Das Böse scheint uns heute entschwunden – jedenfalls im zeitgenössischen Sprachgebrauch, in dem sich unser Weltverständnis spiegelt. Nur als Eigenschaftswort hat das Böse überlebt, wenn wir zum Beispiel davon sprechen, es habe einen bösen Unfall oder eine böse Überraschung oder gar ein böses Erwachen gegeben. Als Hauptwort begegnet uns das Böse nur noch in der philosophisch-theologischen Literatur, dort allerdings gerade in den jüngsten Jahren erstaunlich oft: Ein Hinweis darauf, dass in der Wissenschaft gerettet werden soll, was in der Gesellschaft in Vergessenheit zu geraten droht?
Die Versuchung
Das Massaker an Unschuldigen in Oslo jüngst, der Ausbruch von Gewalt in England – die Frage stellt sich, ob es das Böse gibt? Eine Antwort: Der Ernstfall des Lebens zeigt sich gerade in der Versuchung zu seiner Verneinung, wie der Topos vom mysterium iniquitatis in der Philosophie des Christentums zeigt. Von Christoph Böhr