Als die Königin der Instrumente wird die Orgel gerne bezeichnet. Ihre Geschichte reicht zurück bis in das alte Ägypten. Bei den Griechen fanden schon Orgelwettspiele statt, bei den Römern galt sie als Luxusinstrument der Oberschicht. Ihr Gebrauch war zunächst rein weltlich bei Festspielen und Wettkämpfen im Amphitheater. Seit Tausenden von Jahren ist die Orgel Teil der musikalischen Kultur. Wann sie aber die Kirchenräume eroberte kann gar nicht so genau gesagt werden. Sicher ist, dass sie als Instrument schon lange bekannt war und bereits zu Anfang des 16. Jahrhunderts liturgisch eingesetzt wurde. Die Begleitung des Gemeindegesangs wurde aber erst im 17. und 18. Jahrhundert üblich. In dieser Zeit sind auch die bedeutenden Namen der Organisten und Orgelbauer anzusetzen, wie Johann Sebastian Bach und die Gebrüder Silbermann. Aufgrund dieser langen Tradition ist es auch nicht verwunderlich, dass die für die Orgel komponierte Musik ein weites Spektrum in allen Epochen umgreift.
Wenn die Orgel mit majestätischen Klängen den Kirchenraum zum Beben bringt, übt sie immer eine Faszination auf ihre Hörer aus. Was aber alles dahinter steht und welche enormen Herausforderungen an einen Organisten und den Orgelbauer gestellt werden, das bleibt meist im Hintergrund verborgen.
Ein „Lexikon der Orgel“ zu verfassen ist also kein einfaches Unterfangen. Der Stoff, den es zu ordnen und aufzubereiten gibt, ist sehr umfangreich. Eine Sprache zu finden, die es auch dem Laien ermöglicht, komplexe technische Details zu verstehen, macht dieses Vorhaben nur noch anspruchsvoller. Daher fehlte auch bisher ein derartiges ebenso kompaktes wie umfassendes Nachschlagewerk. Musiker und Musikfreunde, Lehrer oder Wissenschaftler, sowie Liebhaber der Orgel und alle, die sich beruflich oder privat mit der Orgel beschäftigten, kamen nicht ohne eine Fachbibliothek aus.
Diesen schwierigen Voraussetzungen stellten sich die Herausgeber Hermann J. Busch und Matthias Geuting. Busch studierte Musikwissenschaft, Kirchenmusik, Musikpädagogik, Geschichte und Psychologie in Mainz und Münster. Er ist Professor für Musikwissenschaft an der Universität Siegen. Seine Forschungsschwerpunkte sind in der Geschichte von Orgelmusik, Orgelspiel und Orgelbau. Er ist Herausgeber mehrerer Standardwerke zur Orgelinterpretation und hat über vierzig Neueditionen von Orgelmusik vorgelegt. Außerdem ist er als Experte für Orgelrestaurierungen und Orgelneubauten tätig.
Geuting studierte Kirchenmusik an der Folkwang Hochschule Essen sowie Musikwissenschaft, Philosophie und Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Er promovierte in Musikwissenschaft mit einer Arbeit über die Konzerte und Sonaten von Johann Sebastian Bach. Er ist tätig als Konzertorganist, Kammermusiker, Korrepetitor und freier Autor.
Vom Register bis zur Windlade
Aus mehrjähriger Zusammenarbeit von mehr als hundert Fachleuten ging dieses Nachschlagewerk hervor. Es umfasst in 988 Stichwörtern und 148 Illustrationen die Themenkreise Orgelkunde, Orgelbau und Orgelspiel. Auch wird ausführlich auf bedeutende Komponisten und ihre Werke sowie die Organisten und Pädagogen eingegangen. Gerade diese Personenartikel sind sehr gut gelungen, weil man sich hier nicht mit biographischen Details aufhält, sondern auf die Bedeutung der Person in der Orgelmusik, ihre Spielweise, ihre Werke und Aufführungspraxis eingegangen wird. Neu und wohl auch einzigartig sind die Artikel zu den Orgelbauern. Hier wird nicht nur in die Vergangenheit geblickt, sondern auch in die Gegenwart. Zahlreich werden alle wichtigen Erbauer von Orgeln und ihre Anteile an der Entwicklung des Instruments in Geschichte und – das ist neu – der Gegenwart aufgelistet. So findet man zum ersten mal gesammelt in einem Lexikon wichtige Informationen zu aktuellen Orgelbaufirmen mit Werkeverzeichnis.
Die Artikel zum Orgelbau und der Orgelkunde sind detailliert, aber immer noch verständlich formuliert. So offenbart sich auch dem Laien, was hinter den Fachwörtern Traktur, Windlade oder Setzer steht und wie diese arbeiten. Meist sind solche technischen Details zusätzlich durch einfache Zeichnungen erklärt. Auch kann man sich der Frage stellen, was denn überhaupt noch eine Orgel ist. Das Lexikon geht nämlich auch auf die Vorläufer und profanen Nebenlinien der Orgelentwicklung ein, von der antiken Wasserorgel bis zum Harmonium, von der Drehorgel bis zur Kinoorgel. Besonders in unserem digitalisierten Zeitalter gewinnen die elektronischen Orgeln, die versuchen, den Klang einer echten Pfeifenorgel zu imitieren, immer mehr an Bedeutung. Dies kommt ebenfalls zur Sprache.
Das Lexikon der Orgel ist wie üblich alphabetisch aufgebaut. Das Arbeiten erleichtert ein Artikelverzeichnis am Anfang. Hier hätten allerdings Seitenangaben das Suchen nach dem richtigen Artikel vereinfacht. Der Lexikonteil ist zweispaltig gesetzt, die Artikel und Absätze sind mit großzügigen Leerräumen unterteilt, was für eine gute Übersicht sorgt.
Danach folgt ein interessanter farbiger Bildteil. Hier wird ein gelungener Abriss über geschichtlich bedeutende Orgeln mit Bild, Disposition und kurzen Details sowie weiterführenden Literaturangaben gegeben. Die darauf folgende Bibliographie gibt eine Auswahl der wichtigsten Standardwerke zum Thema Orgel wieder. Abgerundet wird das Lexikon durch einen kurzen Glossar, einer Liste mit Musik- und Orgelmuseen sowie Internetlinks zu orgelspezifischen Themen. Tadellos ist auch die graphische und handwerkliche Qualität des Buches und verdient ein extra Lob.
Schon beim Blättern bleibt man immer wieder an interessanten Stichwörtern hängen. So erfährt man schnell, was man schon immer wissen wollte und wird durch nützliche Querverweise tief in die Materie eingeführt. Man wird mit den bautechnischen Einzelheiten der Orgel bekannt gemacht, vom Prospekt bis hin zum Register, vom Spieltisch bis hin zur Windlade. Jeder Artikel regt noch durch die Literaturangaben zum weiteren Studium an. Somit wird aus dem Fachnachschlagewerk auch gleich ein faszinierendes und fesselndes Lesebuch für ein spannendes Abenteuer durch die Welt der Orgel.
Das Lexikon der Orgel erscheint im Laaber-Verlag in einer Reihe als vierter von fünf Bänden. Die Instrumenten-Lexika widmen sich neben der Orgel auch der Violine, dem Klavier, der Flöte und der Gesangsstimme.