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Rezension zu Matthias Matusseks neuem Buch „White Rabbit“

Matthias Matussek kämpft mit G. K. Chesterton für den gesunden Menschenverstand. Von Stefan Meetschen
Rezension zu Matthias Matusseks neuem Buch „White Rabbit“
Foto: Badde | Katholischsein ist eine Veranlagung: Matthias Matussek in Rom.

In seinem aktuellem Buch „White Rabbit oder der Abschied vom gesunden Menschenverstand“ geht es Matussek nicht nur um eine persönliche Form der Aufarbeitung. Alles, was sich in den vergangenen drei Jahren zugetragen hat, scheint irgendwie miteinander verknüpft zu sein: Merkels missratenes Flüchtlingsmanagement, islamistischer Terror, Matusseks Rauswurf bei Springer, Brexit, ein wachsendes Kulturkampf-Klima zwischen Links (gut) und Rechts (böse) und die Einschränkung der Denk- und Meinungsfreiheit in den Medien, inklusive den sozialen.

„Und wenn wir uns heute nicht so in die Tasche lügen würden mit all dem Fake-News-Gequatsche und der moralisch überhöhten Schiedsrichterei, die immer nur die herrschende Lesart gelten lässt und jede Dissidentenabweichung als verwerfliche Entgleisung an den Pranger stellt, würden wir es trotz Ethik-Seminaren und Schwüren zur Objektivität auch zugeben.“

Jemand mit viel Wut im Bauch

Man spürt: da schreibt jemand mit viel Wut im Bauch, mit Leidenschaft, Nostalgie und Erfahrung im Herzen, und jeder Menge Fakten, Bildungswissen und Zitaten im Kopf – was für die Qualität des Buches keineswegs abträglich ist.

Besonders ein Mann wird häufig und gern zitiert: der britische Konvertit, Journalist und Schriftsteller Gilbert K. Chesterton, den Matussek korrekterweise nicht nur als spirituell-intellektuellen Seelenverwandten geortet hat. Er empfiehlt den „Fat Man“ auch als Kompass für Kirche, Medien und Gesellschaft:

„Und da unsere Kirche keine Verteidiger dieses Formats und dieser Popularität mehr hervorbringt, bleibt uns nichts anderes übrig, als Chesterton, diesen merkwürdigen Fast-Heiligen, wieder und wieder zu lesen, um an seiner Seite in unserer gottvergessenen Moderne den Glauben, die Kirche und ihre Tradition zu verteidigen.“

Dass Matussek als anhaltend bekennender Abenteurer („Ich hoffe auf eine Rekatholisierung der Gesellschaft“) hier und da ein paar liebenswürdige Seitenhiebe gegen solche Vertreter der Kirche austeilt, die sie vermutlich gern zu einer Art Jesus-NGO transformieren würden, ist für kritische Katholiken sicher ein besonderer Lesegenuss.

Nur gegenüber Papst Franziskus („Ein Volk ohne Wurzeln ist ein krankes Volk. Ohne Wurzeln kann man nicht leben.“) schreibt Matussek mit angezogener, barmherziger Handbremse. Vielleicht, weil er als vorbildlich transparenter Haschisch- und Marihuana-Konsument (natürlich nur aus medizinischen Gründen) um die Schwächen großer Persönlichkeiten weiß.

Matussek und die Achse Bösen

Und wie hält es Matussek mit der Achse des Bösen in Deutschland, mit AfD, Pegida und den Identitären? Mit den „neu erwachenden nationalen Strömungen“ in anderen Ländern Europas? Als patriotischer Weltbürger und Katholik lässt Matussek keinen Zweifel daran, was ihn früh und nachhaltig geprägt hat: die Vielfalt Europas, der Reichtum der kulturellen Unterschiede und die Pflicht der Deutschen zur Demut, nach all den ideologischen Verirrungen.

