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Makrina und Gregor von Nyssa: Geniale Paare in der Kirche

Geniale Paare in der Kirche können auch durch Erziehung und Korrektur wirken: Makrina und Gregor von Nyssa.
Fresko von Makrina in der Kathedrale der hl. Sophia
Foto: Wiki | Ausgerechnet in Kiew, der Stadt also, die in diesem Jahr so sehr im Blick der Weltöffentlichkeit steht, findet man ein Fresko, das Makrina zeigt. In der Kathedrale der hl. Sophia.

Alle Schönheit weist über sich hinaus in die Herrlichkeit einer höheren Ordnung. Deshalb wirkt die Begegnung mit einer schönen Seele befreiend und erhebend. In ihrer Gegenwart lösen sich die Schleier des Nichtigen und der Blick auf das Wesentliche wird frei. Wie bei der Verklärung auf dem Berg Tabor tritt die reine Gestalt hervor. Makrina (330-380) war eine schöne Seele. Sie lebte in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten in Pontus am Fluss Iris (Yesilirmak) in Zentralanatolien.

„Makrina war eine geweihte Jungfrau („Virgo consecrata“).
Im Kreis charismatischer Frauen führte sie ein Engelleben,
schrieb ihr Bruder Gregor in seinem Nekrolog“

Das Gebiet der heutigen Türkei war einst von Paulus erfolgreich missioniert worden. So entstand eine christliche Kultur, zu deren bedeutendsten Vertretern Basilius von Caesarea (330-378) und Gregor von Nyssa (335-394) gehören. Makrina war ihre ältere Schwester und nahm ihre Rolle als Erzieherin sehr ernst. Schriften hat sie nicht hinterlassen, aber die Weltliteratur ihrer Brüder ist ohne ihr kritisches Korrektiv und ihre Mitarbeit nicht denkbar.

„Viel Kummer bereitet uns die schwierige Lage der Gegenwart, wo alle Kirchen erschüttert sind und alle Seelen gesiebt werden“, schreibt Basilius. „Die Lüge wird ohne Scheu verkündet, die Wahrheit ganz verdeckt.“ Jesus hatte davon gesprochen, dass der Satan die Kirche wie den Weizen sieben werde (Lukas 22, 31). Damit bekam jede kommende Krise einen endzeitlichen Sinn. Wenn Spreu und Weizen geschieden werden, wird das Substanzielle sichtbar. Wir leben wieder in einer Zeit des Siebens. Doch fällt es der Kirche schwer, diesen Zusammenhang zu formulieren. Ihr fehlt der Blick auf das Wesentliche.

Frauen mit Engelleben

Die schöne Seele aber hat Gott vor Augen. Sie ist das Weizenkorn und die Lilie auf den Feldern. Auf dem Acker der Welt kann sie nicht wachsen. Sie ist die Braut des Hohenliedes, die sich für die Begegnung mit dem himmlischen Bräutigam bereit hält. Makrina war eine geweihte Jungfrau („Virgo consecrata“). Im Kreis charismatischer Frauen führte sie ein Engelleben, schrieb ihr Bruder Gregor in seinem Nekrolog. Als Mädchen erhielt sie eine gründliche Ausbildung. Die Psalmen und das Buch der Weisheit Salomonis bildeten die Grundlage.

Ein Wunder von Schönheit und Wohlgestalt sei sie gewesen und daher heiß begehrt unter den zahlreichen Bewerbern. Es kam zu einer Verlobung. Doch der Bräutigam starb vor der Eheschließung. Makrina sah in diesem Tod ein Zeichen, dass sie ihr Leben Gott weihen sollte. Sie wehrte sich erfolgreich gegen einen weiteren Bewerber. Makrina hatte das Wesentliche im Blick. So wurde sie zur kritischen Begleiterin ihres Bruders Basilius, der später als Bischof von Caesarea den Beinamen „der Große“ erhielt. Groß aber wurde er, weil er die Kritik seiner Schwester annahm.

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Harsche Vorwürfe gegen den Bruder

Sie warf ihm Wissensdünkel und Aufgeblasenheit vor, Verachtung der Autoritäten und Hochmut und gewann ihn für ein bescheidenes tätiges Leben in der Abgeschiedenheit der Pontischen Berge. Gregor wiederum klagte seiner Schwester sein Leid. Er fühle sich ausgelaugt von den zahlreichen Auseinandersetzungen mit der Kirche seiner Zeit. Die schöne Seele schenkt ihm wieder Mut und neue Kraft. Er solle nicht über seine Gegner klagen. Schließlich geben sie ihm die Chance, sich zu bewähren: „Dich schicken und rufen die Kirchen, mit ihnen zu kämpfen und Ordnung zu schaffen. Und du willst die Gnade nicht sehen?“

Für sich selbst und ihre Mutter Emmelia hatte Makrina ein Leben in der Abgeschiedenheit gewählt. Hier ist der Blick auf das Wesentliche schärfer als in den Städten. Der Zeitgeist soll keine Macht über die Seele bekommen. Im Kreis gleichgesinnter Frauen gelten andere Werte als draußen in der Welt. Unbekanntheit gilt als Ruhm, Besitzlosigkeit als Reichtum. So mögen Engel auf Erden wandeln, meint Gregor. Die Frauen sind Grenzgänger zwischen Zeit und Ewigkeit.

