wieder heraus, muss wieder in die Wildnis zurück; römischer, arabischer, germanischer, japanischer Adel, homerische Helden, skandinavische Wikinger – in diesem Bedürfnis sind sie sich alle gleich.“

YOUCAT 297 und 312: Kann man sein Gewissen bilden? Wodurch weiß ein Mensch, dass er gesündigt hat?

Was die Nazis daraus machten, ist bekannt. Sünde gab es im Nationalsozialismus nur als „Sünde gegen Blut und Rasse“. Völkische Ideologen trugen dafür Sorge, dass die Menschen ihr Gewissen los und blind wurden für alle realen Faktoren der Entmenschlichung. Da standen dann bald blonde „Übermenschen“ an der Rampe und schauten teuflisch lächelnd zu, wie „Untermenschen“ in Viehwaggons geladen wurden zum Abtransport in die Gaskammern. Soviel sollte klar sein: Sünde inhaltlich zu entkernen, sie zu verharmlosen, sie lächerlich zu machen, sie aus der menschlichen Existenz auszuklammern, ist eine Lüge, oft genug eine Lebenslüge. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns“ (1 Joh 1,8). Die Folgen sind dramatisch. Die Lüge war/ist übrigens die Ursünde, wie man im Buch Genesis nachlesen kann. Das Johannesevangelium kennt den „Vater der Lüge“ (Joh 8,44) und hält ihn für den „Mörder von Anfang an“ (Joh 8,44). Es ist der Teufel. „Die schönste List des Teufels ist“, so bemerkte Charles Baudelaire, „uns zu überzeugen, dass es ihn nicht gibt.“

YOUCAT 453: Was hat unser Verhältnis zur Wahrheit mit Gott zu tun?

Bis dahin gehen viele Menschen mit. Aber sie verstehen nicht, was die Sünde denn mit Gott zu tun hat. Nehmen wir einmal eine kleine Konstruktion zu Hilfe. Ersetzen wir das Wort „Gott“ durch das Wort „das Absolute“ – und nehmen wir noch ein paar Eigenschaften hinzu: das absolut Schöne, der absolut Wahre, der absolut Gute. Gott kann man nicht definieren, aber so sehr er auch über alles innerweltlich Gute, Wahre und Schöne hinaus ist, so sehr sieht doch alles, was nicht gut, nicht wahr und nicht schön ist, irgendwie absolut unmöglich neben Gott aus. Nun sind wir Menschen immer zu Kompromissen geneigt. Stellen wir uns einmal vor, es gäbe eine Welt, in der Harvey Weinstein in letzter Instanz sagen dürfte: „Ich finde das aber schön!“, Donald Trump in letzter Instanz: „Ich finde das aber wahr!“, und Monsanto in letzter Instanz: „Wir finden das aber gut!“

YOUCAT 232: Was muss ich in eine Beichte einbringen?

Nun gibt es aber Gott. Er ist uns absolut nicht fern. Er ist uns so wenig fern, dass ihn alles, was hier menschlich schiefläuft, absolut trifft – ja so ins Herz trifft, dass er alles gibt, sogar seinen eigenen Sohn, um die Welt zu reparieren, das Gute, das Wahre, das Schöne wiederherzustellen, uns mit ihm und untereinander zu versöhnen. Aber Gott ist nicht nur unter den Opfern der Sünde, wenn sie in die Waggons nach Auschwitz geladen werden. Gott hat auch eine Lösung für die Sünder. Für kleine, Mittelklasse- und große Sünder, und sogar für die Leute mit den Schaftstiefeln, die eine Sorte von Unheil anrichten, das ihre Wiedergutmachungsmöglichkeiten unendlich übersteigt. Gott selbst ist es, der uns mit sich versöhnt durch Jesus Christus, „der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut.“ (Kol 1,22). Wir müssten zahlen. Er zahlt.

YOUCAT 150: Kann die Kirche Sünden vergeben?

Von uns ist nur eines verlangt: das Bekenntnis unserer Sünden. „In ihm haben wir ... die Vergebung der Sünden.“ (Eph 1,7)

Robert Spaemann (*1927), dt. Philosoph.
 

Glaubenskusrs Teil 12: Warum ist die Heilige Messe das zentrale Ereignis der Kirche?

Wenn man auf der Straße jemand fragt, was typisch katholisch ist, bekommt man zu hören: „Die müssen jeden Sonntag in die Kirche gehen“. Nun ist das mit dem Müssen so eine Sache. Muss man seine Frau küssen? Man kann das auch lassen. Aber was ist eine Liebe wert, die sich nicht in Zärtlichkeit zeigt?

YOUCAT 119: Wie häufig muss ein katholischer Christ an der Eucharistiefeier?

Ähnlich schwer wiegt die Frage: Wo ist denn dein Christentum, wenn du dort nicht hingehst, wo Jesus sich mit dir treffen möchte? Mein Christentum ist dort – könnte eine moderne Antwort lauten – wo ich es will. Aber ist es wirklich so, dass wir die entscheidenden Dates im Leben selbst ausmachen? Wir entscheiden weder, ob es uns gibt, noch wann wir geboren werden, noch wer unsere Eltern sind. Gott folgt nicht unseren Kommandos. Er stellt sich auch nicht auf Befehl im Wald ein, wenn uns gerade nach ihm ist. Wer Jesus begegnen möchte, tut gut daran, sich auf Orte, Zeichen und Zeiten einzustellen, die uns von IHM her eröffnet werden.

YOUCAT 126: Was heißt: „Die Kirche ist der Leib Christi“?

Was hat Jesus aber mit dieser unverständlichen Sonntagsveranstaltung in der kalten Kirche zu tun? Das muss man erklären. Und muss zugeben: Es könnte wirklich manchmal deutlicher werden, was da in Wahrheit geschieht. Wo fangen wir an? Vielleicht damit: Die Heilige Messe ist nicht eine Art von Gottesdienst neben anderen, nur eben ein bisschen feierlicher, so dass man aus einem Sortiment von Angeboten auswählen könnte.

Die Heilige Messe läuft außer Konkurrenz. Sie ist einzigartig und es ist keine Geschmacksfrage, ob ich jetzt lieber einen Heilige Messe oder eine Meditation in der Krypta vorziehe. Um ihren USP auf den Punkt zu bringen: In der Heiligen Messe bekommst Du den Leib Christi dargereicht und – indem du ihn konsumierst – wirst du selbst „Leib Christi“. „Leib Christi“ ist nur ein anderer Name für Kirche. Niemand kann also sagen: Ich will zur Kirche gehören, aber ich will mich nicht einverleiben lassen. Das wäre absurd.

YOUCAT 216: Auf welche Weise ist Christus da, wenn Eucharistie gefeiert wird?

Aber ist das nicht ein Schauspiel über etwas Vergangenes, wie bei den Passionsfestspielen in Oberammergau? Nein, in Oberammergau wird nicht gestorben, soviel Theaterblut dort auch vergossen wird. In der Heiligen Messe wird das Opfer Christi am Kreuz neu für uns wirklich. Der Priester führt nicht das erbauliche Lehrstück „Letztes Abendmahl“ auf. Es findet statt. Wir nehmen daran teil. Nicht irgendwie in Gedanken. Real.

YOUCAT 99: Was geschah beim Letzten Abendmahl?

Jetzt ist es Zeit gekommen, dass wir uns die erstaunlichsten Dinge einmal aus der Nähe anschauen. Kameraschwenk in den Abendmahlssaal: Es ist die Nacht, in der Jesus ausgeliefert werden soll – und es ist Vorabend von Pascha. Jesus tut, was jeder jüdische Hausvater an diesem Abend getan hätte. Er versammelt die Seinen um sich – in diesem Fall die „Zwölf“ – um eine Art Opferliturgie, die „Eucharistie“ (= Danksagung), zu feiern. Aber indem er es tut, wählt Jesus ein paar abgründige Worte, bei denen den Aposteln das Blut in den Adern gefrieren musste. Er betet und opfert, aber er spricht über das Brot die Worte: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ (Lk 22,19) Wie bitte? Er macht sich zum Opfer. Wenn das ein Hohepriester mitbekommen hätte!

Und es kommt noch schlimmer: Jesus nimmt den Kelch mit Wein und sagt: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ (Lk 22,20) Wenn man sich das vorstellt: Der Bund der zwölf Stämme mit Gott war für Israel das Heiligste. Und nun kommt Jesus und begründet wieder mit einer Zwölfzahl (!) von dahergelaufenen Fischern einen Neuen Bund – und gründet diesen Bund auf sein Blut. Und die Apostel sollten essen und trinken, um in diesen Bund genommen zu werden. Das ist ja Hochverrat! Was macht ihr Meister da? „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24)? Was soll das? Und was bedeutet: „Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt.“ (Lk 22,18)? Ich könnte mir vorstellen, dass ein Judas für sich dachte: Der Mann ist ja vollkommen übergeschnappt.

YOUCAT 208: Was ist die Heilige Eucharistie?

Man muss sagen: Die Apostel konnten nicht verstehen, was Jesus damit sagen wollte. Erst nach dem Bluttag von Golgotha, nach dem Leeren Grab, nach den Begegnungen mit dem Auferstandenen, der das Brot mit ihnen brach, sollten sie wissen, was Jesus meinte mit der Hingabe seines Leibes, dem Vergießen seines Blutes für uns, dem Neuen Bund und damit dem Anfang einer von Jesus ausgehenden neuen Geschichte Gottes mit den Menschen. Es ist erschütternd zu sehen, wie schon die Frühen Christen am Sonntag zusammenkamen, um die Mahlliturgie zu halten und aus der Selbstverteilung Jesu zu leben. Noch immer entspringt die Kirche aus der Eucharistie. Bitte hingehen.

 

Glaubenskurs Teil 13: Wie beruft Gott?

In alten Religionen sind die "Götter" meist schweigende, launische Gestalten. Wenn das Wetter nicht stimmt, die Ernte ausbleibt und Kriegspläne versagen, weiß man, dass die Götter zürnen. Man muss sie anrufen, sie beschwören, bei den Opfern ein bisschen nachlegen, dann funktioniert die Welt wieder. Selbst unter Christen findet man noch Reste dieses primitiven Gottesbildes.

YOUCAT 8 und 18: Wie offenbart sich Gott im Alten Testament? Welche Bedeutung hat das Neue Testament für Christen?

Dass Gott anders, ganz anders ist, als es sich die Leute gerne ausmalen, dämmerte der Menschheit vor einigen Tausend Jahren im Vorderen Orient. Bei Abraham taucht plötzlich ein Gott in Rufweite auf, ein Gott, der etwas will ... und nicht etwa Rauch-, Tier- oder gar Menschenopfer: "Geh fort aus deinem Land in das Land, das ich dir zeigen werde!"  (Genesis 12,1) Was Gott da will, ist komplett im Interesse dieses Nomadenfürsten. "Ein Segen sollst du sein" (Genesis 12,2). Mit Abraham beginnt die endlose Geschichte eines Gottes, der sich segnend einmischt, indem er ruft und beruft, immer deutlicher auch aus dem Elend herausruft. Einzelne erfahren das, schließlich das Volk Israel, schließlich die ganze Welt. Ganz klar wird das bei Jesus Christus, der nicht nur Fischer zu Menschenfischern (Markus 1,17)   also zu einem besonderen Dienst   beruft, sondern eine Berufung für jeden einzelnen Menschen im Sinn hat: Er "will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen". (1 Timotheus 2,4)

YOUCAT 1 und 342: Wozu sind wir auf der Erde? Sollen wir alle "Heilige" werden?

Jesus fundamentales Interesse ist es, Menschen in eine Beziehung der Kommunikation, der Liebe und Freundschaft zu Gott zu bringen. Und er bringt sich selbst auf göttliche Weise ins Spiel: "Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid!" (Matthäus 11,28) Mutter Teresa (1910 1997) hat intensiv über den zum Rufen nahen, berufenden Gott nachgedacht: "Für Gott bist du einzigartig. Er will dich ehren, indem er dich mit seiner Gegenwart erfüllt. Er hat dich berufen, du gehörst ihm. Wenn du das erkennst, kannst du jeden Fehler, jede Erniedrigung, jedes Leiden durchstehen   wenn du die persönliche Liebe Jesu für dich und deine Liebe für ihn erkennst." Übrigens hat jede Berufung ein eigenes Gesicht. Oft haben wir uns nicht ausgesucht, wozu uns Gott beruft und wohin er uns stellt. Ich kenne eine Frau, die von einem Sterbenden zum nächsten gerufen wird, weil sie genial darin ist, Menschen hinüberzuhelfen in die Ewige Heimat. Heute weiß sie: "Es ist meine Berufung!"

YOUCAT 137: Warum heißt die Kirche apostolisch?

