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Der Kaiser ist nackt

Gender: Selbst Google kann Professor Jordan Peterson nicht mundtot machen. Von Gabriele Kuby
Google
Foto: dpa | David gegen Goliath: Der Psychologieprofessor Jordan Peterson lehnte sich gegen den Internet-Giganten Google auf.

Seit die großen Medien zu einem Teil der politischen Manipulationsmaschinerie geworden sind, setzen alle, die sich der Einheitsmeinung nicht fügen wollen, auf das Internet: Jeder kann der Welt seine Meinung in Wort und Bild kundtun und den Herrschenden an den Karren fahren, wenn die Zahl seiner Fans und Freunde eine kritische Masse erreicht.

Dies tat der kanadische Psychologie-Professor der Universität Toronto, Jordan Peterson. Er kritisierte auf seinem YouTube-Kanal den Gesetzentwurf Bill C-167, welcher die Begriffe „gender identity“ und „gender expression“ zu einem Menschenrecht und „hate speech“ zu einem Verbrechen machen wollte. Aus dem Entwurf wurde inzwischen Gesetz. Peterson weigerte sich außerdem, „gender-neutrale“ Pronomen zu verwenden, also die Worte „he“ und „she“ durch artifizielle Kreationen wie „ze“ und „zir“ zu ersetzen. Seine Gründe erläuterte er in einem BBC-Interview. Er habe vierzig Jahre lang Totalitarismus studiert. Dieser beginne immer mit dem Versuch, das ideologische und linguistische Territorium zu kontrollieren. „Unter keinen Umständen werde ich diese Worte benutzen, die von Leuten erfunden wurden, die genau dies tun.“

Ein Mann, der daran festhält, dass die Sprache dazu da ist, etwas über die Wirklichkeit auszusagen, weigert sich, die Realität ideologiekonform umzubenennen. Er beharrt darauf, für das Nomen „Frau“ das Pronomen „sie“ zu verwenden und für das Nomen „Mann“ das Pronomen „er“. Eine Minderheit von Menschen im Promille-Bereich der Bevölkerung, die sich bedauerlicherweise nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren können, nimmt daran Anstoß, aber nicht nur sie, sondern auch große Teile der Studentenschaft, die es inzwischen für einen Gewinn an Freiheit halten, wenn sie ihr Geschlecht selbst „wählen“ können, und sei es durch die Verstümmelung ihres Körpers.

Ein „shitstorm“ erhob sich gegen den Professor. Transgender-Aktivisten nannten ihn „bigott“ und „transphob“ – Schimpfworte, die jede Auseinandersetzung mit einem politisch unkorrekten Standpunkt überflüssig machen, vielmehr klar signalisieren, dass diese Person für die Gemeinschaft nicht mehr tragbar ist. (Wer diese Personen im deutschsprachigen Raum sind, hat die Heinrich Böll Stiftung zweckdienlich auf einer Schwarzen Liste zusammengestellt – die aber nach Aufdeckung dilettantischer Sicherheitsmängel „vorübergehend“ vom Netz genommen wurde.) Von der Universität erhielt Peterson eine Abmahnung, er dürfe die Rechte von Transgender Leuten nicht verletzen. Die Medien und sozialen Netzwerke setzten zum Rufmord an, manche öffentlichen Auftritte konnten nur unter Polizeischutz stattfinden, wenn sie nicht von einem brüllenden Mob gänzlich verhindert wurden.

Jordan Peterson knickte nicht ein, sondern blieb dabei, die ideologische Veränderung der Sprache, die Beschneidung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, das Laster der falschen Toleranz und andere heilige Kühe des Mainstreams anzuklagen und die verderblichen Konsequenzen für Mensch und Kultur aufzuzeigen. Die Folge: Die Zahl der Followers auf seinem YouTube-Kanal stieg in wenigen Tagen auf 300 000 an und liegt inzwischen bei 375 000. Auf seinem Patreon-Account gehen monatlich 30 000 Dollar-Spenden ein. Die Medien reißen sich um ihn für Talk-Shows und Interviews. Google wird bei seinem Namen über fünf Millionen mal fündig, YouTube über eineinhalb Millionen mal.

