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Klaus Kelle: Tagebuch Israel - Tag 1

Klaus Kelle erzählt von einer Pilgerreise durch das Heilige Land. - Tag 1 der Reise.
Messe am Pfingstmorgen auf dem Berg der Seligpreisungen
Foto: Klaus Kelle | Messe am Pfingstmorgen auf dem Berg der Seligpreisungen.

Tag 1

Der erste Tag der Pilgerreise des Tempelritterordens beginnt am Pfingstsonntag für die 28 Teilnehmer mit einer Heiligen Messe morgens auf dem Berg der Seligpreisungen. Hier hat Jesus von Nazareth einst seine wunderbare Bergpredigt gehalten, hier wählte er die Apostel aus. Hier veränderte er den Lauf der Weltgeschichte.

Ein herrlicher Sonnentag unter freiem Himmel mit Blick auf den See Genezareth. Viele der Geschichten aus dem Neuen Testament der Christenheit und den heiligen Schriften der Juden haben sich hier vor 2000 Jahren ereignet. Wo anders als an diesem Ort können Menschen auf der Suche nach ihrem Glauben besser beginnen, als hier im Norden Israels?

Pater Christian, der junge katholische Ordensgeistliche der Tempelritter, zelebrierte mit der Pilgergruppe die Messe und stellte in seiner Predigt die Kernfragen, mit denen sich jeder Christ irgendwann ernsthaft befassen muss: „Können wir überhaupt in den Himmel kommen? Sind wir dafür arm genug? Traurig genug? Hungrig genug? Friedlich genug?“

Und Christian macht uns Hoffnung, als er zusammenfasst: „All die göttlichen Worte, die uns überliefert wurden, haben nur ein Ziel: Dass auch wir selig werden…“

Der Berg der Seligpreisungen ist einer dieser magischen Orte, die Christen überall auf der Welt finden, an denen es leichter ist, den eigenen Glauben zu finden, als in der Hektik des Alltagslebens. Hier herrscht eine Atmosphäre, in der sich der Suchende ganz auf das einlassen kann, was Jesus uns verheißen hat. Und wenn man sich darauf einlässt, losgelöst von dem simplen Vorhaltungen der Nicht-Gläubigen („Wir haben Gott noch nicht gesehen“ oder „Warum verhindert Gott nicht Kriege und Armut?“), dann findet man Gott auch gerade an Orten wie diesen.

Der Tempelritterorden ist eine Männergemeinschaft, ein Laienorden, der sich auf die Traditionen und das historische Erbe der Templer von 1119 beruft, die vor Jahrhunderten mit Kettenhemd, einem roten Kreuz auf ihren weißen Mänteln und mit scharfen Schwertern zu den Kreuzzügen aufbrachen, um die christlichen Pilger im Heiligen Land vor gewaltsamen Übergriffen der Muselmanen zu beschützen.

Die Tempelritter von heute haben auch noch Schwerter, zwei genau, um einmal im Jahr junge Männer, die ihren feierlichen Eid ablegen, zum Ritter zu schlagen. Nach Israel konnten die Pilger aus Deutschland ihre Schwerter natürlich nicht mitnehmen – sie wären an der Sicherheitskontrolle am Flughafen in Frankfurt gescheitert. Hoffe ich jedenfalls…

Obwohl – vor der Reise hatte es für die Pilgergruppe viele Warnungen gegeben, über die angeblich so strengen Sicherheitskontrollen, über strenge Befragungen der Reisenden und Gepäck, das geöffnet werde. Alles Mumpitz. Die Sicherheitskontrollen in Frankfurt und dann bei der Einreise in Tel Aviv waren nicht anders, als wenn ich von Düsseldorf nach Berlin fliege.

Die Templer von heute führen keine Kriege mehr, Schlachten aber sehr wohl – um die Lehren Jesu zu verbreiten und zu verteidigen. „Die Kreuzritter von einst haben den christlichen Pilgern militärischen Geleitschutz geboten. Wir heute leisten einen Beitrag, Christen geistigen Geleitschutz in unsicheren Zeiten zu geben“, erklärt Dr. Reinhard Steinmann die Motivation seiner paar Dutzend Männer in Deutschland.
Als Ordensmeister leitet der frühere Bundeswehroffizier diese ökumenische Bruderschaft. Und als Oberst hat er 42 Jahre lang seinem Land, unserem Land, gedient und dabei einige der übelsten Orte dieser Welt erleben müssen: Auslandseinsätze in Afghanistan, in Mogadischu und in Sarajewo. Er hat dabei unendliches Leid hautnah miterlebt, sterbende Kinder, und kaum zu beschreibendes Elend gesehen. Seine Motivation? Er ist ein Christ.

Die Bruderschaft, die in diesen Tagen auf den Spuren des Herrn im Heiligen Land unterwegs ist, setzt sich aus ganz unterschiedlichen Menschen zusammen, die im Leben stehen, die einen Beruf haben, die sich in Kirchen und Gesellschaft engagieren, die Familien haben. Ein Apotheker aus Baden-Württemberg ist dabei, ein Landschaftsgärtner, ein Wirtschaftsprüfer aus der Schweiz – bunte Vielfalt, aber dieses Mal bürgerlich und christlich.

Pilgergruppe unterwegs auf den Spuren Jesu nahe dem Golan
Foto: Klaus Kelle | Pilgergruppe unterwegs auf den Spuren Jesu nahe dem Golan.

Unter den Reisenden im Heiligen Land sind viele Ehefrauen dabei und auch einige Kinder. Und zwei Novizen, die ihre einjährige Bewährungszeit unter anderem auf dieser Reise absolvieren, bevor sie dann im September beim feierlichen Generalkapitel zu Rittern geschlagen werden. Marco aus Erfurt und Marc aus Düsseldorf. Marco hat seinen jungen Sohn mitgenommen. Der junge Mann kennt den Glauben noch nicht und weiß gar nicht, wie er sich verhalten soll, als die Pilger im Bus von Tel Aviv zu ihrer Unterkunft das erste Lied anstimmen. Als sich der erste Tag dem Ende zuneigt, erzählt er mir abends, wie wohl er sich unter diesen ihm noch fremden Menschen schon jetzt fühlt.

Beim Frühstück vor der Pfingstmesse unterhalte ich mich mit Marc. Er ist ein katholischer Christ. Er glaubt. Aber er verrät mir auch, was er sich von dieser Reise ererhofft. „Ich denke, dass mich dieser Ort auch spirituell noch weiter bringen wird. Hier zu sein, wo Jesus am Strand gestanden und den vielen Menschen das Wort Gottes gepredigt hat, ich glaube, dass es mich auch emotional noch näher zu Gott bringen wird.“ Die nächsten Tage werden zeigen, ob sich diese Erwartung für ihn und die anderen erfüllt…

DT (jobo)

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