Telegram ist ein Messengerdienst mit großer Ähnlichkeit zu anderen Diensten dieser Art, wie beispielsweise Whatsapp: Es lassen sich Textnachrichten, Bilder, Videos und animierte Gifs austauschen. Zudem gibt es eine Cloud für Daten – und Anbieter von Informationen können wiederum öffentliche Gruppen erstellen, denen Nutzer frei beitreten können. Die Informationen, die man über Telegram miteinander austauscht, können vom Messengerdienst selbst nicht eingesehen werden, wenn sie Ende-zu-Ende verschlüsselt sind. Doch die App, die auf Smartphones, Tablets, aber auch auf dem Desktop des PC läuft, hat einen schlechten Ruf, da Kritiker Telegram vorwerfen, diese Option gut zu verstecken und ein Interesse daran habe, die Chats mitlesen zu können.
Andererseits schützt Telegram die Identitäten seiner Nutzer vor staatlichen Zugriffen: Was im Falle von Dissidenten in autoritären Staaten gelobt wird, wird im gleichen Atemzug kritisiert, wenn es sich um Kritiker hiesiger Coronapolitik handelt. Denn bei echten oder vermeintlichen Fake-News, die von Telegram-Nutzern verbreitet werden, haben staatliche Stellen keinerlei Einflussmöglichkeiten. Was durchaus gut ist: Ohnehin sollte der Staat inhaltlich bei Messengerdiensten wie Telegram nur eingreifen können, wenn Straftatbestände erfüllt sind – auch unsinnige Meinungen sollten Bestandsrecht haben.
Im Übermut als frisch an die Macht gelangte Innenministerin sprach Nancy Faeser (SPD) hingegen davon, Telegram „abschalten“ zu wollen. In der Tat könnte man Google und Apple dazu bringen, die für das Smartphone benötigte App nicht mehr anzubieten. Ferner könnte man den Dienst für deutsche Netze sperren. Jedoch: Ein Proxy verschafft in Sekundenschnelle wieder Zugang. Zudem kann man sich die App auch anderswo herunterladen und im Notfall funktioniert Telegram sogar über einen ganz gewöhnlichen Browser.
So wird auch eine Innenministerin lernen müssen, dass selbst ihre Machtfülle nicht ausreicht, das Internet ganz oder in Teilen abschalten zu können. Allerdings wissen auch die Betreiber von Telegram, dass eine Zugangssperre zu einem Netz einen erheblichen Wettbewerbsnachteil darstellt und die App schnell unattraktiv machen kann. Also kam man jüngst deutschen Behörden entgegen und sperrte einige ganz besonders krasse Kanäle, in denen mutmaßlich Straftatbestände erfüllt wurden. Eine Ausnahme – denn Telegram sitzt in Dubai und ist für deutsche Behörden eigentlich nicht erreichbar. Das wird als Verstoß gegen das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gewertet.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum - auch nicht für den Staat
Im Paragraf 5 NetzDG werden Anbieter sozialer Netzwerke verpflichtet, einen Ansprechpartner in Deutschland für zu benennen. Dieser ist verpflichtet, binnen 48 Stunden zu antworten. Insofern der Schutz der Dissidenten zwar zu loben ist und der Schutz der freien Meinungsäußerung ein hohes Gut ist, gilt dennoch, dass der Staat bei Straftaten durchgreifen können muss. Die Intransparenz, wo Daten landen und was gegebenenfalls damit angestellt wird, stellt ein zusätzliches Problem dar. Jedoch: Auch wenn das Internet kein rechtsfreier Raum sein darf, gilt ebenfalls, den Staat von allzu drastischen Übergriffen abzuhalten. Die Betreiber von Telegram leisten sich was das anbetrifft ein echtes Katz-und-Maus-Spiel mit staatlichen Stellen. Das zu können ist ein echter Ausdruck von „Medien.Macht“.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.