Künstliche Intelligenz

Regensburg Center of Artificial Intelligence: KI zum Lösen von Problemen verwenden

Das Regensburg Center of Artificial Intelligence wird zu einem zentralen Standort für Künstliche Intelligenz ausgebaut Von Alexander Riebel
Professor Wolfgang Maurerer lehrt Theoretische Informatik am Regensburg Center of Artificial Intelligence (RCAI)
Foto: OTH Regensburg | Die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz in der Forschung im Blick behalten: Professor Wolfgang Maurerer lehrt Theoretische Informatik am Regensburg Center of Artificial Intelligence (RCAI).

Herr Professor Maurerer, das Neue Regensburg Center of Artificial Intelligence (RCAI) der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) erweitert sein Innovationspotenzial zur Künstlichen Intelligenz. Wie würden Sie Künstliche Intelligenz definieren?

Es gibt viele Aspekte von den weitreichenden Science-Fiction-artigen Sichtweisen bis hin zur reinen Datenverarbeitung. Die Definition, die mir am besten gefällt, ist das intelligente und maschinelle Ziehen von Schlüsseln aus Daten mithilfe von Algorithmen im Computer.

Die modernen Menschheitsträume oder auch -befürchtungen beziehen sich auf die Künstliche Intelligenz, deren Ziel die „Verbesserung“ der Natur, auch der menschlichen sein kann. Welches Menschen- oder Technikbild haben Sie als Forscher, welcher Zweck Ihrer Forschung schwebt Ihnen vor?

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Ich denke, dass sowohl die Hoffnungen wie auch die Befürchtungen, die man mit KI in Verbindung setzt, im populären Diskurs deutlich überbewertet werden. Wir wissen natürlich, dass die Künstliche Intelligenz sehr viele Chancen bietet. Letztlich ist ja ein großer Teil des gesellschaftlichen Fortschritts der letzten 50 Jahre im Großen und Ganzen der Mathematik, Statistik und damit den Disziplinen zuzuordnen, die unter der Künstlichen Intelligenz subsumiert werden. Zum anderen ist es so, dass wir zumindest am RCAI unsere Forschung natürlich darauf abzielen, die menschlichen Lebensbedingungen zu verbessern. Die Forschung kann Selbstzweck sein, das ist definitiv möglich. Aber wir wollen sie konkret zum Lösen von Problemen verwenden, die letztendlich für Menschen das Leben lebenswerter machen. Deshalb haben wir ganz bewusst den nicht-technischen Disziplinen, wie den Sozialwissenschaften, den Politikwissenschaften und dergleichen einen sehr großen Raum eingeräumt, um so besonders die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz im Blick zu behalten und die Technik so einzusetzen. Das mag durchaus ein differenzierender Faktor für Europa gegenüber anderen Kontinenten, Amerika, und anderen Ländern, wie beispielsweise China, sein, wo natürlich immer die Gefahr besteht, dass man die kommerzielle Ausnutzung von Daten über den Nutzen stellt, der letztlich den Endverbrauchern zugute kommen soll.

Ihre Forschungseinrichtung hat kürzlich hundert neue Professuren an verschiedenen Standorten bekommen. Das Studienangebot ist demnach sehr breit gefächert. Das ist bestimmt auch stark auf regionale Bedürfnisse ausgerichtet, anders als große Technologieunternehmen wie im Silicon Valley?

Genau, wir interagieren sehr eng mit der regionalen Wirtschaft. Wir haben, wie Sie auf der Homepage einsehen können, einen sehr großen industriellen Beirat mit momentan 14 Mitgliedern durch die vielen großen Player aus dem Raum Regensburg sowie kleineren Unternehmen, die auch hoch innovativ und wichtig für die Region sind. Wir lassen uns da von den entsprechenden Experten, die die Firmen uns in den Beirat entsenden, bei der Ausrichtung unserer Arbeit beraten, um eben den konkreten Nutzen für die Gesellschaft zu erzeugen.