Nun gibt es nicht nur allgemeine Berufungen in der Kirche. Worin besteht die besondere Berufung eines Bischofs oder eines Priester? Die kürzestes Antwort ist: Er ist ein Nachfolger der Apostel. Er tut, was die Apostel taten. Im Neuen Testament finden wir eine Art Urstruktur der Kirche. Herr der Kirche ist für alle Zeiten Jesus Christus. Er ist der Handelnde. Er vergibt die Sünden. Er  lehrt. Er heilt. Er opfert  sich selbst.

YOUCAT 139: Worin besteht die Berufung der Laien?

Um Jesus herum sind Jünger. Jesus hat diese Laien in seine Nähe und in eine Art Schule genommen. Sie schauen Jesus auf die Hand, sprechen mit ihm. Sie übernehmen seine Intentionen. Sie werden zu zwei und zwei gesandt "in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte." (Lukas 10,1) Diese Jünger nennt Jesus "nicht mehr Knechte" sondern  "Freunde" (Johannes 15,15). Die Jünger sind der Motor der Kirche   und es ist vielleicht der Schlüssel zur Kirchenkrise unserer Tage, dass es an Jüngern und Jüngerkreisen fehlt - an Leuten also, die aus einer persönlichen Christusbeziehung heraus in ihrer ganz normalen Umwelt im Einsatz Jesu sind. Man kann beim Thema Jünger an Ordenschristen denken, aber diese leben nur zeichenhaft, was alle Jünger realisieren sollen.  

YOUCAT 259: Wodurch unterscheidet sich das allgemeine
Priestertum aller Gläubigen vom Weihepriestertum?

Aus den Jüngern nun nimmt Jesus einige heraus   die Apostel. Er dreht sie gewissermaßen um   in Richtung Kirche und zu einem unersetzlichen Dienst an ihr. Sie tun in Stellvertretung das, was nur Jesus tun kann: die Kirche von den Sakramenten her aufzubauen, vor allem das Brot brechen (1 Korinther 23,24) und die Sünden vergeben ("Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen" (Johannes 20,23), aber auch verkünden "ob gelegen oder ungelegen" (2 Timotheus 4,2) und im Namen Jesu zu leiten. Die Öffentlichkeit stellt Priester heute vielfach in Frage, nicht nur wegen der Missbrauchskrise. Manche meinen, man könne eine Kirche auch ganz gut ohne Priester organisieren. Das ist aber falsch.

Während man über die Beibehaltung des Zölibats reden kann, ist eine priesterlose Kirche undenkbar; man würde ihre innere Matrix zerstören: Übrigens: Wo eine Kirche brennende Jünger hervorbringt, kommen auch Berufungen zum Priestertum.

 

Glaubenskurs Teil 14: Was bedeutet zölibatäres Leben in der Kirche?

Mich wundert es immer, wenn Laien kein größeres Problem mit der Kirche haben als den "Zölibat". Kein Mensch zwingt Christen, dem Rat Jesu zu folgen, nämlich "um des Himmelreiches willen" (Mt 19,12) ehelos zu leben. Kein Christ muss ja so leben. Leider sind manche Ordensleute und Priester schlechte Werbung für den Zölibat. Einmal, auf einem Katholikentag, war ich Zeuge einer merkwürdigen Debatte. Der Leiter eines Priesterseminars stellte die These auf, der Zölibat müsse den Kandidaten Freude machen   ja sie müssten diese Lebensform (bei allen emotionalen Entbehrungen) wählen, weil keine andere für sie stimmig ist. Ein anderer Priester antwortete ihm mit zorngeschwellter Stirn; das sei ja wohl eine Unverschämtheit; welcher normale Mann hätte denn an so was Spaß. Der Mann mit der kühnen These blieb bei seiner Ansicht. Das Ganze war natürlich Antiwerbung.

YOUCAT 265: Sind alle Menschen zur Ehe berufen?

Zunächst muss man sagen: Wenn Ordensleute ehelos leben, ist das unmittelbar einsichtig. Was Priester angeht, so gibt es in den unierten katholischen Kirchen seit alters her auch verheiratete Priester. Die römisch-katholische Kirche fordert von ihren Bischöfen und Priestern seit etwa tausend Jahren die ehelose Lebensweise ein - und könnte dieses Profil auch wieder ändern. Unter anderem hatten politische Gründe zu seiner Einführung geführt. Hängen Blutsbande am Priestertum, so ist die Gefahr groß, dass das Heilige zum Erbstück und  Familienbesitz wird. Es geht also "bloß" um ein Kirchengebot.

"Ein großes Problem des Christentums der heutigen Welt ist, dass man nicht mehr an die Zukunft Gottes denkt (...). So schließen wir die Tür für die wahre Größe unseres Lebens. Der Sinn des Zölibats als Vorwegnahme der Zukunft ist gerade das Öffnen dieser Türen (...)."
Papst Benedikt VI.

Zählen wir sie rasch auf, die Gründe, die gegen den Zölibat sprechen. Da gibt es erstens den Missstand, dass einige den Zölibat offenkundig ohne innere Überzeugung wählten. Da gibt es zweitens den Skandal des Missbrauchs, der bei vielen Außenstehenden den Eindruck weckt, Kleriker seien durch die Bank "notgeil", was in keiner Weise stimmt. Unversehens wird aber in der öffentlichen Meinung aus dem großen Zeichen für die Existenz einer anderen Welt ein verheerendes Antizeichen, zumal es häufig Jungen sind, die von Priestern missbraucht wurden. Scheinbar drängte es eine nicht unbedeutende Zahl von unberufenen Männern mit unreifer sexueller Entwicklung ins Amt. Hoffentlich haben die Verantwortlichen das erkannt.

YOUCAT 145: Warum will Jesus, dass es Menschen gibt, die für immer ein Leben in Armut, eheloser Keuschheit und Gehorsam leben?

Da gibt es drittens den Priestermangel, der auch der hohen Hürde der ehelosen Lebensweise geschuldet ist. Damit verbunden gibt es immer mehr Gemeinden, in denen nicht mehr regelmäßig Eucharistie gefeiert werden kann, weil kein Priester mehr da ist. Einige Diözesen haben fast gar keinen Priesternachwuchs mehr.
Es gibt also verschiedene Gründe, die dafür sprechen, den Zölibat für Priester freizustellen. Aber es gibt nur einen Grund, der für ihn spricht: Der Zölibat ist die Lebensweise Jesu.

YOUCAT 386: Warum schützt das Fünfte Gebot auch die körperliche
und seelische Integrität eines Menschen?

