My home is my castle – diese alte Weisheit kommt in Corona-Zeiten wieder zur Geltung, die Familien erfüllen wie selbstverständlich ihre angestammte Schutzfunktion. Das wiederum löst im politisch-publizistischen Establishment alte Reflexe aus. Ohne dass gesicherte Erkenntnisse über Infektionsgefahren vorliegen, warnt der Spiegel (vom 25.4.) vor einer „neuen Herdprämie“. Geld allein „hilft vielen gestressten Familien nicht. Die Kitas müssen rasch wieder öffnen.“ Von einem Rückfall in alte Rollenbilder wird allenthalben gewarnt. Von „Brandbriefen“ an die Familienministerin ist die Rede in der WELT, man sieht die „Familie im Ausnahmezustand“ und warnt: „Existenzängste, Betreuungsstress, fehlende Ventile: Die derzeit geschlossenen Eltern-Kind-Einrichtungen erwarten nach der Krise einen Ansturm ausgebrannter und traumatisierter Mütter, Väter und Kinder“ (Welt am Sonntag vom 19.4.).
Selbst die sonst so bedächtige FAZ wird bei diesem Thema nervös und warnt gouvernantenhaft in einem Leitartikel (27.4.): „Vergesst die Kleinen nicht“. Alle würden gefragt, „wie die Kinder in der Krise zu behandeln sind. Nur die Kinder nicht.“ Das tut auch die FAZ nicht. Im Schwesterblatt am Wochenende (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 26.4.) heißt es sogar: „Mit monatelangen Kita-und Schulschließungen fällt Deutschland auf eine langjährige westdeutsche Tradition des geschlechterkonservativen und ungleichserhaltenden Wohlfahrtsstaates zurück…. Im aktuellen Ausnahmezustand müssen gesundheitliche und ökonomische Interessen hohe Priorität haben. Aber soziale Kosten durch eine Verschärfung der Ungleichheit schlagen sich mittel-und langfristig auch auf Gesundheit und Wirtschaft nieder und können politisch destabilisieren.“ Man fasst sich an den Kopf. Revolution wegen geschlossener Kitas?
Kita: gut und professionell, Eltern: doof und gefährlich?
Die öffentlich-rechtlichen Sonderberichterstatter wissen, was die Kinder brauchen – auch ganz ohne Umfragen. Nach einer Reportage im ARD-Extra am 30.4. über eine gestresste Familie meint die Reporterin: „Dabei wünscht sich die Vierjährige nichts sehnlicher, als wieder in die Kita zu gehen“ und „die Familien brauchen unbedingt Hoffnungslinien“. Selbst die um Nüchternheit bemühte Tagesschau redet von „harten Zeiten“ für die Familie, weil die Kinder zuhause seien und dass der Förderbedarf Vorrang habe, es gehe um die „frühkindliche Bildung“, das rechtfertige eine höhere Öffnungsgeschwindigkeit. Und natürlich darf die Familienministerin im ARD-Extra auch mal in das gleiche Horn blasen: „Die Rückkehr zur Normalität“ sei „der große Wunsch“ der Familien. Und ähnlich wie schon Tage zuvor die Süddeutsche Zeitung und andere Blätter und Sender malt sie ein Drohgemälde mit dem Schlagwort „Kinderschutz ist Gesundheitsschutz“. Damit wird insinuiert, dass Familie ein Risiko sei und dass es nicht nur um den Schutz vor dem Corona-Virus gehe, sondern auch um einen Schutz vor den Eltern.
Nur wenige Publikationen machen sich die Mühe, auch mal positive Aspekte der erzwungenen Familienzeit zu suchen. Selbst ein größeres Panorama an Eltern und Haushalten scheint trotz der üppigen Ausstattung der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht gewünscht oder erstrebenswert zu sein. Mindestens in drei Berichten – vermutlich findet man sogar mehr, wenn man die Mediathek durchstöbert – wurden in einer Woche die gleichen Bilder von einer gestressten Alleinerziehenden gezeigt. Es geht eben immer um die gleiche Idee, beziehungsweise Ideologie: Kita ist gut und professionell, Eltern sind gestresst, doof und gefährlich. Wohl dem, der da in ausländische Sender fliehen kann. In der französischen Nachrichtensendung France 2, zu dem man in Deutschland über den Auslandssender TV5 allabendlich um halb neun, also direkt nach Tagesschau und ARD-Extra umschalten kann, erfährt man, wie einfallsreich Familien sein können und wie froh Kinder sind, wenn sie mal Mama und Papa eine „ganz lange Zeit“ für sich haben dürfen.
Viele Medien zeichnen ein verzerrtes Bild der Familie
Auch in Frankreich gibt es soziale und psychologische Probleme mit der Ausgangssperre. Aber dort sind Eltern kein Feindbild wie bei den meisten Journalisten im deutschen öffentlich-rechtlichen System und auch bei vielen Printmedien. Corona und die Schutzfunktion der Familie scheint vor allem die Journalisten zu traumatisieren. Dass hier von den meist kinderlosen Journalisten ein verzerrtes, indoktrinierendes Bild gezeichnet wird, liegt auf der Hand.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe