Der bekannte Kulturjournalist Björn Hayer kritisiert, dass im Zuge von Corona ein Klima der Distanz und eine „Verwissenschaftlichung der Welt“ herrsche. „Zahlen und immer wieder Zahlen. Zahlen wie Gottesurteile, Zahlen wie Raster, die sich über die Welt legen. Kaum ein radikaler Aufklärer hätte sich eine derartige Verwissenschaftlichung des Daseins wohl träumen können, wie wir sie in der Pandemie bemerken.
Hayer vermisst Werte wie Mitleid und Empathie
Von Anfang an mühen sich Virologie und Politik um eine Rationalisierung des Diskurses, operieren mit Graphen und empirischen Daten, um das Infektionsgeschehen kontrollieren und die Bevölkerung auf Basis von Fakten zur Mitarbeit zu überzeugen. Doch diese Taktik hat, wie wir inzwischen mehr und mehr beobachten müssen, auch erhebliche Schattenseiten zutage gefördert.“
Hayer vermisst Werte wie Mitleid und Empathie. „Auf die Erklärung der Realität mittels Vernunft reagieren die Empörten mit Gegenkonstruktionen der Wirklichkeit, nämlich den Verschwörungstheorien. Andere zeigen sich wiederum fassungslos über die Ignoranz all derer, die die Gefahr der Lage unterschätzen. Sie sind ihren Ängsten ausgeliefert oder verzweifeln an der Einsamkeit. Was der öffentlichen Reflexion abhanden gekommen ist, lässt sich genau benennen: das Mitgefühl.“
Hier sieht der Autor eine Chance für die Kirche. „Nahezu allen Religionen ist es inhärent. Für den Hinduismus und Gandhis Pazifismus stellt es die Grundlage für die Erkenntnis von Wahrheit dar. Mithin gründet das Christentum seinen Ursprungsmythos, aus dem sich das Barmherzigkeitsgebot ableitet, auf einer Passionsgeschichte. Erst das Martyrium Jesu und später vieler Heiliger soll zur Nächstenliebe anregen.“ DT/mee
Björn Hayer über Corona und das Mitgefühl. Lesen Sie den ganzen Text in der kommenden Ausgabe der Tagespost.