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Douglas Murray: „Politiker müssen an langfristige Folgen der Immigration denken“

Der britische Autor Douglas Murray warnt vor den Konsequenzen des Rückzugs der Amerikaner aus Afghanistan. Er hält eine Migrationskrise, vergleichbar mit der von 2015, möglich.
Flüchtlinge im Hafen von Mytilini
Foto: Socrates Baltagiannis (dpa) | Flüchtlinge warten Ende des Jahres 2015 im Hafen der griechischen Stadt Mytilini auf die Überfahrt nach Athen.

In einem Gespräch mit der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ befasst sich Douglas Murray, der Autor des 2018 auf Deutsch erschienenen Buches „Der Selbstmord Europas: Immigration, Identität und Islam“, vor den Konsequenzen der nach dem Truppenabzug des Westens aus Afghanistan folgenden Migrationswellen. Der britische Autor hält es für möglich, so äußert er sich in dem Interview, dass wir zunächst „einen ersten Schwung von echten Flüchtlingen, sodann einen Schwung weiterer Personen erleben könnten, die vorgeben, Afghanen zu sein, und hinterher einen Schwung einer weiteren Gruppe von wohl recht vielen Migranten jeglicher Herkunft“. Europa müsse seine rechtlichen Bestimmungen stärken, um sorgfältig zu unterscheiden. Dies hätten wir 2015 jedoch nicht getan. Wir würden in den nächsten Monaten sehen, so der Brite weiter, „ob unsere verantwortlichen Politiker Lektionen aus der Vergangenheit gezogen haben“.

Sicherheitsrisiko Einwanderung?

Die Frage nach einem Zusammenhang zwischen Unsicherheit und Immigration bejaht Murray: „Das Terrorismus-Risiko besteht natürlich. Insbesondere wegen der hunderttausenden Waffen, die von den amerikanischen Truppen bei ihrem schändlichen und überstürzten Rückzug aus dem Land zurückgelassen wurden“. So werde es gewiss eine zusätzliche Unsicherheit geben aufgrund einer Minderheit unter der großen Anzahl derer, die nach Europa kommen möchten. Doch die „sehr viel größere Bedrohung“ liege laut Murray „nicht in der augenblicklichen Sicherheit, sondern in der langfristigen Sicherheit unserer Gesellschaften“. Diejenigen, die gegen eine Masseneinwanderung nach Europa seien, konzentrierten sich häufig auf den Punkt des Terrorismus.

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Doch das weitaus wichtigere Problem seien die langfristigen Auswirkungen einer Massenimmigration. Dabei müsse man sich vergegenwärtigen, dass die Migranten in den kommenden Jahrzehnten auch weiterhin nach Europa kommen wollen. Denn leider sei es sehr unwahrscheinlich, dass der Lebensstandard und die sozialen Freiheiten in der Subsahara oder im Nahen Osten uns in den nächsten Jahren einholten. Seiner Auffassung nach könne „Europa nicht der Sammelplatz für alle Flüchtlinge und Asylbewerber der ganzen Welt sein. Wir sind es aufgrund unserer Geographie und unseres ökonomischen und gesellschaftlichen Erfolgs schon zum Teil geworden. Aber auch und vor allem deswegen, weil unsere politische Führungen nicht genug über die langfristigen Konsequenzen der Massenmigrationen nachdenken“.

Murray: 2015 darf sich nicht wiederholen

Anscheinend würden eine Reihe europäischer Persönlichkeiten wie etwa Matteo Salvini eine härtere Linie fahren. Und die österreichische Regierung habe nicht gezögert zu sagen, dass sie jegliche Wiederholung von 2015 an ihren Grenzen verhindern werde. Und das, was bei dem jüngsten Treffen der europäischen Minister herausgekommen sei, so Murray, könne Anlass zu einem gewissen Optimus geben, der jedoch „zu gegebener Zeit sicher enttäuscht wird. Doch dies weist schon einmal darauf hin, dass sie sich zumindest bewusst darüber sind, dass wir das, was 2015 geschehen ist, nicht erneut tolerieren werden können. Sehr häufig geben Politiker ihre Fehler nicht zu, doch man begreift, dass sie wissen, dass sie einen gemacht haben, wenn sie beim zweiten Mal nicht noch einmal die gleiche Dummheit begehen. Wir werden sehen“.

Murray betont, er sei absolut dafür, den Menschen Asyl zu gewähren, die die Europäer in Afghanistan unterstützt hatten. Wir könnten uns auch beispielsweise wünschen, jeder Frau aus Afghanistan Asyl zu gewähren, die nunmehr keinen Zugang mehr zur Bildung habe. „Aber können wir das auch tun?“, fragt Murray. Natürlich nicht, meint er.

Wir müssten, so der britische Autor weiter, „dringend erkennen, dass wir nicht der einzige Ort auf Erden sein können, der all jene aufnimmt, die ein besseres Leben haben möchten. Und wir müssten weiterhin das sein, was wir sind. In den letzten Jahren, waren die Migrationsbewegungen zu rasant, zu stark und naturgemäß zu weit von dem entfernt, was wir sind. Wir wissen das alle, und wir wissen, dass dieser massive Zustrom nicht weitergehen kann“.

Westliche Kultur steht auf dem Spiel

Denn schließlich, so fürchtet Murray, stehe „unsere ganze Kultur, ich meine wirklich absolut alles, auf dem Spiel“. Er wünsche sich, dass wir weiterhin das entfalten könnten, „was uns groß gemacht hat, weshalb die Welt zu uns kommen möchte. Doch ich fürchte, dass es schon zu spät ist. Unsere Politiker machen aus Europa eine Sammelstelle für die ganze Welt. Eine Art weitreichende UN, wo China weiterhin den Chinesen bleibt und Indien den Indern, Europa aber offen für alle sein wird“. Eine solche Melange hätte zwar Vorteile, „wenn sie zeitlich begrenzt und von geringem Ausmaß wäre. Doch langfristig und in einem derartigen Ausmaß halte ich das für einen Fehler, für einen sehr großen Fehler. Alles steht auf dem Spiel, trotzdem behauptet man, dass dies nicht von Bedeutung und es zu schwer sei, etwas zu ändern. Doch da täuschen wir uns nur selbst“.  DT/ks

  

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