Kanonisierte Bonmots aus allen Bereichen des kulturellen Lebens weisen eine Gemeinsamkeit auf: Man kennt die entsprechenden Sentenzen in aller Regel lange, bevor man sie in den originalen Zusammenhängen nachliest. Bei Goethe verhält sich das nicht anders als bei Marx und Böckenförde. Oft entfaltet der betreffende Spruch Eigendynamik. Der Verfasser ist nach der Veröffentlichung häufig nicht mehr in der Lage, die Rezeption zu steuern.
Schwankende Fundamente des Gemeinwesens
Vor fünfzig Jahren veröffentlichte der Verfassungsjurist und ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde seine später kanonisierte Lehre von den Voraussetzungen des freiheitlichen Rechtsstaates. Von Felix Dirsch