Die Entscheidung der Berlinale, künftig Schauspieler geschlechterneutral zu ehren, verwundert. Mit dem Aufrufen der Geehrten fängt das Problem schon an: „Beste Darsteller-Pause-in“ vielleicht? Bisher gab es „beste Darstellerin“ und „bester Darsteller“. Das wird nun gestrichen zugunsten der wenigen nicht-binären Schauspieler – man will der Diversität gerecht werden. Eine dritte Kategorie für nicht-binäre Schauspieler wagt man offenbar nicht einzuführen.
Pseudo-dialektisches Spielchen
Da geht man lieber gleich ganz zur Neutralität über und nähert sich der Cancel Culture an. Denn das pseudo-dialektische Spielchen, durch völlige Negation bis zur Neutralität die ganze Fülle des geschlechtlichen Seins haben zu wollen, wirkt am heutigen Geburtstag Hegels doch etwas naiv. Hier verbirgt sich eben die alte Kritik an der Abstraktionstheorie, die schon Aristoteles vorgeworfen wurde: Wenn man alle Merkmale von etwas wegstreicht wie hier die Geschlechtsvariationen, behält man eben nichts und nicht etwas, oder wie hier von Genderbesserwissern gefordert, alles.
Ist mit der Neuerung überhaupt jemandem geholfen, oder wird nicht eher die Gleichberechtigung der Frauen geopfert? Denn Schauspielerinnen wollten und sollten ja gerade gepusht werden, und nicht nur die älteren. Daraus wird nun nichts, wenn sich der Fokus nicht mehr auf die besten Schauspielerinnen konzentrieren kann. Bleibt am Ende nur die Signalwirkung. Wir, das heißt die Berlinale, sind mainstream.
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