Das Kürzel NFT steht für „Non fungible Tokens“. Das bedeutet so viel wie „nicht austauschbare Wertmarke“ und macht medial gegenwärtig eine große Welle, weil kleine Computergrafiken, die als NFT errechnet wurden, aufgrund ihres Unikat-Status plötzlich hunderttausende Euros wert sind. Tatsächlich gingen einige dieser winzigen Grafiken für sensationelle Beträge über den virtuellen Ladentisch und wanderten ins Wallet, das virtuelle Portemonnaie ihrer neuen Eigentümer.
„ In Zeiten von Fake- News und Propaganda wird es denjenigen,
die von wahren und verlässlichen Informationen abhängig sind,
immer wertvoller werden, sichere und verlässliche Informationen zu bekommen“
Wir erinnern uns: Die Versteigerung der UMTS-Lizenzen brachte im Jahr 2000 dem damaligen Finanzminister Hans Eichel knapp 100 Milliarden Mark ein. Bei den UMTS- Lizenzen wurde noch von vielen die heutzutage im Zeitalter von Smartphone und Co. absurd anmutende Frage gestellt, wer denn mobiles Internet bräuchte. So stellt sich heutzutage auch die Frage, wer NFTs braucht –am Ende jeder von uns.
Das Beeindruckende an dieser Technik, die zur Blockchaintechnologie gehört, ist das Phänomen, alles als NFT errechnen zu können. Die Besonderheit ist, dass sich nicht nur virtuelle Dinge in Gestalt eines NFT darstellen lassen: Angefangen von Kunstwerken, deren Echtheit mit einem NFT bewiesen werden kann, bis hin zur Besitzurkunde für ein Haus, ein Auto, eines Schmuckstücks oder auch eines Anteils an einem Unternehmen lässt sich als NFT abbilden. Ein solches Token kann eben auch eine kleine Grafikdatei sein, die aufgrund ihrer Einmaligkeit plötzlich einen ungeheuren Wert hat. Der Clou an dieser Technologie ist einerseits die Unteilbarkeit, anderseits die Unnachahmbarkeit.
Die Tulpenmanie unserer Tage
Man kennt die Blockchaintechnologie inzwischen aus der Kryptowährung. Hier wird ebenfalls mit Tokens operiert. Diese sind allerdings – wie bei jeder anderen Währung auch – teilbar und austauschbar: Ein Bitcoin ist ebenso viel wert wie ein anderer Bitcoin. Zwar gibt es eine Obergrenze von maximal 21 Millionen Bitcoins, die überhaupt nur hergestellt werden können, aber der erste Bitcoin hat keinen größeren Wert als der letzte Bitcoin. Ein Bitcoin kann aufgeteilt werden, wie auch ein Euro aufgeteilt werden kann. Damit zeigt sich für NFTs eine Vielzahl möglicher Anwendungen. Bereits heute bieten Makler NFTs an, die Teile von Immobilien abbilden. Zwar braucht es immer noch einen Grundbucheintrag, um Eigentümer der Immobilie zu sein, womit sich Immobilien-NFTs in einem rechtlichen Graubereich bewegen, doch kein Grundbuch der Welt ist so fälschungssicher, wie ein in einer Blockchain errechneter Wert eines Tokens. Grundsätzlich wäre ein dezentrales gemeinsames Grundbuch eine fantastische Anwendung für die NFT-Technologie.
NFTs bestehen bestehen im Gegensatz zu UMTS-Lizenzen nicht einmal aus Luft sondern genau genommen nur aus einer garantiert einmaligen Folge von Nullen und Einsen. Diese erbrachten allerdings im ersten Quartal des Jahres 2021 ein Gesamtumsatz von zwei Milliarden US-Dollar. Kritiker vergleichen diesen Hype mit der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert: Damals wurden banale Tulpenzwiebeln zu irrationalen Fantasiepreisen gehandelt – es handelt sich um die erste in der Wirtschaftsgeschichte dokumentierte Spekulationsblase. Gerade die unter dem Namen CryptoPunks gehandelten kleinen Grafiken, die auf einschlägigen Plattformen im Netz zu kaufen sind, dürften eine ebensolche Spekulationsblase darstellen. Das Herz von NFT schlägt langfristig an anderen Orten: Gerade im Mediensektor werden NFTs eine große Bedeutung erlangen, denn im Gegensatz zu der derzeit grassierenden Spekulationsblase geht es im Kern um Vertrauen.
Besondere Bedeutung haben NFTs für die Medien
Ein NFT ist ein Echheitszertifikat und kann im Mediensektor außerdem als Qualitätszertifikat angesehen werden. David Cohn, ein Innovationsforscher beim US-amerikanischen Medienkonzern Advance, sieht die Bedeutung von Blockchain und NFTs in Vertrauen und Transparenz und im digitalen Transfer von Wissen. Darum, so der Wissenschaftler, werde diese Technologie auch irgendwann die Welt der News und Informationen verändern.
Im Zeitalter von Fake News und Propaganda ist das unmittelbar einsichtig. Dazu entwickelt Cohn eine Idee: Auf einer Technologie, die Finanztransfers und Kunsthandel sicher zertifizieren könne, könnte theoretisch auch ein Netzwerk für den Wissenstransfer aufgebaut werden. Man redet in den USA von dynamischen, loyalitätsgetriebenen Communities. Das heißt, dass Nutzer, die einer Nachricht vertrauen, diese teilen und ihr damit eine Art Vertrauensstempel geben. Natürlich braucht es auch für den Nutzer selber einen Vertrauensstempel, der kennzeichnet, wie valide die Informationen, die dieser bislang geteilt hat, waren. Es geht darum, ein Netzwerk zu schaffen, in dem Herkunft und Echtheit einer Information als NFT gespeichert werden. Die Blockchain – die dezentrale Datenbank – bestätigt eben die Echtheit.
Zertifiziert sichere und verlässliche Informationen
Dazu ist es natürlich nötig, dass der Nutzer dieser Nachrichten, also der Leser eines Portals über ein Wallet – also jenes eingangs bereits erwähnte digitale Portemonnaie – verfügt, in dem die Echtheitszertifikate gespeichert werden können. Dabei sind zwei Dinge zu beachten: Zum einen sollen und dürfen verlässliche, gut recherchierte Nachrichten Geld kosten. Hier entstehen für Verlage endlich greifbare Optionen für eine Monetarisierung digitaler Inhalte. Zum anderen ist nichts intelligenter als Netze: Eine von einer großen Community zertifizierte und validierte Nachricht stellt diesen Wert, der in Kryptowährung zu zahlen ist, auch wirklich dar.
Bereits jetzt, während sich diese Blockchain-Innovation noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium befindet, entfalten sich erste Auswirkungen, wie Verlage moderne Formen von Mitgliedschaft, Handel und Publikumsbindung aufbauen und erweitern können. In Zeiten von Fake- News und Propaganda wird es denjenigen, die von wahren und verlässlichen Informationen abhängig sind, immer wertvoller werden, sichere und verlässliche Informationen zu bekommen. Das alles geschieht in einem Tempo, das die Landschaft der Medienbranche in nur fünf Jahren bereits deutlich verändern könnte. Jenseits der jetzigen Spekulationsblase mit kleinen, meist recht unansehnlichen Bildern, geschieht etwas viel Bedeutenderes. Hier bietet die Blockchaintechnologie für die Medienbranche in der digitalen Welt einen echten qualitativen Quantensprung. Es besteht zumindest die Chance, die digitale Kinderkrankheit der derzeitigen sozialen Netzwerke aus Bashing, Mobbing und Fake News zu überwinden.
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