Peterson analysiert gelassen und gestochen scharf. Nirgendwo arbeitet er mit Weichmachern, um unangenehme bis ruinöse Konsequenzen zu vermeiden. Nein, er werde niemals gender-neutrale Pronomen verwenden, und er werde niemals Anti-Rassismus und Anti-Vorurteilskurse der Universität absolvieren. Es beunruhige ihn überaus, dass solche Kurse für Studenten zur Pflicht gemacht werden sollten. Peterson sagt den jungen Menschen, besonders den jungen Männern, dass sie endlich erwachsen werden, heiraten und Kinder bekommen sollen. Man nennt ihn die neue „Vater-Figur“ auf YouTube.

Aber darf das alles sein? Sollte es wirklich noch die Möglichkeit geben, die Meinungen so vieler Menschen zu beeinflussen, dass es kulturrelevant werden könnte?

Google war da anderer Meinung. Es schloss letzte Woche kurzerhand den Google- und den YouTube-Account von Peterson – ohne Begründung. Der Professor erkundigte sich höflich: „Bitte teilen Sie mir mit, welche Prinzipien ich verletzt habe. Ich habe meines Wissens keine Regeln übertreten und meinen Account nicht missbraucht.“ Die lakonische Antwort: „Eine erneute Prüfung hat ergeben, dass Ihr Account aufgrund einer Verletzung der Dienstregeln nicht wieder aktiviert werden kann.“

Diese Nachricht verbreitete sich in den sozialen Medien wie Lauffeuer. Berühmte Talkshow-Gastgeber teilten sie mit Millionen von Fans. Die Sache wurde Google zu heiß, und sie schalteten die Accounts bald wieder frei.

Ein kleiner Sieg! Aber wer garantiert, dass Google morgen nicht wieder zuschlägt und Accounts einfach abschaltet? Google, Facebook und Co sind die neuen Herrscher dieser Welt – von niemandem gewählt, aber von allen gebraucht. Niemand kann ihnen in ihre interne Firmenpolitik hereinreden. Wer nicht auf Linie liegt, fliegt. Im Juli 2017 wurde ein Mitarbeiter von Google entlassen, weil er in einem internen Firmen-Memo „Google‘s Ideological Echo Chamber“ wohlbegründet in Frage gestellt hatte. Der globalen Manipulationsmacht der Internet-Giganten kommt der Gesetzgeber mit Antidiskriminierungs- und Zensur-Gesetzen zur Hilfe, wie der deutsche Justizminister mit seinem Netzwerksdurchsetzungsgesetz – so hässlich wie die Sprache, so hässlich die Absicht.

Eine Ideologie, welche die Wirklichkeit leugnet, muss totalitär werden, denn die Wirklichkeit ist stärker als die Lüge. Weil sich die Wirklichkeit nicht besiegen lässt, müssen die Menschen „unschädlich“ gemacht werden, welche trotz allem wagen zu sagen: Ein Mann ist ein Mann und eine Frau ist eine Frau. Sie riskieren heute nicht das KZ, aber sie riskieren die Vernichtung ihrer Existenz. Jordan Peterson hat den Mund aufgemacht – ohne Weichzeichner. Als er das tat, wusste er nicht, wie die Sache ausgeht. Er hätte auch seinen Job verlieren können. Die Dynamik des Totalitarismus ist immer die gleiche: Die meisten Menschen scheuen dieses Risiko und stimmen schweigend oder redend in den Chor derer ein, die die Kleider des nackten Kaisers loben. Jeder hat die Wahl, ob er in diesem Chor mitsingt oder mit dem Kind sagt: „Der Kaiser ist nackt.“

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