Jesus selbst lebte ganz für den Vater. In dieser einzigartigen Hotline mit dem Himmel war Jesus ganz für die Menschen da. Dass er nebenbei eine Geliebte namens Maria Magdalena hatte, am Ende gar verheiratet war, ist eine Erfindung von B-Klasse-Schriftstellern. Jesus selbst lud in diese provokante Ganz-für-Gott-Lebensform ein. Und schon in der frühen Kirche kam die Überzeugung auf, dass es für die Nachfolger der Apostel - das sind heute Bischöfe und Priester - gut ist, auch wie Jesus zu leben. In Jesus zerbricht die alte, im Kreis laufende Welt von Zeugen, Geborenwerden und Sterben; "die Gestalt der Welt vergeht" (1 Korinther 7,31). Zölibatäre, denen es von Gott her in ihr Herz gelegt wurde (Matthäus 19,11: "Nicht alle können dieses Wort erfassen  "), vollziehen die in Jesus angebrochene radikale Neuheit der kommenden Welt mit. Da ist Gott heute schon "alles", was der Mensch braucht. Einmal werden auch wir Teresa von Avila verstehen: "Wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott allein genügt."

YOUCAT 92 und 250: Wozu berief Jesus Apostel? Wie versteht die Kirche das Weihesakrament?

Der auf eine fromme und glaubwürdige Weise zölibatär lebende Priester repräsentiert mit seiner ganzen Existenz Christus. Er ist kein Funktionär, der einen bestimmten Job macht, ab fünf Uhr den Rasen gießt und mit den Kindern Mikado spielt. Nach wie vor ist die Kirche überzeugt, dass Gott genügend Berufungen schickt, wo es nur das Mistbeet echter Jüngerschaft und Nachfolge Christi gibt. Daran liegt es vielleicht, dass es mancherorts Priesterkandidaten in Hülle und Fülle gibt, während andernorts die Seminare vor sich hintrauern und die Ordenshäuser leer gähnen. Das Priesteramt zu verbürgerlichen, indem man eine normale Karrierechance und eine Planstelle für diplomierte Theologen daraus macht, kann jedenfalls nicht die Lösung sein.

YOUCAT 122: Wozu will Gott die Kirche?

Das Wort "Zölibat" sollte man übrigens abschaffen; es geht an der Sache vorbei. Es kommt von "caelebs" = alleinlebend. Das ist genau das, was dem Ehelosen um des Himmelreiches willen unter keinen Umständen passieren darf: dass er für sich lebt. Entweder er ist "in Beziehung", nämlich in einer entwicklungsfähigen Liebesgeschichte mit Gott   oder er verkommt zum verschrobenen Single. Der zeichenhaft gelebte "Zölibat" ist etwas Soziales, ist Liebe, ist Bindung, ist Gemeinschaft. Darum ist die Kühnheit zölibatären Lebens näher an der Kühnheit der Ehe als an der Bindungsunfähigkeit mancher Singles.

 

 Glaubenskurs Teil 15: Was bedeutet Heiraten in der Kirche? 

YOUCAT 64 und 401: Wieso hat Gott den Menschen als Mann und Frau erschaffen? Gibt es einen Vorrang eines Geschlechts vor dem anderen?

Dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen hat, ist vielleicht eine seiner besten Erfindungen. Was wäre das für eine traurige Welt, wenn es Liebe und Erotik und all die faszinierenden Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht gäbe. 6500 Gene ticken in Männern und Frauen unterschiedlich. Trotzdem bedauert eine Frau die andere, die in einem reinen Frauenbüro arbeiten muss: "Nur Frauen, wie hältst du das nur aus!"   "Nur Männer, wie öde ist das denn", bedauert ein Mann seinen Kollegen, den es unter lauter Männer verschlagen hat. Gott hat Männer und Frauen nicht nur unterschiedlich geschaffen - er hat sie auch aufeinander hin erschaffen, so, dass sie sich ergänzen und zusammen ein Stück Ähnlichkeit mit Gott ahnen lassen.

YOUCAT 400: Was bedeutet es, dass der Mensch ein sexuelles Wesen ist?

Gott weiß wohl, dass Männer vom Mars und Frauen von der Venus sind; es ist, als wäre es ein Trick von ihm, dass er nur eine einzige Plattform gemacht hat, auf der Mann und Frau dauerhaft zusammenkommen: Liebe. Dass Liebe zwischen Mann und Frau in der Ehe mündet, ist keine Erfindung von Schwiegermüttern; es liegt im Wesen des Menschen und im Wesen der Liebe selbst, sich vorbehaltlos zu binden.

YOUCAT 402 und 260: Was ist Liebe? Hat Gott Mann und Frau füreinander bestimmt?

Liebe ist etwas sehr Tiefes   ein Zustand, in dem einem Menschen dieser andere Mensch erscheint, der jeden Preis, sogar das eigene Leben, wert ist. Liebe macht, dass man sich verrückterweise endgültig an einen anderen verschenkt   ohne nähere Konditionen. Wenn ich krank werde? Egal! Wenn ich eines Tages grau bin? Für mich wirst du nie hässlich sein. Albert Camus sagte dazu: "Einen Menschen lieben heißt, einwilligen mit ihm alt zu werden." Liebe ist ein Geschenk. Geschenke nimmt man nicht zurück. Mann und Frau schaffen einen Raum der Wärme, in dem Kinder kommen und glücklich aufwachsen können.  

YOUCAT 418: Welche Bedeutung hat das Kind in der Ehe?

Allerdings sagt Papst Franziskus: "Ehe ist auch tägliche Arbeit, ich könnte sagen: eine Handwerksarbeit, eine Goldschmiedearbeit, weil der Ehemann die Aufgabe hat, die Ehefrau mehr Frau werden zu lassen, und die Ehefrau ihren Ehemann mehr zum Mann werden lassen muss.   Na ja, und so kann ich mir vorstellen, wie dich dann eines Tages auf der Straße im Dorf die Leute ansprechen und sagen: "Was für eine schöne, starke Frau!  "   "Kein Wunder, bei dem Ehemann!" Und auch zu dir werden sie sagen: "Schaut ihn euch an!  "   "Kein Wunder, bei der Ehefrau!" Und genau das ist es! Darum geht es: dass wir uns gemeinsam wachsen lassen, der eine den anderen."

Damit Bestand haben kann, was rein menschlich gesehen riskant ist, spenden sich Mann und Frau vor einem Priester das "Sakrament der Ehe". Das ist mehr, als jeder Ehevertrag leisten könnte. Gott bietet dem Paar einen Bund an; er bringt sich selbst in die Gemeinschaft von Mann und Frau ein und verbindet sie in der Tiefe seiner eigenen unwiderruflichen göttlichen Liebe: "Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen." (Matthäus 19,6).

