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Hans Holbein der Jüngere: Vom Bürgersohn zum Hofmaler

Am 29. November jährt sich der 475. Todestag des berühmten Renaissance-Malers Hans Holbein des Jüngeren. Von Barbara Stühlmeyer
Hans Holbein der Jüngere
Foto: IN

Auf dem Selbstbildnis, das Hans Holbein der Jüngere im Jahr 1542, ein Jahr, bevor er an der in London grassierenden Pest starb, malte, sieht der Mann, der als einer der berühmtesten Maler der Renaissance gilt, ernst und konzentriert aus. Vielleicht ist diese Haltung beispielhaft für sein Wirken, das ihn mit bemerkenswerter Gradlinigkeit in eine Stadt führte, die schon vor 475 Jahren ein Zentrum für Kunst und Kultur war.

Herkunft und Leben von Hans Holbein  

Geboren ist Hans Holbein 1497 oder 1498 vermutlich in Augsburg als Kind einer Familie, in der Kunst bereits seit rund 200 Jahren den beruflichen Alltag prägte. Sein Vater Hans Holbein der Ältere wirkte schwerpunktmäßig in Augsburg. In seiner Werkstatt machten die beiden Söhne Ambrosius und Hans ihre ersten Gehversuche, bevor sie in guter Gesellenmanier 1515 gemeinsam nach Basel zogen, einer aufstrebenden Bürgerstadt, in der sie sich ein gutes Auftragsvolumen erhofften. Hans Holbein arbeitete hier als freier Maler unter anderem als Buchillustrator für Hans Froben und gestaltete so wegweisende Werke wie das „Lob der Torheit“ von Erasmus von Rotterdam und „Utopia“ von Thomas Morus. Seine Arbeiten müssen nicht nur den Lesern, sondern auch den Autoren sehr gefallen haben. Denn Erasmus, der eine Zeitlang in Basel lebte und sich mehrmals von Holbein porträtieren ließ, vermittelte dem Maler später den persönlichen Kontakt zu Thomas Morus, der sich durch seine damals noch guten Verbindungen zum Königshaus für Holbein als Glückfall erwies.

Baseler Bürger zu werden, war nach der beruflichen Etablierung Holbeins das nächste Ziel des Malers. Er erreichte es, wie damals durchaus üblich, durch die Heirat mit Elsbeth Binsenstock, der Witwe eines ortsansässigen Gerbers. Die Ehe war für beide von Vorteil. Elsbeth stieg durch die Heirat mit einem Maler gesellschaftlich auf und Holbein bekam durch die Verbindungen seiner Frau Zutritt zur Zunft und das Bürgerrecht. Elsbeth und die beiden älteren der vier Kinder des Paares verewigte der Maler auf einem seiner Porträts. Eine Besonderheit, denn dieses Bild ist das erste, das ein Künstler von seiner eigenen Familie anfertigte.

Die Reformation und der Bildersturm

Die enge Bindung an seine Stadt zeigte sich in repräsentativen Aufträgen wie der Bemalung des Großratssaales im Basler Rathaus und der Madonna des Bürgermeisters Meyer, nach ihrem zeitweiligen Aufenthaltsort im dortigen Residenzschloss auch Darmstädter Madonna genannt. Auf ihr ist der Bürgermeister mit Frau und Tochter um die thronende Maria mit dem Jesuskind dargestellt. Sie ist keineswegs das einzige seiner religiösen Bilder, die einen größeren Teil seines Auftragsvolumens ausgemacht haben mussten.

Tatsächlich erlebte Hans Holbein die Reformation und den in Basel mit ihr verbundenen Bildersturm als problematisch für seine berufliche Entwicklung. Auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern hielt er sich deshalb 1523 und 1524 in Frankreich auf, wo er im Herzogspalast von Berry zwei Fürstenstatuen malte und ging 1526 erstmals für zwei Jahre nach England, kehrte dann aber noch einmal für drei Jahre nach Basel zurück.

Künstler am englischen Königshof

1532 ließ er sich in endgültig in England nieder, malte noch im selben Jahr Porträts von Oliver Cromwell und Georg Gisze und konnte sich dank seiner Kontakte zu Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus schnell am dortigen Königshof etablieren. Seine Dekoration für die Hochzeit Heinrichs VIII. mit Anne Boleyn im Jahr 1533 gefiel und verschaffte ihm drei Jahre später den Posten des Hofmalers. Seine Porträts der Königsfamilie und bedeutender Mitglieder des Hofes wie Sir Thomas Perry sind beispielhaft für die Kunst der Personendarstellung. Aber auch wenn es Jane Seymor, Heinrich VIII. oder Edward, dem Prinzen von Wales gut gefallen hatte, dass sie auf den Darstellungen Holbeins so vorteilhaft präsentiert wurden, erwies die Fähigkeit des Künstlers, das Positive in jedem Menschen zu sehen, sich in einem Fall als gravierender beruflicher Nachteil. Die Umstände sind durchaus erheiternd und geben tiefe Einblicke in die Unbilden der Heiratspolitik des umtriebigen englischen Herrschers. Denn er schickte, als er 1539 wieder einmal auf Brautschau war, seinen Maler Hans Holbein auf das Festland. Sein Auftrag: Er sollte Porträts der infrage kommenden Damen Christina von Dänemark und der beiden Töchter des Herzogs von Kleve malen.

Das Bild, das sich Holbein von Anna gemacht hatte, gefiel dem König ausnehmend gut. Weit besser, als das Original sich ihm im fremden und der kleveschen Heimat fernen London präsentierte. Daraufhin fiel nicht nur Anna selbst, sondern auch Holbein in Ungnade und er durfte fortan kein Mitglied der Königsfamilie mehr auf Eichenholz bannen. Doch Holbein war inzwischen in England etabliert genug, um auch so auf seine Kosten zu kommen. Dabei nutzte er seine deutsche Herkunft und seine Kontakte zum Stalhof, jenem umfriedeten Gelände am Nordufer der Themse, innerhalb dessen die Hansekaufleute ihre Niederlassungen hatten. Sie ließen sich gern vom ehemaligen Hofmaler porträtieren und so entstanden zahlreiche persönliche Bilder, aber, wie schon zuvor, auch allegorische Monumentalbilder für die repräsentationsbewussten Handelsherren.

Video über Hans Holbein den Jüngeren

 

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