Wenn Vernunft sich nicht auf Wirklichkeit hin überschreitet, weil sie es nicht vermag oder vermeidet, es zu tun, dann gibt es keine Wahrheit. Wahrheit ist das Offenbarsein von Wirklichkeit für die Vernunft. Die Wahrheit nicht nur zu suchen – in einer unaufhörlichen Bewegung des Denkens, sondern die erkannte wie auch die geglaubte Wahrheit öffentlich zu vertreten und zu bekennen – das war über das Inhaltliche hinaus die gemeinsame Einstellung und die Grundlage freundschaftlicher Beziehungen. Josef Pieper hat darin, im Bekenntnis zur Wahrheit, mit Romano Guardini, Hans Urs von Balthasar, T. S. Eliot, C. S. Lewis und Joseph Ratzinger seine Lebensaufgabe, man kann auch sagen, seine Berufung gesehen.
Feuilleton
Die Wahrheit finden und bekennen
Ein außergewöhnlicher Philosoph, der Glaube und Vernunft zu verbinden verstand – Zum 20. Todestag von Josef Pieper am 6. November. Von Professor Berthold Wald