Es war vor einem Monat: in einer großen Kanzlei an der ul. Nowy Swiat, der Champs-Elysées von Warschau. Mehr als zehn Jahre in Polen – Zeit für eine eigene Wohnung in der Metropole. Die Verkäuferin und ich unterzeichneten den Vertrag. Mein Anwalt und der Notar schauten zu. Es herrschte eine gediegen-geschäftsmäßige Atmosphäre.
Ein Heiliger, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts wirkte
Auf dem Flur der Kanzlei, als alles vorbei war, kam mein Anwalt, der es liebt, mir gegenüber alle Sünden von Geistlichen aufzuzählen, noch einmal zu mir und drückte mir ein Buch in die Hand. „Hier, für Sie.“ Ich las: „Andrzej Bobola.“ Eine Biographie. Der Name sagte mir etwas. Ein Jesuit, ein Heiliger, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts wirkte. Ein großer Missionar. Aber warum überreichte ausgerechnet mein kirchenkritischer Anwalt mir ein solches Buch? Warum hier? Ein makabrer Scherz? Er wiegelte ab. „Nein. Es lag hier.“ Er habe den Notar gefragt. Ich könne es habe. „Also, nehmen Sie es.“
Am Wochenende nach dem Kauf fuhr ich zum Bobolanum im Stadtteil Mokotow. Das ist eine Jesuitenkirche, ein Sanktuarium, wo Bobolas sterbliche Überreste aufgebahrt sind. Ich wollte meinem neuen Freund im Himmel einen Besuch abstatten. Er sagte nicht viel. Ich auch nicht, machte aber ein Foto vom Schrein und las in der Eingangshalle, dass ihm Pius XII. im Jahr 1957 sogar eine Enzyklika gewidmet hat: Invictus athleta Christi. Nicht von ungefähr: immerhin nannte man Bobola auch einen „Seelenjäger“.
Auch in Polen ist die Corona-Angst groß
Mittlerweile ist auch in Polen die Corona-Angst groß. Da ich zu einer Risikogruppe zähle, habe ich mich entschlossen, die nächste Zeit auf dem Land zu verbringen. Doch wie bringt man dort schnell das Internet zum Laufen, wenn der größte Anbieter des Landes für längere Zeit alle Salons geschlossen hat? Ich klopfte bei Andrzej Bobola an. Danach ein Anruf vom Anbieter: Ab Donnerstag wird es gehen. Damit nicht genug. Zwischen dem 16. und 24. März, so sehe ich bei Facebook, betet ein Priester jeden Tag im Andrzej Bobola Sanktuarium vor den Reliquien dieses polnischen Nationalheiligen. Per Livestream kann man sich dazu schalten. Warum gerade zu ihm? Ein befreundeter Jesuit in Gdynia, der Bobola mindest ebenso verehrt, wie der polnische Präsident es tut, hat es mir erklärt: Während einer Epidemie war der heilige P. Andrzej Bobola SJ ständig im Einsatz und ganz für die Menschen in Not da. Auch jetzt soll er helfen. Ich bin sicher, er tut es.
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