Erhebende Gespräche zwischen den Geschwistern

In jene höheren Regionen, wo das Labyrinth des Lebens überschaut werden kann, führt auch das Gespräch mit der Schwester, „als ob meine Seele außerhalb der menschlichen Natur weilte, indem sie durch ihre Worte zugleich hinaufgehoben und unter der Führung ihrer Rede in die heiligen Räume des Himmels versetzt wurde“. Das religiöse Gespräch transzendiert das Leben auf seinen Ursprung hin. Darin besteht seine heilende Wirkung. In der Betrachtung des Lebens unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit liegt die Aufgabe einer christlichen Autobiographie. Das Leben erzählen heißt von den Spuren Gottes Zeugnis abzulegen. „Der Zweck ihrer Erzählung war aber die Danksagung gegen Gott.“

Zu den Schriften Gregors gehört ein Dialog mit Makrina über die Seele und die Auferstehung. Später wird das Sterben der Schwester zu einem Zeugnis für ihre Anschauungen. In seinem Kommentar zum Hohenlied Salomonis hatte Gregor eine Theorie der Unbegrifflichkeit entwickelt. Von Gott könne nicht in der Sprache der Wissenschaft gesprochen werden. Begriffe reichen nicht an das Letzte heran. Gregor wurde zum ersten Theologen, der von der mystischen Nacht spricht. Ihre Sprache ist das Paradox der „blendenden Finsternis“ Gottes. „Siehe, was Sehen heißt: Nicht – sehen!“

Im Sterben auf Jesus zugehen

Makrinas Sterben führt über diese Widersprüche hinaus ins Licht. Auf ihrem Lager ruhend, den Blick nach Osten gewendet, sieht sie Christus auf sich zukommen. „Ihre Freudigkeit aber ließ nicht nach, sondern je näher es dem Ende zuging, um so mehr schien sie die Schönheit des Bräutigams zu schauen und mit um so heftigerem Begehr drängte sie zu dem Ersehnten, indem sie ihre schwach werdende Rede nicht mehr an uns, die Anwesenden richtete, sondern an eben jenen, den sie unverwandt mit den Augen schaute.“

Sie ruft Gott, er möge ihr einen Engel als Wegbegleiter auf ihrem letzten Weg senden. Dann stirbt sie. Bei der Zurüstung des Leichnams wird der einzige Besitz Makrinas entdeckt. Sie trägt ihn an einer Kette am Hals. Es ist ein Kreuz und ein Ring mit einer Kapsel. Man öffnet sie und entdeckt eine winzige Kreuzreliquie, „ein Stück vom Holz des Lebens“. Makrinas Leib wird im Grabe ihrer Eltern beigesetzt. Es befindet sich in der Kapelle von Sebaste, die Emmelia einst zur Ehre der vierzig Märytrer hatte erbauen lassen. Schon zu Lebzeiten der Heiligen Makrina wurde von Wundern berichtet. Sie setzen sich nach ihrem Tod fort. Bei Augenleiden wurde ihr Beistand immer wieder bezeugt.

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Das Wirken der Frauen in der Kirche

Die Augen vieler Menschen sind gehalten. Sie erkennen weder Gott noch die Schönheit ihrer eigenen Seele. Sie sind blind für die Wunder der Schönheit. Licht, Leben und Liebe dringen nicht in den Kerker ihrer Selbstverstrickungen. Sehen und Nichtsehen, Erkennen und Verkennen gehören zur Dramaturgie der Erlösung, von der der großartige Prolog des Johannesevangeliums spricht. Makrina glaubte an das Licht und an das Wunder der geöffneten Augen.

Makrina gehörte zur monastischen Bewegung der Ostkirche. Sie führte ein Leben in Armut und Keuschheit wie die anderen geweihten Jungfrauen ihrer Gemeinschaft. Eine Leitungsaufgabe zu übernehmen, lag ihr fern. Diese lag in den Händen der Vorsteherin Lampadia („die Glänzende“). Sie übernahm die Organisation der Beisetzung. Von ihr heißt es in der Lebensbeschreibung, Lampadia habe in dem Rang einer Diakonin gestanden. Nähere Angaben über dieses Frauendiakonat enthält der Bericht nicht. In unserer Zeit wird gelegentlich die Weihe von Frauen gefordert. Dabei beruft man sich auf Nachrichten aus der frühen Kirchengeschichte. Der Blick in die Quellen zeigt die große Bedeutung, die Frauen wie Makrina in der Kirche hatten. Sie wirkten aus dem Hintergrund.

Segensreich: Geweihte Jungfrauen

Unsere Zeit möchte sie in den Vordergrund gestellt sehen. Makrina wäre dieses Anliegen fremd gewesen. Die geweihte Jungfrau wollte in der Abgeschiedenheit leben, weil dort die Fülle des Lebens war. Papst Paul VI. stellte den Ritus der Jungfrauenweihe wieder her. Die Virgines consecratae haben heute eine eigene Internetpräsenz.

Zu ihren bekannten Vertreterinnen gehörte die Konvertitin Barbara Albrecht, Schwester des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und Tante der derzeitigen Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen.

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