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„Erlöse uns von dem Bösen“ Kritik: Teufelsaustreibung in New York

„Erlöse uns von dem Bösen“: Kinofilm mit wahrem Hintergrund, der auf Charaktere setzt, nicht so sehr auf Schockeffekte. Von José García
Erlöse uns von dem Bösen
Foto: Sony | Als in der New Yorker Bronx einige unerklärliche Phänomene geschehen, steht der erfahrene Polizist Ralph Sarchie (Eric Bana, rechts) vor einem Rätsel. Erklärungshilfe erhält er vom Jesuitenpater Mendoza (Edgar Ramirez).

Dem menschlichen Bösen begegnet der New Yorker Polizist Ralph Sarchie (Eric Bana) tagtäglich. Dazu zählt etwa ein in einer Sackgasse der Bronx aufgefundenes totes Baby. Nachdem Sarchie und sein Partner Butler (Joel McHale) einen ehemaligen Soldaten festgenommen haben, der seine Frau verprügelte und mit übersinnlichen Kräften ausgestattet zu sein scheint, werden sie in den Zoo gerufen. Eine verstört wirkende Frau hat ihr zweijähriges Kind unvermittelt in den Löwengraben geworfen. Als Sarchie das Kind aus der Löwengrube herauszuholen versucht, begegnet er einem mit den Löwen offenbar sprechenden, maskierten Anstreicher, während „Break On Through“ (To the Other Side) von „The Doors“ zu hören ist. Bald darauf müssen die zwei Bronxer Polizisten das Geheimnis eines spukenden Hauses lüften: Im Keller liegt eine Leiche voller Fliegen. Sarchie und Butler entdecken die Gemeinsamkeit dieser drei mysteriösen Fälle: In sie verwickelt sind drei Marines, die im Jahr 2010 im Irak eine grausige Entdeckung in einem unterirdischen Höhlensystem machten – was der Zuschauer als Prolog zu Scott Derricksons Spielfilm „Erlöse uns von dem Bösen“ (Deliver Us from Evil) erlebt hat.

„Es gibt zwei Arten des Bösen: das relative Böse (secondary evil), das die Menschen tun. Und das absolute Böse (primary evil), das etwas ganz anderes ist.“

Obwohl die Polizisten einen gewissen Zusammenhang erkennen, können sie ihn erst einordnen, als sich Jesuitenpater Mendoza (Edgar Ramirez) an Sarchie wendet und ihm den eingangs erwähnten Unterschied zwischen relativem und absolutem Bösen erklärt. Der Exorzismus-Spezialist Mendoza kennt aus eigener Anschauung dieses „wahre Böse“, das für menschliche Maßstäbe unerklärlich ist. Der Geistliche kann beispielsweise auch ein immer wiederkehrendes Bild entziffern, das aus einer lateinischen Beschwörungsformel („invocamus ut...“) und persischen Piktogrammen besteht. Es handelt sich um eine Art „Tor“ als Zugang des Bösen in die irdische Welt.

Eine von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte

Nach anfänglicher Skepsis lässt sich der längst nicht mehr praktizierende Katholik Ralph Sarchie von Mendoza überzeugen, auch weil im Zuge dieser Ermittlungen seine von ihm vernachlässigte Ehefrau Jen (Olivia Munn) und Tochter Christiana (Lulu Wilson) immer mehr in Gefahr geraten. Das Drehbuch von Regisseur Scott Derrickson und seinem Mit-Autor Paul Harris Boardman basiert auf dem 2001 erschienenen, von Sarchie zusammen mit Lisa Collier Cool verfassten Memoirenbuch „Beware the Night“, in dem der New Yorker Polizist die menschlich unerklärlichen Fälle zusammenfasste, die ihm in seinem bis dahin 16-jährigen Polizeidienst beim NYPD (New York Police Department) begegneten, einschließlich der Exorzismen, denen er beiwohnte. Sarchie quittierte seinen Dienst drei Jahre später. Seit 2004 widmete er sich hauptberuflich der Untersuchung von Fällen mit dämonischem Hintergrund. Deshalb erhebt „Erlöse uns von dem Bösen“ den Anspruch, eine von wahren Begebenheiten inspirierte Geschichte zu erzählen.

Bleiben die Absichten der dämonischen Kräfte im Dunkeln, so konzentriert sich Regisseur Derrickson auf die Charaktere der zwei Protagonisten, die er sorgfältig zeichnet. Eric Bana gestaltet Sergeant Ralph Sarchie als zupackenden Polizist mit einer besonderen Antenne für das Böse. Zu Sarchies Entfremdung vom Glauben führte insbesondere ein Schlüsselerlebnis, das sich zunächst unterschwellig, nach und nach ausdrücklicher durch den Film zieht. Edgar Ramírez gestaltet Pater Mendoza als auf den ersten Blick eigenwilligen Priester mit Bart und langer Mähne, der darüber hinaus dem Alkohol nicht abgeneigt zu sein scheint. Sobald es aber in der eigentlichen Handlung ernst wird, hält er sich genau an die kirchlichen Vorschriften. Darüber hinaus zeugen einige Dialoge von Mendozas Schlagfertigkeit, so etwa als er Sarchie auf seine Distanz zum Glauben mit der Frage antwortet: „Sind sie aus Gott herausgewachsen?“

Die düstere Atmosphäre von „Erlöse uns von dem Bösen“ 

Scott Derrickson inszeniert „Erlöse uns von dem Bösen“ meistens in der Nacht, häufig auch unter Regen, woraus eine betont düstere Atmosphäre entsteht. Er bedient ebenfalls die Klischees des Horrorgenres, etwa in den sehr nahen Bildausschnitten oder mit einigen visuellen Schockeffekten, die meistens aus dem Nichts kommen und von ebenfalls genretypischen Toneffekten unterstützt werden. Dennoch übertreibt der Regisseur mit solchen Effekten nicht. Er setzt vielmehr auf die spannende Handlung und auf die Charaktere. Regisseur Scott Derrickson und sein Mit-Drehbuchautor Paul Harris Boardman hatten bereits in „Der Exorzismus der Emily Rose“ (DT vom 22.11.2005) eine Teufelsaustreibung in Szene gesetzt. Damals bewiesen sie ihre Nähe zur kirchlichen Lehre in Exorzismus-Fragen. Auch in „Erlöse und von dem Bösen“ sprechen einige Anzeichen dafür, so etwa als Pater Mendoza feststellt, für die meisten Fälle, in denen eine Besessenheit angenommen würde, gebe es eine andere Erklärung, aber bei „fünfzehn bis zwanzig Prozent“ treffe es wirklich zu.

Das peinlich genaue Befolgen des römischen Rituale beim Exorzismus einschließlich der vorhergehenden Beichte des daran mitwirkenden Sergeant Ralph Sarchie sprechen ebenfalls dafür, dass Scott Derrickson und Paul Harris Boardman keinen Platz für Mehrdeutigkeiten in Fragen der Existenz des übernatürlichen Bösen zulassen. Die Filmemacher nehmen die Unterscheidung zwischen dem relativen und dem absoluten Bösen zweifelsohne ernst.

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