„Heute wollen immer mehr Menschen Opfer sein. Aber kaum jemand ist mehr bereit, etwas zu opfern. Was ist geschehen?“ Es ist geradezu paradox. Während in der gegenwärtigen Theologie die Charakterisierung des Kreuzestodes Jesu als Opfer tunlichst vermieden oder gar bestritten wird (wie zuletzt von Meinrad Limbeck, Abschied vom Opfertod, 2012), zeigt sich die Aktualität dieses Denkmodells an Treibjagden von den Schulhöfen bis hin zu den Gefilden der Boulevardmedien der Republik nach wie vor. Ob schuldlos erkoren oder öffentlich in Szene gesetzt – wir dürsten nach Geschichten über Opfer und Täter, über Schuld und Sühne.
Opferleid und Opferlust
Von archaischen Ritualen zur medialen Gegenwart: Die Publizistin Kirstin Breitenfellner analysiert die Funktion des Sündenbocks in unserer Kultur. Von Alexander Ertl