Schon Aristoteles wusste es: Auf die Mitte kommt es an. Nicht die Mittelmäßigkeit, sondern das Mittelmaß, das rechte Maß, das genau dort liegt, wo die Extreme sich berühren und das deshalb logischerweise kein Extrem ist. Voila! Tapferkeit statt Feigheit oder Tollkühnheit, Mäßigung statt Stumpfheit oder Wollust, Großzügigkeit statt Geiz oder Verschwendung. Was in der Philosophie wahr ist, kann der Politik nur recht und billig sein. Bevor Helmut Kohl vor 30 Jahren ansetzte, zum Kanzler der Einheit zu werden, versuchte er, sich als der Politiker der Mitte zu inszenieren. Was sich auch schon allein durch seine Körperfülle anbot. Wo Kohl stand, musste schon rein visuell die Mitte, das Zentrum sein – fern von allen Extremen. Rechte und ...
Feuilleton
Der Verlust der wahren Mitte
Politische Herrscher gebrauchen gern den Begriff der Mitte, um ihre Macht zu sichern. Doch die Werte, die damit in Verbindung stehen, sind ziemlich flexibel. Auch in Gesellschaft und Kirche ist längst nicht mehr klar, was im Zentrum stehen soll, um Verirrungen und Extreme zu vermeiden. Genügt die Besinnung auf den Menschen? Von Burkhardt Gorissen und Stefan Meetschen