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Pro et Contra: DBK-Projekt: „Gott im Abseits“:

Auch in der Kirche darf freundlich diskutiert werden. Die Gläubigen müssen nicht alle, wenn es um die vorletzten Dinge geht, einer Meinung sein. Die Geschmäcker und Prioritäten sind verschieden. Aus diesem Grund lassen wir hier zwei katholische Journalisten zu Wort kommen, die das aktuelle Medienprojekt der Deutschen Bischofskonferenz, „Gott im Abseits“, unterschiedlich interpretieren und bewerten.
Sr. Karin gibt in „Gott im Abseits“ ein Beispiel.
Foto: DBK | Für die Menschen da sein: Sr. Karin gibt in „Gott im Abseits“ ein Beispiel.

Auch in der Kirche darf freundlich diskutiert werden. Die Gläubigen müssen nicht alle, wenn es um die vorletzten Dinge geht, einer Meinung sein. Die Geschmäcker und Prioritäten sind verschieden. Aus diesem Grund lassen wir hier zwei katholische Journalisten zu Wort kommen, die das aktuelle Medienprojekt der Deutschen Bischofskonferenz, „Gott im Abseits“, unterschiedlich interpretieren und bewerten. Worum geht es bei dem Projekt? Grob gesagt: Um die Begegnung eines Gläubigen mit einem ungläubigen Menschen. Ein Konzept, das schon bei dem Vorgängerprojekt „Valerie und der Priester“ viele Zuschauer anzog. Bei „Gott im Abseits“ wird bis Mitte November Schwester Karin Knötig, die dem Orden der Missionsärztlichen Schwestern angehört und sich in Frankfurt um Obdachlose und Flüchtlinge kümmert, gegenüber dem Kölner Reporter Timm Giesbers, den man als kirchenfern bezeichnen kann, Auskunft über ihre Arbeit geben. Sie wird diese Arbeit vorstellen und dabei auch ihre Motivation erläutern: ihren Glauben, der sie bewegt. DT
 

Pro: Man nennt es Mission

Lerneffekt auf Leser und Zuschauer möglich
Von Monika Metternich

Ich gebe zu, ich war vor einem Jahr sehr skeptisch beim Format „Valerie und der Priester“. Eine nichtgläubige, junge Journalistin, Valerie, begleitete ein ganzes Jahr lang einen jungen Priester, Franziskus. Ob zur Messe, Krankenbesuchen, Messdienerveranstaltungen, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und sogar zum Weltjugendtag in Krakau, löcherte sie ihn daneben mit Fragen, wie das denn sei mit dem Frauenpriestertum und dem Zölibat und warum die katholische Kirche so vorgestrig sei, sowie mit sämtlichen Vorurteilen von Leuten, die wenig bis nichts mit Kirche und Glauben am Hütchen haben. „Das kann nur ein Fiasko werden“, war mein erster Eindruck.

Dass dies mitnichten eintraf, ist vor allem „dem Priester“, Kaplan Franziskus von Boeselager, zu verdanken, der mit Geduld, Nachdenklichkeit und großer Offenheit neben seinen aufreibenden Pflichten jede Frage Valeries beantwortete – manche besser, manche etwas wackelig, immer aber authentisch. Die Rezeption im Internet war verblüffend. Das Format ging „durch die Decke“. Gerade in der Altersgruppe der zwischen 18- und 35-Jährigen, die kirchlich als besonders schwierig ansprechbar gelten, blieben während eines ganzen Jahres wöchentlich(!) zwischen 200 000 und einer Million Leser und Zuschauer am Schirm. Valeries Fragen an Franziskus spornten sie an, auch ihre eigenen Fragen zu stellen – und sie erhielten Antworten darauf in kleinen Videoclips.

Wer gedacht hatte (wie ich), dass ein ganzes Jahr den Spannungsbogen weit überdehnen würde, wurde eines Besseren belehrt: Sogar weit über das Ende von „Valerie und der Priester“ hinaus wurden Bitten laut, das Format fortzusetzen, auch andere katholische Fragen zu besprechen – und einfach „dranzubleiben“. Um das Phänomen noch einmal zusammenzufassen: Ein ganzes Jahr lang konnte ein Priester kirchlich sonst schwer erreichbaren jüngeren Leuten, die Glauben und Kirche oft indifferent bis kritisch gegenüberstehen, von Gott erzählen. Und warum er sich ganz und gar in seinen Dienst gestellt hat – mit seinem ganzen Leben. Es kam an. Und die Leute wollten mehr davon.

Sicher wird sich nun nicht jeder, der dieses Format verfolgt hat, auf den Katechismus stürzen, die Kirchen stürmen und zum vorbildlichen Katholiken werden. Auch, ob ein solches Format überhaupt zu Gott führen kann, ist nicht sicher. Daher merken Kritiker des Projektes an, dass es „unnütz“, „Geldverschwendung“ oder gar „schädlich“ sei. Ich meine hingegen, es kann eine Tür öffnen, die jenen „Vorschuss an Sympathie“ ermöglicht, ohne den es – in den Worten Benedikts XVI. – „kein Verstehen geben kann“.

Was dem heiligen Paulus der Aeropag war, ist der Deutschen Bischofskonferenz (die das Format ermöglicht) heute das Internet. Und so geht das unerwartet erfolgreiche Projekt nun weiter mit „Gott im Abseits“, wo ein 24-jähriger – abermals ungläubiger – Journalist diesmal Schwester Karin Knötig von den „Missionsärztlichen Schwestern“ begleitet, deren Charisma es ist, Menschen am Rande der Gesellschaft, zumal kranken, „die heilende Gegenwart Gottes zu vermitteln“.