„Es war das Nachkriegseuropa, und es war eines, das nach meinen Eindrücken uns Deutschen, uns zutiefst Schuldigen, erstaunliche Sympathie entgegenbrachte. Muss man das unbedingt aus der Hand geben für paneuropäische Visionäre, die mit schwerem Verordnungsgeschütz alle Widerstände aus dem Weg räumen und aus Europa einen Kontinent der Gleichen machen wollen unter Führung der Deutschen?“

Denn: „Wie alle Gebilde, die nicht organisch wachsen, sondern künstlich von entkoppelten Eliten geschaffen werden, wird auch dieser Masterplan, diese merkwürdige Empfehlung zur europäischen Ortlosigkeit, zerfallen wie einst das multiethnische Kaiserreich der Habsburger.“

„Sie wollen bewahren statt zerstören.“

Die „neu erwachenden nationalen Strömungen von heute, die sich so merkwürdig unbrauchbar und quer zur Globalisierung legen“, empfindet Matussek demnach „in ihrem Wesen defensiv“. Es seien „Verteidigungswälle“. Und: „Sie wollen bewahren statt zerstören.“

Eine Haltung, über die man sicher diskutieren könnte, wenn man den Dialog mit Andersdenkenden (Matussek) und Anders-Argumentierenden (Matussek) wirklich zulässt. Woran der vom Jugend-Marxismus geheilte Star-Journalist so seine Zweifel hat. In Deutschland habe es nie ein Debattier-Kultur wie in Großbritannien gegeben. Das fehle heute. Wiedermal.

Den Vorwurf, selbst nicht offen für Gespräche zu sein, kann man Matussek nicht machen. In diversen Talk-Shows ist er aufgetreten und auch den direkten Kontakt mit Vertretern der SPD oder eben der identitären Szene scheut er nicht. Dass er die Identitären als „neue APO“ einordnet, lässt sich wohl als gezielte Provokation des Establishments, des hedonistisch glatten „Angestelltenjournalismus“, verstehen. Ist der Ruf erst ruiniert, schreibt es sich ganz wahr und ungeniert.

Oder wird Matussek, der in seinem Roman „Die Apokalypse nach Richard“ den Papst-Rücktritt voraussah, auch diesmal Recht behalten?

„Man wird erkennen, der ordnungsstürzenden und verwahrlosenden Utopien und der heimatlosen Bevormundung durch die Eliten müde geworden, wie fadenscheinig der linke Theorie-Tinneff war, der sich tatsächlich in einem langen Marsch durch die Institutionen gefressen hat, bis er im Kopf einer Bundeskanzlerin Angela Merkel landete, die damit zum Putsch von oben ansetzte, um die Nation im Säurebad der Europa-Elite und Kosmopoliten aufzulösen. Bis sie gebremst wurde durch das Volk.“

„White Rabbit“ ist eine spannende Reportage über die Konfliktlinien der Gegenwart

„White Rabbit“ ist eine sehr spannend zu lesende 300-Seiten-Reportage über die politischen und kulturellen Konfliktlinien der Gegenwart in Deutschland und Europa. Stilistisch brillant, geistreich beobachtet, feinsinnig bis brutal humorvoll.

Wem „Heimatlos“ von Ulrich Greiner und „Bürgerlich, christlich, sucht ...“ von Klaus Kelle gefallen hat, findet nun bei Matthias Matussek weitere hochprozentige Willkommens-Trümmerliteratur, die sich um den Verlust der bürgerlichen Mitte und der demokratischen Integrität sorgt.

Doch keine Angst. Am Ende, in der fulminanten Schlussbemerkung, überwiegt die Hoffnung und der Glaube an den gesunden Menschenverstand: Er werde „sich durchsetzen auf Dauer, auch gegen die Regierenden und ihre journalistischen Flakhelfer“. Chesterton dürfte zufrieden sein.

Video: Matthias Matussek über sein neues Buch „White Rabbit“

Matthias Matussek: White Rabbit oder der Abschied vom gesunden Menschenverstand. FinanzBuch Verlag 2018, 318 Seiten, ISBN 978-395972-080-9, EUR 22,99

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