Die Pandemie hält Deutschland in ihrem eisernen Griff. Das Sterben und der Tod dringen dadurch stärker als zu normalen Weihnachtsfesten ins Bewusstsein vieler Menschen. Der bekannte Kultur-Journalist Björn Hayer ist davon überzeugt, dass Werke der Kultur helfen können, der Vergänglichkeit ins Auge zu sehen.
Poetische Reisen in die Transzendenz
So liefere etwa Dante Alighieri mit seinem Opus Magnum „Die göttliche Komödie“ (um 1321) “Bilder für das rätselhafte Jenseits”. Auch im Œuvre Rainer Maria Rilkes finden sich poetische Reisen in die Transzendenz: “Anmutig schildet er in seinem Gedicht „Der Tod der Geliebten“ (1908) eine poetische Jenseitsreise. Nachdem die titelgebende Gestalt „leise aus seinen Augen ausgelöst / Hinüber glitt zu unbekannten Schatten“, folgt auch das Ich ihr nach. „Da wurden ihn die Toten so bekannt / Als wäre er durch sie mit einem jeden ganz nah verwandt“. So wie der Sehnsüchtige geradezu fließend vom einen in den anderen Raum tritt, so ähnlichen rauschen wir durch die rätselhafte 10. Duineser Elegie des Jahrhundertwende-Lyrikers. Von den profanen, dekadenten „Gassen der Leid-Stadt“ landen wir zuletzt bei der Sphinx.”
Dabei betont Hayer jedoch auch die Unterschiede bei der Jenseits-Imagination: “Im Gegensatz zur christlichen Vorstellung eines abgeschlossenen Gottesreichs wird im Hinweis auf das alte Ägypten ein Jenseitsverständnis deutlich, in dem die Toten in der Gemeinschaft der Lebenden präsent bleiben. Der Tod ist dabei schlichtweg ein integraler Bestandteil des Lebens selbst.”
Blick' nicht zurück!
Der Archetypus, so Hayer, hinter derartigen Versuchen, zu den Toten via Sprache und Gesang vorzudringen reiche zurück in die antike Mythologie, nämlich zu Orpheus. “Wie kein anderer vermag der Halbgott die Natur zu bezirzen. Als seine Geliebte Eurydike stirbt, erweicht sein traurig-schönes Flehen mit der Lyra sogar die Götter. Seinem Wunsch, die Angetraute aus der Unterwelt zurückzuholen, wird stattgegeben - unter einer Bedingung: Beim Aufstieg darf er sich nicht umwenden. Doch wie es das Schicksal will, macht ein Blick auf seine Geliebte alles zunichte. Seither gilt Orpheus als der Prototyp des Poeten, dessen Wortgewalt alle Grenzen, allen voran jene zwischen Himmel und Hölle, sprengen kann.” DT/mee
Der Kultur-Journalist Björn Hayer über die Jenseitsvorstellungen der Dichter. Lesen Sie den ganzen Essay in der kommenden Ausgabe der Tagespost.