YOUCAT 261: Wie kommt das Sakrament der Ehe zustande?

Bevor die beiden sich treue Liebe "bis dass der Tod uns scheidet" versprechen, muss klar sein, was zur Ehe gehört. Dazu gehört, was manche verwundern wird, Sex. Die Ehe kommt eben nicht nur durch ein Versprechen zustande, sondern auch, indem Mann und Frau miteinander schlafen und so "ein Fleisch" (Matthäus 19,5) werden. Und die Leute denken immer, Gott hätte mit Sex nichts am Hut!

YOUCAT 262: Was gehört notwendig zu einer christlich sakramentalen Ehe?

Und es gibt weitere Bedingungen: Die beiden müssen frei von Bindungen sein, wenn sie vor den Traualtar treten; und das Versprechen muss umfassend und öffentlich sein. Beide müssen zu ihrem Schritt aus freien Stücken bereit sein. Wenn einer der beiden zum Zeitpunkt der Eheschließung unter Zwang, Furcht, innerem oder äußerem Druck handelt, kommt es nicht zu einer gültigen Ehe. Man darf auch nicht "den Papa" oder "die Mama" heiraten oder weil man endlich aus dem Haus will. Man darf auch nicht kirchlich heiraten, wenn man insgeheim denkt: "Probieren wir s mal! So lange es hält, hält es!" Ebenso wenig kommt der sogenannte Ehekonsens (= gemeinsame Wille zur Ehe) zustande, wenn einer oder beide Partner im Traum nicht daran denkt, außereheliche Liebschaften definitiv zu lassen. Und eine letzte Hürde gibt es noch: Beide müssen offen sein für Kinder. Wenn einer heimlich denkt "Nicht mit mir!", kommt es nicht zur Ehe.

Die ganze Schönheit und Größe der christlichen Ehe wird man aber erst entdecken, wenn man sie als Gleichnis für Gottes Treue und Hingabe begreift: "Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat ... Darum sind die Männer verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib." (Epheser 5,25.28a)

 

Glaubenskurs Teil 16: Was haben die Gebote mit der Liebe zu tun?

Das Gewissen ist eine delikate Sache. Nicht wenige kommen ganz "ohne" durchs Leben, was Stanislaw Lec zu seinem berühmtesten Bonmot verleitete: "Sein Gewissen war rein; er benutzte es nie." Andere benutzen ihr Gewissen sehr wohl; sie berufen sich aber vornehmlich dann darauf, wenn sie gerade im Begriff sind, die übelsten Taten zu begehen. Im Namen des persönlichen Gewissens wird gelogen, betrogen, verraten und die Ehe gebrochen. Es gibt keine Sünde, die nicht irgendjemand "mit bestem Gewissen" begangen hat   und unter Umgehung der Gebote.

YOUCAT 295: Was ist das Gewissen?

Wie sich Gebot und Gewissen zueinander verhalten, hat einmal der Kölner Weihbischof Dick in einer herrlichen Geschichte dargelegt: Nehmen wir den Fall, die Kinder spielen Fußball im Wohnzimmer. Papa kommt und ist entsetzt: "Wisst ihr, dass hier eine kostbare alte Chinavase steht? Wenn ihr die zertrümmert, ist Mama untröstlich! Geht doch bitte raus mit dem Ball!" Die Kinder haben nun die Wahl: Entweder sie gehen raus oder sie kicken weiter im Wohnzimmer und riskieren die Katastrophe. Die Kinder kennen also "das Gebot". Ihr Gewissen ist geschärft, denn sie wissen um die üblen Folgen einer falschen Entscheidung.

YOUCAT 298: Wird jemand, der guten Gewissens falsch handelt, vor Gott schuldig?

Und so muss es eigentlich immer sein, wenn man sich auf sein Gewissen beruft. Man muss sein Handeln an den Geboten überprüfen. Und um das tun zu können, muss man die Zehn Gebote kennen. (Vgl. Exodus 20,2 17 und Deuteronomium 5,6 21) Man muss wissen, dass Lüge, Stolz, Raub, Neid, Missgunst, Ehrabschneidung, Ehebruch und Mord niemals mögliche oder gar gebotene Handlungsoptionen sind.

Die Liebe ersetzt nicht die Gebote

Nun stellen manche einen Gegensatz zwischen Jesus, der die Liebe gebracht habe, und dem Alten Testament her, worunter sie eine schlimme Gesetzesreligion verstehen. Sie zitieren den heiligen Augustinus, der einmal gesagt hat "Liebe und (dann) tu, was du willst" und benutzen das Zitat, um ihre triebgesteuerten Fehltritte zu bemänteln. Aber weder Augustinus noch Jesus lassen sich dafür missbrauchen. Augustinus ist so zu verstehen: Wenn du wirklich die Liebe erkannt hättest und in der Liebe wärest, bräuchtest du keine Gebote mehr du würdest vollkommen handeln.

YOUCAT 291: Wie kann ein Mensch unterscheiden, ob sein Tun gut oder schlecht ist?

Und von Jesus findet sich immerhin in der oft zitierten (und selten gelesenen) Bergpredigt der Satz: "Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich." (Matthäus 5,18 19).

YOUCAT 349 und 351: Wie lauten die "Zehn Gebote"? Sind die Zehn Gebote nicht überholt?

Jesus schärft die Gebote nicht nur ein, er verschärft sie sogar: "Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein." (Matthäus 5,21 22)
Aber es ist derselbe Jesus der die Gebote im Liebesgebot zusammenfasst. Danach musst du zunächst Gott "mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft" (Markus 12,30) lieben. Gleich danach aber sollst du "deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden." (Markus 12,31) Aber hat nicht schon das Alte Testament zur Gottes- und Nächstenliebe aufgerufen? Das stimmt. Was aber ist nun neu daran, wenn Jesus sagt: "Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander!" (Johannes 13,34)?

YOUCAT 309: Was ist die Liebe?

Das Neue am neuen Gebot der Liebe besteht darin, dass Jesus sich selbst zum Maßstab und Vergleichspunkt von Liebe macht: "Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben." (Johannes 13,34) Und was hat Jesus denn getan in Sachen Liebe, dass er der Maßstab ist? Er starb für uns so sagt Paulus "als wir noch Gottes Feinde waren" (Römer 5,10).

YOUCAT 135 und 348: In welchem Verhältnis steht die Kirche zu den Juden? Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?

