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ZDF-Reportage „37°: Die letzten guten Tage – Wie Palliativärzte helfen“

Die ZDF-Reportage „37?: Die letzten guten Tage – Wie Palliativärzte helfen“ zeigt, wie das Lebensende menschenwürdig ist.
Palliativbetreuung
Foto: ZDF / Reiner Bauer | Palliativärztin Dr. Sabine Drengenberg bei der Betreuung eines Patienten zu Hause. Vier Mal in der Woche ist sie in verschiedenen Dörfern und Orten in Schleswig-Holstein zu Hausbesuchen unterwegs.

Jeder will würdevoll sterben. Aber: Wie schafft man diese Würde, oder wie gibt man sie zurück?“ Der Satz, den der 40-jährige Philipp von Trott, Oberarzt für interdisziplinäre Onkologie und Palliativmedizin am Berliner Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, im Film „37°: Die letzten guten Tage – Wie Palliativärzte helfen“ spricht, steht im Mittelpunkt der knapp halbstündigen Reportage von Carolina Haertel und Mirjana Momirovic, die das ZDF am 26. Oktober ausstrahlt.

Der Film begleitet zwei Ärzte in zwei grundverschiedenen Situationen: Arbeitet von Trott in einer Krankenhausstation, so besucht die 61-jährige Sabine Drengenberg ihre Patienten zu Hause. Sie hat ihre Praxis in Hanerau-Hademarschen, fährt aber vier Mal in der Woche in die verschiedenen Dörfer und Orte in Schleswig-Holstein zu Hausbesuchen.

Theoretisch hat jeder Anspruch aus palliative Betreuung

Hat die Zahl der stationären Einrichtungen in den letzten 25 Jahren deutlich zugenommen – von 28 Palliativstationen und -einheiten 1996 auf etwa 340 Palliativstationen und -einheiten heute –, so übernehmen die Krankenkassen seit 2007 die Kosten der „spezialisierten ambulanten Palliativversorgung“ (SAPV). In der Theorie hat jeder einen Anspruch darauf, es fehlen jedoch Palliativärzte auf dem Land.

Mit dem riesigen Fortschritt der Medizin in den letzten Jahren sei das Sterben aus dem Fokus der Medizin gerückt, bedauert Philipp von Trott: „das sehe ich als Gefahr“. Hoffnung könne er unheilbaren Kranken nicht machen: „Es sind schwere Schicksale, die einen betroffen machen.“ Allerdings könne in den letzten Tagen doch Lebensqualität zurückgegeben werden: „Die meiste Zeit habe ich das Gefühl, dass ich helfen kann.“ Der Film zeigt sowohl Philipp von Trott als auch Sabine Drengenberg zusammen mit ihren Patienten. So besucht die Palliativärztin einen 70-Jährigen, der sich sehr froh darüber äußert, die letzte Zeit bei sich zu Hause verbringen zu dürfen. Ähnlich ergeht es der 85-Jährigen, die liebevoll von ihrer Tochter zu Hause gepflegt wird.

„Würde die Palliativmedizin alle terminalen Patienten und nicht nur deren Hälfte betreuen,
würde so gut wie niemand nach der aktiven Sterbehilfe verlangen“

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Denn für Sabine Drengenberg ist es am wichtigsten, dass der Patient nicht alleine ist. Die Schmerzen und vor allem die Angst vor dem Sterben zu nehmen, ist eine der Hauptaufgaben der Palliativärzte: „Das Sterben tut nicht weh“ – weiß Philipp von Trott aus seiner Erfahrung zu berichten. „Manche haben keine Angst vor dem Sterben, sondern davor, wie der Weg dorthin sein wird.“ Der Film weiß auch zwischen der „palliativen Sedierung“ und der aktiven Sterbehilfe zu unterscheiden – die Palliativmedizin als die menschenwürdige Antwort auf den assistierten Suizid oder die aktive Sterbehilfe.

So sprach sich im vergangenen März im französischen Parlament Olivier Véran, Frankreichs Gesundheitsminister, gegen den Entwurf eines Euthanasiegesetzes. Für die französische Regierung besteht die eigentliche Priorität darin, die Palliativmedizin zu stärken. „Würde die Palliativmedizin alle terminalen Patienten und nicht nur deren Hälfte betreuen, würde so gut wie niemand nach der aktiven Sterbehilfe verlangen“, so die ärztliche Direktorin des Krankenhauses Victoria Eugenia im spanischen Sevilla.

Palliative Betreuung senkt den Lebensüberdruss

In Deutschland haben bis 2020 insgesamt 13 848 Mediziner die Zusatzausbildung Palliativmedizin absolviert. Es gibt hierzulande rund 1 500 ambulante Hospizdienste, etwa 250 stationäre Hospize für Erwachsene sowie 18 stationäre Hospize für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, etwa 340 Palliativstationen in Krankenhäusern, vier davon für Kinder- und Jugendliche. Dazu kommen mehr als 120 000 Menschen, die sich bei der Arbeit für schwerstkranke und sterbende Menschen ehrenamtlich engagieren.

Für den französischen Gesundheitsminister ist besonders wichtig, eine „Kultur der Antizipation dieses Lebensabschnitts“ zu schaffen als „Grundlage für eine bessere Versorgung“. Was diese Versorgung leisten kann, das zeigt eindrucksvoll der ZDF-Film „37°: Die letzten guten Tage – Wie Palliativärzte helfen“.


„37°: Die letzten guten Tage – Wie Palliativärzte helfen“.
Ein Film von Carolina Haertel und Mirjana Momirovic.
28 Min. Dienstag, den 26. Oktober, 22.15 Uhr, ZDF

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