Der Erwartungsdruck ist immens: Kaum ist Papst Franziskus im Amt, schon feuern die Exegeten aus allen Rohren. Alles, was der neue Pontifex tut oder auch nicht tut, unternimmt oder unterlässt, wird gedeutet, interpretiert, vertieft, gegen die römische Frühjahrssonne gehalten und auf mögliche Sollbruchstellen abgeklopft. Man hat den Eindruck, der Papst ist schon Jahre im Amt. Aber sie ist auch verständlich, diese Ungeduld der Erkenntnis. Hierzulande herrscht ganz offensichtlich ein großes Verortungsbedürfnis. Zu viel ist passiert seit jenem historischen Rosenmontag: erst der überraschende Rückzug Papst Benedikts, dann ein Doppelschlag, der erste Papst aus Lateinamerika und der erste Jesuit auf dem Stuhle Petri.
Der Papst und seine Dichter
Papst Franziskus hat gleich zu Beginn seines Pontifikats mit einer Reihe literarischer Anspielungen aufhorchen lassen. Hölderlin, Borges, Bloy. Man staunt. Doch wenn man diese Spuren weiterverfolgt, auf und zwischen den Zeilen liest, so enthüllen sich die Umrisse eines anspruchsvollen geistigen Programms. Von Alexander Pschera