Auf Ihrer Homepage sieht die Realität des Studiums dann auch ganz anders aus, als man es sich von außen vorstellen könnte. Da ist vom digitalen Bauen die Rede, von Elektroakkustik, Digitalisierung oder von Microelektronik. Forschen Sie gemäß den Bedürfnissen der Wirtschaft?

Ja, wobei man hier unterscheiden muss zwischen den Anwendungsdisziplinen und der „Grundausbildung“, die wir in unserem Informatik-Studiengang betreiben. Der Studiengang „KI und Data-Science“ ist nicht die einzige Möglichkeit, wie man mit der KI an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Kontakt treten kann. Sondern die einzelnen Fakultäten, sei es der Maschinenbau, sei es die Elektrotechnik, bieten ja alle Vorlesungen mit spezifischem Anwendungsbezug an. Das digitale Bauen ist ein sehr gutes Beispiel, das wir in unserer Fakultät der Informatik natürlich nicht spezifisch vorwärtstreiben, das machen die Bauingenieure. Aber wir haben gerade über die Regensburger School of Digital Sciences, die seit einiger Zeit aufgebaut wird, auch die Möglichkeit, fakultätsübergreifend Veranstaltungen anzubieten und die Kollegen insbesondere aus der Mathematik sind natürlich auch viel in den anderen Fakultäten tätig, um die Grundlagenveranstaltungen für die Künstliche Intelligenz durchzuführen. Dazu gehört ja eine Menge an Mathematik-, Statistik- und Programmierkenntnissen dazu, um überhaupt zu den Anwendungen zu gelangen.

Manche Probleme der Künstlichen Intelligenz sind aber sicher nur theoretisch vermittelbar ...

Ja, ich selbst lehre Theoretische Informatik. Da wird man auf den ersten Blick keinen Zusammenhang zur KI vermuten. In der Realität ist das aber ganz anders, weil es in der Informatik ähnlich wie in den Naturwissenschaften auch fundamentale Grenzen gibt, die nicht überschritten werden können. Es weiß jeder, dass es physikalisch zum Beispiel unmöglich ist, irgendein Objekt auf höhere Geschwindigkeit als Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen. Das wissen wir seit dem 20. Jahrhundert durch die Erkenntnisse von Einstein. Solche Erkenntnisse gibt es genauso auch in der Informatik, unter anderem und insbesondere, dass es bestimmte Probleme gibt, die prinzipiell nicht gelöst werden können, unabhängig von der verfügbaren Rechenzeit, unabhängig von der Genialität des verwendeten Algorithmus. Gerade in der KI treten solche Probleme stellenweise genau auf, wie die Forschung der letzten Jahre gezeigt hat. Man kann also sagen, es gibt gewisse Lernprobleme, von denen man beweisen kann, dass es nicht möglich ist, diese durch eine Maschine zu lösen. Das ist natürlich das, was vermittelt werden muss unter anderem mit den mathematischen Techniken, unabhängig vom Anwendungskontext.

Durch den Anwendungskontext wird die Künstliche Intelligenz auch stärker zu einem Teil der Lebenswelt ...

Ich würde nicht sagen, dass die KI ihren Weg in die Lebenswelt findet, sondern sie ist letztendlich schon tief darin verankert. Jeder benutzt Mikroprozessoren. Da hat jeder wahrscheinlich, ohne sich darüber bewusst zu sein, mindestens 50 Stück im Haus. Vom Toaster über die Armbanduhr bis möglicherweise smarten Gebäudesteuerungen. Zur Vorhersage bestimmter Optimierungsmechanismen verwenden diese Prozessoren Methoden der KI, in dem Fall in Form sogenannter neuronalen Netze. Andere Geräte, wie beispielsweise Smart Watches, nutzen im Kernbereich ebenfalls Verfahren der Künstlichen Intelligenz. Aus meiner Sicht muss sich Künstliche Intelligenz nicht mehr in der Gesellschaft etablieren, sie ist bereits etabliert. Und es wird auch noch deutlich mehr werden. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen.