Kurzum: Das Neue am neuen Liebesgebot ist die Feindesliebe: "Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, segnet, die euch verfluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen" (Matthäus 5,43 44). A la Jesus. Diese Feindesliebe ist religionsgeschichtlich etwas so Eigenes, dass der muslimische Autor Navid Kermani einmal meinte, die Christen hätten allen Grund, stolz darauf zu sein und sie wie ein kostbares Diadem auf der Stirn zu tragen. Nächstenliebe und Selbstliebe nennt Jesus in einem Atemzug. Auch das ist bedenkenswert. Es gibt Mütter, die nie an sich denken und dabei kaputtgehen. Sich selbst zu lieben ist aber ein ebenso verpflichtendes Gebot wie den Nächsten zu lieben.
 

YOUCAT 34 und 387: Was muss man tun, wenn man Gott erkannt hat? Wie gehen wir mit unserem Körper um?

 

 Glaubenskurs Teil 17: Was macht den Menschen zum Menschen? 

Im Märchen gibt es einen eitlen Kaiser, der sich um nichts als seine Kleider kümmerte. Eines Tages fiel er auf zwei Betrüger herein, die vorgaben, die feinsten Stoffe weben zu können. Des Kaisers neue Kleider seien so fein, dass sie nur von klugen und würdigen Personen gesehen werden könnten. Die Beiden webten zum Schein und übergaben schließlich dem Kaiser Kleider, die in Wahrheit aus nichts als aus Luft bestanden.

Der Kaiser erkannte vor dem Spiegel sehr wohl, dass er nackt war, aber seine Eitelkeit ließ es nicht zu, dass er eingestand, ein Dummkopf zu sein. Auch die Kammerherren, und Minister waren begeistert. Sie verbeugten sich mit Ausrufen der Bewunderung. So trat der Kaiser auf die Straße. Und es wiederholte sich das gleiche Spiel: Niemand wollte sich eine Blöße geben; alle bewunderten des Kaisers neue Kleider. Nur ein Kind rief aus: "Der Kaiser ist ja nackt!" ...

Vor dem Herrn sind wir alle nackt

Kein Mensch gibt sich gern eine Blöße. Deshalb umgeben wir uns nicht nur mit Kleidern, sondern auch mit Titeln, Verdiensten, Uniabschlüssen, Gehältern, Wagenklassen und Listen von Geliebten. Wir erfinden glanzvolle Biographien, die wir am Ende selber glauben. Aber der schöne Schein sitzt schlecht. Krisen und Krankheiten, schuldhaftes Versagen und schlichtes Pech machen die Fassade bröckeln.

Als der hl. Franziskus ans Sterben kam, ließ er sich nackt auf den Boden der Portiuncula legen. Hatte nicht der biblische Job gesagt: "Nackt kam ich hervor aus dem Schoß meiner Mutter; nackt kehre ich dahin zurück" (Job 1,21)? Und waren nicht Luthers letzte Worte: "Wir sind Bettler, das ist wahr!" Ja, es ist wahr. Spätestens wenn wir vor dem Herrn erscheinen, sind wir nackt. Es zählt nicht mehr, was wir in der Welt waren, wie viele Firmen wir gegründet und wie viele Häuser wir gebaut haben. Eher werden wir gefragt werden, ob wir uns "mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld" (Kol 3,12) bekleidet haben. Wir werden gefragt werden, ob wir "Mensch" waren.

Alles hat entweder einen Preis oder eine Würde.
Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als Äquivalent gesetzt werden;
was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.
Immanuel Kant

Aber was macht den Menschen eigentlich zum Menschen? Spontan haben wir einen sehr hohen Begriff vom Menschen - aber es muss nur einmal zu einem Konfliktfall kommen, und dieser hohe Begriff platzt wie eine Seifenblase. Ist ein Kind im Mutterleib nun ein Mensch, ein halber Mensch, kein Mensch? Und die alte, demente Frau im Pflegeheim - ist sie noch Mensch oder schon ein hindämmerndes Restwesen, über dessen Entsorgung man nachdenken sollte. Ist ein Vorstandsmitglied bei Mercedes mehr wert als ein Waisenjunge in Mumbai?

Christen lassen sich klugerweise auf solche Diskussionen nicht ein. Für sie hat der Mensch keinen mess- oder diskutierbaren Wert, sondern eine unverlierbare, einzigartige Würde. Diese Würde gründet nicht im Menschen selbst, sondern in Gott, seinem Schöpfer, Erhalter, Erlöser und Richter. Die Würde jedes Menschen resultiert aus seiner Gottesbeziehung. Gott hat ihn in Liebe angeschaut und er schaut nie wieder weg: "Ich habe dich beim Namen gerufen; du gehörst mir" (Jes 43,1). Wir gehören gewissermaßen zur Königsfamilie, sind tabu. Deshalb, weil sie Gottes "Augapfel" (Ps 17,8) sind, darf man Menschen nicht klassifizieren, nicht verbrauchen.

Selig sind nicht die Schönen und Erfolgreichen

Und weil die Ärmsten immer die ersten Opfer sind, erzählt Matthäus das erstaunlichste Gleichnis der gesamten Heiligen Schrift; es könnte heißen: Das Gleichnis von der Solidarität Gottes. Im 25. Kapitel werden sie alle aufgezählt, die Hungrigen, die Dürstenden, die Fremden, die Nackten, die Kranken, die Gefangenen. Der Clou ist Vers 40: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." Mir! Jesus selbst macht sich zum Ärmsten. In den Armen berührt man IHN.

Das ist unerfindlich - ebenso unerfindlich wie die Seligpreisungen, das Herzstück der Bergpredigt. Hier wird einmal nicht das Hohelied der Erfolgreichen, der Reichen, der Stars, der VIP s, der Durchsetzungsstarken und gekrönten Häupter gesungen. Im Reich Gottes sind die anderen selig - die Armen, die Trauernden, die Sanftmütigen, die Hungerleider, die Verfolgten und alle, die an ihrer Seite stehen: die Kämpfer für Gerechtigkeit, die Barmherzigen, die Leute mit reinem Herzen, die Friedensstifter.

Menschlich wird es in der Welt durch das "Erbarmen". Der hl. Johannes Paul II. hat daran erinnert, Papst Franziskus nicht weniger. Aber es war schon der Heilige von Assisi, der die Essenz des Christlichen ausmachte: "Es darf auf der ganzen Welt niemanden geben, und mag er selbst gesündigt haben, soviel er nur sündigen konnte, der von dir fortgehen müsste, ohne Erbarmen bei dir gefunden zu haben, wenn er Erbarmen wollte."

Zur weiterführenden Lektüre:

  • Youcat 301 und 303: Wie wird man klug? Was bedeutet es, tapfer zu sein?

