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"Der Hauptmann"

Opportunist oder Sadist? Was als eine Art Köpenickiade beginnt, entwickelt sich zu einem Film über grausame Gräueltaten.
Foto: Weltkino | In der gefundenen Hauptmannsuniform schart der flüchtige Gefreite Wille Herold (Max Hubacher, Mitte) in den letzten Kriegswochen Versprengte um sich, so den Gefreiten Freytag (Milan Peschel, links) und den Soldaten ...

Zwei Wochen vor Kriegsende läuft der 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher) um sein Leben. Im letzten Augenblick kann er sich vor dem deutschen Offizier Junker (Alexander Fehling), der Jagd auf ihn macht, in Sicherheit bringen. Am nächsten Morgen findet Willi in einem verlassenen Auto eine so gut wie neue Hauptmannsuniform, die ihm einfach zu gut passt. Aus dem Gefreiten ist „Hauptmann Herold“ geworden. Als der Gefreite Walter Freytag (Milan Peschel) wie aus dem Nichts auftaucht, muss Herold ihn glaubhaft täuschen, wenn er überleben will. Herold spielt erstmals die Rolle des Hauptmanns, und Freytag wird sein untertäniger Fahrer. Nach und nach sammelt Herold versprengte Soldaten wie Kipinski (Frederick Lau) um sich. Die „Kampfgruppe Herold“ ist geboren. Sie streift durch das deutsche Hinterland. Als sie von der Militärpolizei auf weiter Flur gestoppt wird, ist Herold kurz davor aufzufliegen. Der Einfall, er sei mit seinen Männern auf Sondereinsatz mit Vollmacht von ganz oben, rettet ihn. Nun macht sich das „Sonderkommando Herold” auf den Weg zu einem Straflager der Wehrmacht, in dem grauenhafte Zustände herrschen.

Sehen Sie hier den Trailer zum Film:
https://www.youtube.com/watch?v=BSnDau0rk5g

Was als eine Neuauflage des „Hauptmann von Köpenick“ beginnt, wird bald zu einer grauenvollen Tötungstour, die in willkürlichen Erschießungen im Strafgefangenenlager Emsland II ihren Höhepunkt findet. Die kontrastreichen Schwarzweiß-Bilder von Kameramann Florian Ballhaus unterstreichen die Grausamkeit der Taten eines Menschen, der nach und nach zum Sadisten wird. Regisseur Robert Schwentke und Hauptdarsteller Max Hubacher gelingt es, freilich dem Zuschauer das Urteil darüber zu überlassen, ob Herold aus Geltungsdrang oder einfach aus Furcht vor dem Auffliegen handelt. Zwar zieht eine während des Abspanns laufende, in unserer Gegenwart spielende Sequenz das Ganze ins Lächerliche. Die verstörende Wirkung bleibt dennoch bestehen – zumal es sich um eine wahre Begebenheit handelt. Eine Texttafel gibt darüber Auskunft, dass der damals 21-jährige Willi Herold im November 1946 zusammen mit sechs Komplizen hingerichtet wurde. Darüber hinaus liest sich der Film auch als eine Parabel auf den Untergang des NS-Regimes.

DT/José García

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