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Aparecida: Brasiliens geistliches Herz

Aparecida. Brasiliens Nationalheiligtum, feiert 300 Jahre Bestehen. Von Richard Gabriel Furst
Aparecida: Religiöse Festlichkeiten in Brasilien
Foto: dpa

Wie gelangt man zum Bildnis Unserer Lieben Frau von Aparecida?

Um zu dem kleinen Bildnis Unserer Lieben Frau von Aparecida zu gelangen, muss man in der gleichnamigen, um zwei Kirchen herum entstandenen Stadt drei Stunden in der Schlange anstehen. Besucher nehmen 70 Stunden Fahrzeit im Bus auf sich, um zu dem Schrein zu gelangen. Die umliegenden Hotels sind nahezu das ganze Jahr ausgebucht.

Der Papst mit dem Gnadenbild von Aparecida
Foto: dpa | Der Heilige Vater mit dem Gnadenbild von Aparecida.

Doch in diesem Jahr ist das Fest im Marienmonat Oktober außergewöhnlich. Brasiliens Nationalheiligtum feiert schließlich 300jähriges Bestehen. Weil Brasilien aber das fünftgrößte Land der Welt und das mit der zahlreichsten katholischen Bevölkerung ist, haben die Feierlichkeiten in Aparecida entsprechende Ausmaße. Etwa 600 000 Menschen kamen am Donnerstag, um das Fest der Muttergottes zu feiern. Dazu hatte sich Papst Franziskus in einer Videobotschaft an die Gläubigen gewandt und als besonderes Geschenk zu dem Jubiläum eine Goldene Rose durch seinen Gesandten, Kurienkardinal Giovanni Battista Re, überreichen lassen. Einen ganzen Monat lang geht es weiter mit den Feierlichkeiten.

„Man merkt die Menschenmenge gar nicht. Es ist wie im Himmel hier zu sein“, sagt die 64jährige Maria Concebida de Morais, die zwanzig Stunden bis zur Basilika in Aparecida unterwegs war. Durch die Gebete in Aparecida gewann sie neuen Lebensmut. Gerade in den Ruhestand getreten fühlte sie sich überflüssig und am Leben nicht mehr beteiligt. Die 68jährige Aparecida Henriques wiederum wird emotional, denn sie weiß, dass sie den Namen der Jungfrau trägt. „Während meines Lebens war ich unzählige Male hier. Jedes Mal wurde ich neu aufgenommen, lernte neue Freunde kennen. Das Leben ist schon erstaunlich“, sagt Aparecida, die mit sechs Neffen und fünf Cousins nach Aparecida gepilgert ist.

Gesivan Carlos kommt aus dem Norden Brasiliens und hat fünf Stunden im Flugzeug und fünf Stunden im Bus verbracht, um an den Feierlichkeiten an diesem besonderen Tag teilzunehmen. „Ich wurde katholisch erzogen, wechselte dann zu einer evangelikalen Kirche, aber jetzt bin ich glücklich, wieder zurück zu sein in der Katholische Kirche.“ Carlos schaut auf die beiden Türme von Aparecida, „Sie bedeuten viel nicht nur für den katholischen Glauben, sondern für das ganze Land, für unsere Identität.“

Es ist schwierig, den Einfluss zu bemessen, den Unsere Liebe Frau von Aparecida auf die katholische Gesellschaft Brasiliens hat. Ein Gesetz aus dem Jahr 1980 erklärte den 12. Oktober zum nationalen Feiertag. Seither erkennt die Republik Brasilien Unsere Liebe Frau von Aparecida offiziell als Patronin des Landes an. Eine Studie hat gezeigt, dass mehr als 500 Gemeinden und zehn Kathedralen der Muttergottes von Aparecida gewidmet sind. Darüber hinaus sind sowohl viele Städte als auch zahllose Frauen nach dem Heiligtum benannt.

Die Basilica de Nossa Senhora Aparecida 

Um die Pilgerströme von jährlich zwölf Millionen Gläubigen aufnehmen zu können, sind die Ausmaße des Heiligtums von Aparecida entsprechend gewaltig. Während der Eucharistiefeiern können sich bis zu 30 000 Gläubige direkt um den Altar versammeln, 45 000 können der Heiligen Messe im Inneren des Schreins folgen, weitere 300 000 können draußen mitfeiern. Der Turm der Basilika ist mit dem Kreuz auf der Spitze 109 Meter hoch, das Mittelschiff des Doms ist 70 Meter hoch, die Seitenschiffe erreichen immer noch 40 Meter Höhe. Die verehrte Figur Unserer lieben Frau steht in 37 Metern Höhe, womit proportional die Maße der 37 Zentimeter kleinen Figur aufgenommen wurden. In dieser Höhe dürfte die Figur sicher sein. Protestantische Eindringlinge verschafften sich 1978 in einem beispiellosen Akt des Vandalismus Zugang zur Basilika: Das ursprüngliche Bildnis von Aparecida wurde zerbrochen und musste infolgedessen vom Museu de Arte in Sao Paulo aufwendig restauriert werden.