  • Youcat 163: Was ist das Jüngste oder Letzte Gericht?

  • Youcat 382 und 383: Ist Sterbehilfe erlaubt? Warum ist Abtreibung in keiner Entwicklungsphase eines Embryos hinnehmbar?

  • Youcat 332: Worin zeigt sich die Solidarität der Christen mit anderen Menschen?

  • Youcat 284: Warum sind die Seligpreisungen so wichtig?

 

 

Glaubenskurs Teil 18: Was macht mich frei, was engt mich ein?

"Über den Wolken" sang einst der Liedermacher Reinhard Mey, "muss die Freiheit wohl grenzenlos sein." Das Lied handelt von einem, der vom Hangar aus zusieht, wie ein Flugzeug in den Himmel abhebt; ihn überfällt Sehnsucht und der wehmütige Gedanke, ob es wohl irgendwo diese Freiheit gibt, in der "alle Ängste, alle Sorgen" zurück bleiben oder wenigsten klein werden. Reinhard Mey hat diesen Menschheitstraum intensiv gelebt. Von 1972 an erwarb er nach und nach Flugscheine für einmotorige und zweimotorige Flugzeuge, Doppeldecker und Hubschrauber, für Kunstflug, Instrumentenflug, dazu Bootsscheine und einen Motorradführerschein. Die Biografie von Reinhard Mey liest sich wie eine einzige Abfolge von Freiheitsmomenten. Mey setzte seine Freiheit durchaus nicht nur dazu ein, sich immer neue individuelle Freiheitserlebnisse zu verschaffen; er nutzte seine Freiheit auch, um sich auf eine beeindruckende Weise sozial zu engagieren.

Was ist Freiheit? Freiheit  und Lust auf Freiheit   ist etwas zutiefst Menschliches. So hat uns Gott gemacht, dass wir Geschmack an der Freiheit haben, dass wir nachdenken, wählen, ungezwungen etwas hinstellen. In der Freiheit ist der Mensch stolz, würdevoll, schön. Freiheit heißt: Völlig aus sich heraus handeln, ein Stück Welt zu erschaffen, wie sie uns gefällt, nicht fremdbestimmt zu sein. Das ist ein wichtiger Punkt, auch in der Kirche. So gerne es Eltern hätten, dass ihre Kinder glauben, so falsch ist es, Kinder zum Glauben zu überreden oder sie unter Druck zu setzen. Gott will das freie Ja des Menschen. Überall dort, wo ein Mensch nicht ganz aus sich handelt, wo er gezwungen oder gedrängt wird, dort ist er nicht ganz Mensch.

Wie frei ist der Mensch? Die erste Antwort lautet: Der Mensch ist frei, zu tun und lassen, was er möchte   selbst wenn es objektiv falsch ist. Das gehört zu seiner Menschenwürde, auch wenn Ideologen an den Machthebeln Menschen in ihren Freiheitsrechten (der Religions-, der Meinungs-, der Berufs-, der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit etc.) immer wieder zu beschneiden versuchen, weil sie besser zu wissen glauben, was gut ist für die Leute.


"Wir drängen unseren Glauben niemandem auf. Diese Art von Proselytismus ist dem Christlichen zuwider. Der Glaube kann nur in Freiheit geschehen. Aber die Freiheit der Menschen, die rufen wir an, sich fur Gott aufzutun; ihn zu suchen; ihm Gehör zu schenken." 
Papst Benedikt XVI.

Die Lobrede auf die Freiheit wird aber nicht übersehen, dass die Option des Menschen das Böse wählen zu können   das also, was ihn und andere schädigt   ihn geradewegs auf den Highway to hell führen kann. Es war der Satanist Aleister Crowley, der die vermeintliche Freiheitsparole ausgab: "Tu, was du willst! Dies sei das ganze Gesetz." Das Freiheitskonzept, das Selbst- und Fremdzerstörung einschließt (beispielsweise bei Abtreibung, Suizid und Euthanasie), ist ein Konzept, das auf einem blasphemischen Gottestausch basiert: Ich bin der Herr. Ich bin das Gesetz. Im weiten Universum ist niemand sonst, den es wirklich interessiert, was mit mir geschieht. Und es ist auch niemand, den es interessiert, wenn der Andere das Opfer meiner Freiheit wird.

Der wahre Gott gibt zwar uneingeschränkte Freiheit. Er hat aber in die Freiheit eine Orientierung eingebaut   einen inneren Drift auf das Gute hin. Ich bin ganz frei, aber der Sinn meiner Freiheit ist das Gute. Der Mensch ist frei, damit er aus eigener, freier Wahl heraus das Gute tut. So empfinden Menschen ein Glück und eine natürliche Befriedigung, wenn sie etwas Gutes tun und sie werden rot vor Scham, wenn sie beim Bösen ertappt werden. Dass es diese Unterscheidung gibt, ist ein Hinweis darauf, dass das Gute von dem Guten kommt   anders gesagt: dass der letzte Urgrund   Gott   gut ist. Wenn Gott gut ist, dann ist das Gute gut und das Böse eben böse. In einer sinnvollen Welt will Gott, dass wir gut sind. C.S. Lewis: "Wenn wir nicht so sein wollen, wie Gott uns will, dann wollen wir in der Tat etwas, das uns unmöglich glücklich machen kann."

Reinhard Mey hat übrigens die Grenzen der Freiheit am eigenen Leib erfahren. Zwei seiner Fluglehrer stürzten ab, kamen um. Ein Kind von ihm starb nach fünfjährigem Wachkoma, was   so Reinhard Mey "die Familie in ihren Grundfesten erschüttert und das Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellt". Mey hatte unzählige Nächte am Bett des Kindes verbracht, Lieder gesungen, ihm erzählt. Ob er ihm "Über den Wolken" gesungen hat? Wahrscheinlich müssen wir über den menschlichen Traum von der Freiheit unter der Voraussetzung sprechen, dass die vollkommene Freiheit erst dort existiert, wo "alle Ängste, alle Sorgen" verschwunden sind, weil einer da ist, von dem es heißt: "Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal." (Offenbarung 21,4) Bis dahin sollen wir einfach gut sein, auch wenn es anstrengend ist. Gott kommt uns mit seiner Gnade entgegen und macht gut, was sonst nicht gutzumachen ist

  • YOUCAT 286: Was ist Freiheit, und wozu ist

  • sie da?

  • YOUCAT 354: Kann man Menschen zwingen, an Gott zu glauben?

  • YOUCAT 289: Muss man dem Menschen seinen freien Willen lassen, auch wenn er sich für das Böse entscheidet?