Auch dieser Journalist bringt erst mal alle gängigen Vorurteilen im Marschgepäck mit, wie das, die Kirche unterdrücke die Frau. Wenn ihn nun eine Frau der Kirche zur Sprechstunde der Straßenambulanz für kranke Wohnungslose mitnehmen wird, zur Gesundheitsvorsorge von Flüchtlingen und zum nächtlichen Einsatz im Ambulanzbus, kurz: zu ihrem Einsatz im Namen Gottes an den Rändern der Gesellschaft rund um die Uhr, könnte das nicht nur den Lerneffekt auf Leser und Zuschauer haben, dass die Kirche „auch viel Gutes tut“. Sondern es könnte vor allem Herzen dafür öffnen, dass es überhaupt kein gottverlassenes Abseits gibt. Für niemanden. Damit wird eine Dimension eröffnet, die einen jeden Menschen betrifft. Gut, wenn viele diese frohe Botschaft hören und verinnerlichen. Man nennt es „Mission“.

 

Contra: Mehr als nur ein Webfehler

Kirche in der Selbstreferenzialitätsschleife
Von Tobias Klein

Raider heißt jetzt Twix, ansonsten ändert sich nix: Nachdem das Projekt „Valerie und der Priester“ als grandioser Erfolg für die Medienarbeit der Katholischen Kirche in Deutschland gefeiert wurde, war es wohl unvermeidlich, dass die Verantwortlichen auf die Idee verfallen würden, ein Produkt annähernd gleicher Machart hinterherzuschieben, um die Zielgruppe bei der Stange zu halten. Und deshalb gibt es jetzt „Gott im Abseits“. Unter Marketing-Gesichtspunkten mag das eine clevere Idee sein. Aber ist cleveres Eigenmarketing wirklich das, worum es der Kirche gehen sollte?

Wie schon „Valerie und der Priester“ zielt auch „Gott im Abseits“ offenkundig darauf ab, Menschen, die sich normalerweise nicht besonders „für Kirche“ interessieren würden, positive Eindrücke von der alltäglichen Arbeit der Kirche zu vermitteln. Allerdings bedingt es das Konzept, dass diese Eindrücke durch die Wahrnehmung einer Person gefiltert werden, die allem Anschein nach in Hinblick darauf ausgewählt wurde, das Profil der angepeilten Zielgruppe zu verkörpern und zu repräsentieren: jung, modern, ein bisschen flippig – und ausgeprägt „kirchenfern“.

Durch die Voreingenommenheit der Erzählperspektive wird der Zugang zum Phänomen Kirche, den das Projekt seinem Publikum eröffnen will, gleich wieder verbaut: Als positiv kann an der Kirche so nur das wahrgenommen werden, was sich gerade noch mit dem eigenen Weltbild vereinbaren lässt. So mögen Priester, Ordensleute oder auch einfache Gläubige menschlich durchaus sympathisch sein, und es mag auch anzuerkennen sein, dass die Kirche – neben der Propagierung ihrer „rückständigen“ und „menschenfeindlichen“ Lehren – „auch viel Gutes tut“; und irgendwie an ein höheres Wesen zu glauben ist vielleicht auch gut fürs Gemüt. Aber damit hört's dann auch auf.

Dass dennoch der eine oder andere kirchen- und glaubensferne Leser durch „Valerie und der Priester“ oder „Gott im Abseits“ dazu angeregt werden könnte, eine gewisse Offenheit für den Glauben der Kirche zu entwickeln, kann sicher nicht ganz ausgeschlossen werden, aber eigentlich ist das Konzept darauf nicht angelegt. Das Ziel ist nicht Mission, sondern PR.

Letzteres ist sicher mehr als nur ein Webfehler im Konzept. Bei einer Zielgruppe, die nicht nur der Kirche als „Organisation“, sondern erst recht deren Glauben fremd gegenübersteht, wäre zunächst eine persönliche Transzendenzerfahrung vonnöten, um zuerst Gott und dann der Kirche (in dieser Reihenfolge!) eine Chance zu geben. Eine solche Erfahrung ist aber nicht medial vermittelbar.

Von einem bloßen Reportage-Projekt, wie auch immer es konkret ausgestaltet sein mag, ist schlichtweg nicht zu erwarten, dass es bei einem solchen Publikum mehr bewirken könnte als eine tendenzielle Image-Verbesserung der Institution Kirche. Für den Glauben ist damit noch nichts gewonnen.

Der Eifer, mit dem fast unmittelbar nach dem Abschluss von „Valerie und der Priester“ ein Nachfolgeprojekt aus der Taufe gehoben wird, erweckt indes den Verdacht, die Verantwortlichen seien vom vielbeschworenen Erfolg des Vorgängerprojekts so geblendet, dass die Frage, worin dieser angebliche Erfolg eigentlich bestehen soll, gar nicht mehr gestellt wird.

Dabei ist es im Marketing eigentlich üblich, den Erfolg einer Kampagne an der sogenannten „conversion rate“ zu bemessen. „Konversion“, das sollte doch ein Begriff sein, mit dem die Kirche etwas anfangen können müsste. Von einer guten „conversion rate“ spricht man ab vier Prozent; bei einem durch „Valerie und der Priester“ erreichten Publikum von, sagen wir mal, 250 000 Personen wären demnach für die nahe Zukunft mindestens 10 000 Bekehrungen zu erwarten.

Na, das möchte ich ja mal sehen.

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