Innenraum der Basilica de Nossa Senhora Aparecida
Foto: dpa | Innenraum der Basilica de Nossa Senhora Aparecida

Doch auch die Basilika selbst wurde in den letzten Jahren aufwendig renoviert. Mosaiken und Figuren des Gotteshauses erstrahlen in neuer Schönheit. Um das Jubiläum zu begehen, wurde ein neuer Turm mit 13 Glocken eingeweiht. Die ganze Konstruktion hat die Form von zwei Händen, die sich betend erheben. Das Dach der riesigen Kathedrale – nach dem Petersdom die größte Katholische Kirche der Welt – bekam einen blauen Anstrich, um an den Mantel Mariens zu erinnern.

Die Statue der Jungfrau Maria wurde im Fluss gefunden

Die Basilika steht heute unweit des Ortes, wo die drei Fischer Domingos Garcia, Joao Alves und Filipe Pedroso im Oktober 1717 in den Gewässern des Paraíba fischten. Das Gebiet befindet sich heute zwischen den zwei größten Städten Brasiliens: Im Südosten des Landes 180 Kilometer von Sao Paolo und 260 Kilometer von Rio de Janeiro entfernt. Während der portugiesischen Kolonialzeit vor 300 Jahren entschieden sich die Bewohner eines kleines Dorfes, ein Fest zu Ehren des durchreisenden Gouverneurs und Grafen von Assumar zu veranstalten. Die Fischerleute beteten zu Unserer Lieben Frau von der Unbefleckten Empfängnis, dass Gott ihnen einen guten Fang schenken möge. Sie warfen das Netz in den Paraíba, aber anstatt Fische zogen sie eine kopflose Statue der Jungfrau Maria aus dem Fluss.

Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Aparecida
Foto: KNA | Das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Aparecida.

Nachdem sie auch den Kopf der Statue bargen, so heißt es, fingen die Fischer eine große Menge Fische. Nachdem die Fischer die Statue gereinigt hatten, stellten sie fest, dass es eine schwarze Statue Unserer Lieben Frau der Unbefleckten Empfängnis war – schwarz aufgrund des Materials und dunkel aufgrund der Zeit, die sie im Wasser war. Die Fischer nannten die Statue „Nossa Senhora da Conceiçao Aparecida“ – Unsere im Wasser erschienene Liebe Frau von der Empfängnis. Die Menschen aus der Region begannen, die Statue zu verehren, welche schließlich als Unsere Liebe Frau von Aparecida größere Bekanntheit und landesweite Verehrung erfuhr. Die erste Kapelle wurde 1745 erbaut.

Die Erhebung zur Königin und Nationalheiligen Brasiliens 

Unsere Liebe Frau von Aparecida wurde per Dekret von Papst Pius XI. am 16. Juli 1930 zur Königin Brasiliens und zur Nationalheiligen erhoben. Das Bildnis wurde bereits im Jahr 1904 im Namen des heiligen Papst Pius X. gekrönt. Nach 250 Jahren ungebrochener Verehrung kam Papst Paul VI. 1967 nach Aparecida und legte eine „Goldene Rose“ am Schrein ab; eine Geste, die Papst Benedikt XVI. am 12. Mai 2007 mit einer weiteren Rose wiederholte. Sie war der Akzent seiner apostolischen Reise nach Brasilien, in dem er die Bedeutsamkeit der Verehrung Mariens betonte. Die Botschaft von Brasilien schenkte dem Vatikan daraufhin eine Bronzereplik, die sich seit ihrer Übergabe an Papst Franziskus am 3. September 2016 in den vatikanischen Gärten befindet.

Papstbesuch in Aparecida

Papst Franziskus hat Brasiliens krisengebeutelter Bevölkerung Mut zugesprochen. Brasilien brauche Männer und Frauen voller Hoffnung und Glauben. Sie müssten zeigen, dass Solidarität und Gemeinsinn stärker seien als Egoismus und Korruption, sagte er in einer Videobotschaft, dessen Text der Vatikan am Donnerstag verbreitete. Anlass waren die Jubiläumsfeiern zur Auffindung des als wundertätig verehrten Marienbildes von Aparecida vor 300 Jahren. Brasilien steckt seit Monaten in einer Staatskrise. Hintergrund sind weitreichende Korruptionsvorwürfe gegen Politiker und Unternehmer, auch gegen Präsident Michel Temer.

Franziskus rief die katholischen Gläubigen auf, „die Hoffnung zu bewahren, sich von Gott überraschen zu lassen und in der Freude zu leben". Ein Christ dürfe „nie Pessimist sein", sagte der Papst. Er erinnerte auch an seinen Besuch im Wallfahrtsheiligtum Aparecida während seiner ersten Auslandsreise als Papst im Juli 2013. Damals hatte er den Wunsch geäußert, im Jubiläumsjahr 2017 noch einmal zu kommen; „aber das Leben eines Papstes ist nicht einfach", sagte er. Nichtsdestoweniger bekannte er vor seinem Schlusssegen im Video „große Sehnsucht nach Brasilien".

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