  • YOUCAT 281: Warum sehnen wir uns nach Glück?

  • YOUCAT 340: Wie verhält sich die Gnade Gottes zu unserer Freiheit? 

 

 

Glaubenskurs Teil 19: Was bedeutet "Du sollst den Sonntag heiligen!"

Mütter kennen das: „Was hast du mit meiner FC-Bayern-Bettwäsche gemacht?“ – „Aber ... sie war doch völlig zerrissen!“ Drama. Aufstand. Tränen. Mama hatte an ein Heiligtum gerührt. Auch Erwachsenen können die banalsten Dinge „heilig“ sein: Eine alte Pfeife, eine zerkratzte Vinylplatten-Sammlung, whatever. In jedem Fall geht es nicht um den materiellen Wert einer Sache. Das Betttuch, die Pfeife des verstorbenen Vaters, die Bob-Dylan-Platte – sie stehen für etwas Großes, dem ich mich über ein Symbol zugehörig fühle. Gerade stirbt der Sonntag. Und wenige weinen ihm eine Träne hinterher.

Dabei ist die Aufforderung, den Sonntag zu „heiligen“ kein Freizeit-Tipp aus der „Landlust“, sondern ein göttlicher Befehl – die laufende Nummer drei der Zehn Gebote. Im ganzen Alten Testament findet sich kaum eine dramatischere Inszenierung, als die Szene, in der Mose von Gott die „Zehn Gebote“ empfängt und mit dem Gesetz zu seinen Leuten herabsteigt: „Das ganze Volk erlebte, wie es donnerte und blitzte, wie Hörner erklangen und der Berg rauchte.“ (Exodus 20,18). Warum betreibt Gott solch einen Aufwand um die Freizeitgestaltung?

Am Anfang der Bibel steht ein Gott, der für alle Zeit klarmacht, dass Arbeit nicht alles und nicht einmal das Höchste ist. Im Buch Genesis gönnt sich der Schöpfer selbst eine Art lustvollen Break: „Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk erschaffen hatte.“ (Genesis 2,3). Das Volk Israel machte es wie Gott, es ruhte sich aus. Israel dachte zurück an die Knechtschaft in Ägypten und dehnte die heilige Pause sogar auf die Sklaven, die Rinder, die Esel, die Fremden in der Stadt (Deuteronomium 5,14) aus.

Für Israel war der Sabbat wichtig, weil Gott so überaus wichtig war: der Grund von allem, die Lebensbedingung von allem, der Befreier, der Retter. Das durfte nicht vergessen werden – und fiel doch im Gemache des Alltags unter den Tisch. Gott musste durch ein großes Zeichen erinnert werden. Das Fest Sabbat beschwor im Wochenabstand die Präsenz Gottes, machte sie fühlbar, füllte sie mit unerhörter Hoffnung. „Wenn Israel nur ein einziges Mal den Sabbat wirklich halten würde“, heißt es im Talmud, „würde der Messias kommen, denn das Halten des Sabbat kommt dem Halten aller Gebote gleich.“

Hier sind wir am Punkt, wo sich Altes Testament und Neues Testament, Israel und das Christentum, Sabbat und Sonntag voneinander scheiden. Die Juden warten noch immer auf den Messias; die Christen glauben, dass er gekommen ist. Sie bezeichnen Jesus von Nazareth als den „Christus“, den Messias. Ihr Tag ist nicht mehr der Sehnsuchts- und Hoffnungstag Sabbat. Ihr Tag ist der „achte“ der österliche Tag, der Sonntag, der Tag, an dem Christus von den Toten auferstanden ist und die in Sünde und Tod verstrickte Welt endgültig befreit und erlöst hat. Während die Judenchristen zunächst noch den Sabbat beibehielten, feierten die Heidenchristen schon früh den „Tag des Herrn“, der dem Sabbat folgte. Jeder Sonntag sollte ein Abglanz des Osterfestes, ein fortgesetztes Osterfest sein, als würde der Jubel den einen Tag sprengen und alle Zeit überglänzen.

"Ohne die sonntägliche Eucharistie können wir nicht leben.
Weißt du nicht, dass der Christ für die Eucharistie existiert
und die Eucharistie für den Christen?"
Antwort des Märtyrers Aturninus  (305) im Verhör auf den Vorwurf, er habe an der verbotenen sonntäglichen Versammlung teilgenommen.

Heute gibt es für viele Menschen keinen Unterschied mehr zwischen Werktag und Sonntag. Die großen Maschinen müssen laufen. Die Dienstleistungsgesellschaft fordert Service an den Wochenendtagen. Shops brauchen Shopping. Jeder hängt dann ab, wann es ihm gerade ins Schema passt. Die Zeit hat keine Struktur mehr. Es gibt keine Differenz zwischen Fest und Alltag. Fest ist, wenn es das Möbelhaus will. Alles geht immer und riecht nach Bier und Grillwurst. Man sollte meinen, die Leute müssten glücklich sein angesichts der neuen Flexibilität. Aber sie klagen über das graue Einerlei der Tage.

Können wir den Sonntag noch einmal erfinden? Ich denke, es werden nicht die Gewerkschaften, die ihn retten - es werden Menschen sein, die gemeinsam auf die kultischen Wurzeln des Sonntags zurückkommen. Der Sonntag ist nicht deshalb heilig, weil es menschenfreundlich ist, nach sechs Werktagen auch mal den Hammer oder die Tastatur wegzulegen und die Arbeit zu entthronen. Der Sonntag hat in Gott seine Mitte. Und er muss ein Fest sein – mit allem, was dazugehört: mit Aufwand für das Schöne, mit viel Zeit für einander, für die Liebe und für Gott, mit Blumen, festlichen Liedern, festlichen Kleidern, festlichen Ritualen, mit Muße und Aufatmen in Gottes schöner Welt.

Und vielleicht kommt er wieder, der Tag, an dem es Drama, Aufstand, Tränen gibt, wenn man an den „heiligen“ Sonntag, an das Fest der Erlösten, rührt.

  • YOUCAT 187: Wie wichtig ist der Sonntag?

  • YOUCAT 47: Warum ruhte Gott am siebten Tag?

  • YOUCAT 362: Warum feiert man in Israel den Sabbat?YOUCAT 363: Wie geht Jesus mit dem Sabbat um? und 364: Warum ersetzten die Christen den Sabbat durch den Sonntag?

  • YOUCAT 184: Wie prägt die Liturgie die Zeit?

  • YOUCAT 365: Wie machen Christen den Sonntag zum „Tag des Herrn“?

Foto: ePaper-Webservice

 

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