Solange Menschen atmen, werden sie Bilder brauchen.“ Unter diesem Motto stand am Sonntagabend eine Podiumsveranstaltung im Burkardushaus des Bistums Würzburg. Zum neunten Mal hatte der Priester und Inhaber des Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg, Martin Stuflesser, zu einer Gesprächsrunde zur „Liturgie der Zukunft“ eingeladen. Diesmal ging es um das Verhältnis von Liturgie und Kunst. Die religiöse Bildwelt spielte an diesem Abend eine besondere Rolle, denn der Gottesdienst ist nicht nur von der Kunst geprägt, sondern selbst eine Kunstform, eine „Ars celebrandi“, wie es in der Einladung hieß.
In diese Kunst führte der Mönch und Künstler Pater Meinrad Dufner OSB aus dem Koster Münsterschwarzach zu einem Abendlob gemeinsam mit dem Bischof von Würzburg, Friedhelm Hofmann, ein. Dabei lagen Gegenstände unter weißen Tüchern verborgen auf dem Boden vor dem Publikum. Pater Meinrad bat die Anwesenden, die Augen zu schließen – jeder sollte dann einen Gegenstand in die Hand gelegt bekommen und diesen erfühlen. „Wenn wir es sehen, haben wir schon unser Urteil und sind fertig damit“, erklärte er. Die Gegenstände waren dann Teller, Schalen, Schüsseln – Erinnerungen an das Abendmahl und an die Urzeichen Jesu mit dem Brechen des Brotes und dem Trinken des Weins. Die Eucharistie ist so einfach, sagte der Pater, wenn wir wieder die Bilder verstehen. Verdeutlicht wurde dies durch die Lesung Bischof Hofmanns über die wundersame Brotvermehrung. Dies alles geschah vor der Skulptur eines „Brotvermehrungsaltars“, in dessen Mittelpunkt ein silberner Becher und eine Hostienschale stand; an den Seitenwänden waren Gabeln und Löffel angebracht.
Die anschließende Diskussion wurde durch einen Kurzfilm der Künstlerin Danuta Karsten aus Recklinghausen vorbereitet, die eine Gastprofessur in Danzig hat und bereits europaweit Ausstellungen veranstaltete. In einer Premierenvorstellung des Films „Überschreibungen“ zeigte sie die Installation von 70 000 Oblaten, die an unsichtbaren Fäden in der Kirche St. Peter in Recklinghausen herabhingen. Von oben gesehen formieren sich die gleichmäßig angeordneten Oblatenreihen wie von selbst zu einem Kreuz. „Überschreibungen“ ist der Filmtitel, um auf die Geschichten und unzähligen Augenblicke in der Kirche seit dem 14. Jahrhundert ihrer Entstehung hinzuweisen.
Walter Zahner, Gesamtkurator des „Kunstprojekts zum Konzilsjubiläum 2015“ und Moderator des anschließenden Gesprächs, fragte Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und seit 2001 Honorarprofessor für Kunst und Liturgie an der Westfälischen Wilhelms-Universität, wo Kunst Räume eröffne. Professor Sternberg hielt es für wichtig, nicht vorschnell mit Interpretationen an Kunstwerke heranzugehen, sondern den Raum zu erleben; Kirchenräume sind beliebte Ausstellungsräume und die Kunst darin sollte gute Kunst sein, sonst sei sie langweilig. Gute Kunst müsse sich von selbst erschließen.
Für das Faszinosum zu interessieren sei die Aufgabe der Kunst, erklärte Bischof Hofmann, der auch Vorsitzender der Liturgiekommission sowie stellvertretender Vorsitzender der Kommission für Wissenschaft und Kultur der Deutschen Bischofskonferenz ist. Liturgische Räume werden zu Begegnungsräumen und können den Menschen helfen, auch Zugänge zur Kunst zu finden. Als besonderes Beispiel nannte Bischof Hofmann die Fenster von Gerhard Richter im Kölner Dom. Anders als Kardinal Meisner, der damals Heilige der letzten Jahre auf den Fenstern dargestellt haben wollte, habe sich Richter für eine nicht-figürliche Lösung entschieden. Die Lichtsymbolik der Südfenster habe damit eine Bildlichkeit gewonnen, die vom Mittelalter bis heute reiche. Richter, der in seinem Werk immer wieder nach der Bedeutung der Wirklichkeit fragte, habe mit den Fenstern gezeigt, das die ontologische Wirklichkeit tiefer liege als die scheinbar uns umgebende. Von Richter stamme auch der Ausdruck: „Meine Bilder sind klüger als ich“.
Nach Romano Guardini, das brachte Professor Sternberg in die Diskussion, sei es fraglich, ob der moderne Mensch noch in der Lage sei, die Zeichen zu lesen. Martin Stuflesser gab sich da optimistischer als Guardini und wies darauf hin, dass Grundgesten in das Menschsein eingeschrieben seien. Allerdings gebe es die Gefahr, dass Menschen verlernten, was gemeinsames Essen und Trinken bedeutet, wie es heute in vielen Familien bereits der Fall sei. Stuflesser zitierte auch einen Kernsatz aus der Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum concilium“, in der die Kirche auch durch Kunst dem Menschen auf dem Weg zum Glauben helfen wolle: „Das Heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen..“
Es gibt großartige Kunstwerke, die im Kirchenraum zur Sprache kommen, weil dieser Raum eine besondere Aura habe, die auch Künstler beeinflusse, sagte Bischof Hofmann. Allerdings, das habe ihm einmal der Künstler Georg Meistermann gesagt, sollte man eine kitschige Madonna, vor der Menschen beteten, nicht durch ein Kunstwerk ersetzen. Kunst trete mit einem eigenen Anspruch auf und verändere häufig die umgebende Atmosphäre.
Auch wurde über Werke von Ben Willikens, Henri Matisse und Neo Rauch gesprochen, die eine besondere religiöse Bildsprache verwenden. Dass wir nur in Bildern von Gott sprechen könnten, gehörte zur Essenz des durchweg gelungenen Abends. Man darf schon jetzt gespannt sein, wenn sich im kommenden Jahr wieder am 4. Dezember zum Gedenken an die Konstitution über die heilige Liturgie 1963 wieder ein Podium zusammenfinden wird.