Was verlangen Sie von den Studenten, die an Ihren Fachbereich kommen?

Was wir von den Studenten verlangen und was ein Teil des Kurrikulums ist, ist ein sogenanntes Praxissemester, das im fünften oder sechsten Semester stattfindet, wo an konkreten Projekten gearbeitet und konkrete Erfahrung in der realen Welt gesammelt wird. Das unterscheidet uns wesentlich vom Angebot der Universitäten, wo so etwas nicht etabliert ist.

Wie sind die Forschungsprojekte mit dem Studium verbunden? Schnuppert man da ein Semester rein, und wie spezialisiert man sich schließlich auf den Abschluss?

Wir bieten die verschiedensten Möglichkeiten an. Es gibt einmal die klassischen Abschlussarbeiten des Bachelors und Masters. Da ist es häufig so, dass die Studenten schon früh in ein Thema eingebunden werden, wenn sie sich dafür interessieren. Es gibt an der OTH Regensburg immer mehr Forschungsprojekte, bei denen es möglich ist, dass man im Rahmen eines Promotionsstudiums an Projekten arbeitet. Und das Optimum aus der Sicht der Forschung ist, dass wir gerade die ersten PostDoc-Strukturen aufbauen. Und wir haben für Zwischenabschlussarbeiten und Promotionsarbeiten ein großes Spektrum an Beteiligungsmöglichkeiten. Zum einen ist auch viel Projektarbeit im Studium in Forschungsteams möglich. Da kann man sich immer Arbeiten auswählen, die dann unter Anleitung der Doktoranden erledigt werden können, so dass man schon mal ein bisschen in ein Gebiet reinschnuppern kann, wenn man es gar nicht kennt. Besonders interessant ist das Format des Research-Masters. Das ist eine spezielle Form des Masterstudiums, das über drei, vier Semester geht, bei der nur wenige Vorlesungen gehört werden müssen, wo Studentinnen und Studenten dann aber die Möglichkeit haben, explizit an Forschungsprojekten mitzuarbeiten oder eigene Themen voranzutreiben und da kreativ und aktiv tätig zu werden. Und es entstehen oft sehr gute Veröffentlichungen und wissenschaftliche Papers, die man normalerweise erst in einem Promotionsstudium erwarten würde.

Die Automatisierung von Autos ist bisher an ethischen und Versicherungs-Fragen gescheitert; sind solche Ethik- und Recht-Themen bei Ihnen im Lehrplan?

Die sind in allen Fakultäten auf gewisse Weise verankert. Wir haben zum Beispiel eine eigene Vorlesung zu rechtlichen Aspekten zu genau diesen Themen, die von einer externen Lehrbeauftragten, einer erfahrenen Anwältin geleitet wird, die diese Themen an bestimmten Beispielen demonstrieren kann. Außerdem haben wir mit dem Institut für Technikfolgenabschätzung eine eigene für genau diese Fragestellungen, das sehr gut eingebunden ist. Aber auch in den anderen Fakultäten werden entsprechende Vorlesungen zu diesen Themen angeboten.

Wie ist Ihre Prognose zum „maschinellen Lernen“ – wird Künstliche Intelligenz einmal völlig eigenständig agieren?

Das ist eine sehr gute Frage, die ich nicht definitiv beantworten kann und nicht möchte, weil es da auf so viele Aspekte ankommt, etwa wie eigenständiges Handeln zu definieren ist. Das kann letztendlich so interpretiert werden, dass jede selbstoptimierende Steuerungsanlage dies bereits erfüllt. Und generell beschäftigt die Frage, ob Maschinen denken können, die Informatik und die Philosophie schon sehr lange. Sie besitzt so viele Facetten, dass selbst ich mir als Fachwissenschaftler keine definitive Antwort zutrauen möchte. Was ich auf jeden Fall sagen kann, ist, dass wir noch viel Interessantes erleben werden.

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