Wir leben doch in Freiheit, heißt es immer wieder, wenn es um Begrenzungen des Sprachgebrauchs geht. Ganz frei ist dieser Sprachgebrauch nicht. Studenten wissen das, denn sie müssen in ihren Referaten auf gendergerechte Sprache achten. Wenn nicht, gibt es Ärger mit dem „Büro für Gender und Diversity“. Sucht solch ein Büro Mitarbeiter, wird die Stelle ausgeschrieben mit „(m/w/d)“, wobei „d“ Diversity heißt, eben alles Mögliche, was es an sexuellen Ausprägungen gibt. Dem gilt es, sprachlich gerecht zu werden.
Kritik an Sprachpolizisten
Falsch liegt der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann also nicht, wenn er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur gegen die „Sprachpolizisten“ wettert: „Von diesem überspannten Gehabe halte ich nichts.“ Natürlich dürfe man mit der Sprache niemanden verletzen. „Aber jeder soll noch so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist“, meinte er. Und nicht nur das, Kretschmann verschärfte seine Sicht noch durch den Hinweis, dass er „ein ganz strikter Gegner von diesem Jakobinismus“ sei und sprach von „Tugendterror“.
Reinigung der Sprache
Natürlich weiß Kretschmann, dass die Kanalisierung der Sprache in genderkonforme Strukturen nur Teil eines umfangreicheren Unternehmens ist, das sich der Antidiskriminierung verschrieben hat. Dazu gehört der Rassismusverdacht, unter den nun Kretschmanns Lieblingsphilosophin Hannah Arendt geraten ist. Wie schwierig das Problem des Rassismus ist, wird an Kretschmanns Verteidigung der Philosophin deutlich. Auch wenn sie den Afrikanern eine Mitschuld an deren Sklaverei vorgeworfen hat, so habe sie doch die Verschiedenheit der Menschen zum „Grundlagenprogramm ihrer politischen Philosophie gemacht“. Wenn der Straßenname „Hannah Arendt“ wie jetzt in Leipzig verhindert wird, hat in diesem Fall die Gedankenpolizei erfolgreich gesäubert. Was wohl nach Sprache und Gedanken als nächstes gesäubert wird?
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