Wer Lehrer heute fragt, welche Themen sie im Moment besonders herausfordernd erleben, der bekommt vielfältige Antworten: Verhaltensauffälligkeiten einzelner Kinder oder ganzer Gruppen, der Umgang mit digitalen Medien, eine adäquate Förderung sowohl besonders starker als auch besonders schwacher Schüler, die Zusammenarbeit mit den Eltern und auch die eigene Burnoutprophylaxe werden besonders häufig genannt.
Der Beruf des Lehrers hat sich in den letzten Jahren massiv gewandelt, wer ihn ausübt, steht vor vielen neuen Herausforderungen, die es täglich zu meistern gilt. Ganz aktuell konnte man das in der Corona-Krise erleben, als digitales Lernen plötzlich ein Muss war. Was Erziehungsberechtigte in der gegenwärtigen Situation zuhause leisten mussten und (weiterhin?) müssen, ist ungeahnt und bringt viele an ihre Grenzen. Was Lehrerinnen und Lehrer in dieser Zeit selbst neu lernen, erproben, organisieren und teilweise erfinden müssen, ebenso.
Neue Perspektiven für die Erziehungsgemeinschaft
Darin liegen aber auch Chancen. Peter Nothaft, der Direktor des Katholischen Schulwerks in Bayern, formuliert es folgendermaßen: „Letztlich liegt darin auch die Chance, die Erziehungsgemeinschaft, die sich insbesondere unsere katholischen Schulen ins Stammbuch geschrieben haben, in neuer Perspektive zu sehen und zu leben. Alle genannten Beteiligten brauchen einander, jede ,Rolle‘ kann ihre Aufgaben nur in der wechselseitigen Kenntnis und Wertschätzung der anderen gut wahrnehmen.“
Am Lehrstuhl für Schulpädagogik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnbergwurde im Auftrag des Katholischen Schulwerks in Bayern unter der Leitung von Frau Professor Michaela Gläser-Zikuda das Projekt „Erziehungsgemeinschaft an katholischen Schulen in Bayern“ evaluiert. Katholischen Schulen wird darin unter anderem ein bereits sehr hohes Niveau im Hinblick auf das schulische Wohlbefinden bescheinigt, zudem wird an Schulen in kirchlicher Trägerschaft generell sehr viel Wert auf ein positives Schul- und Unterrichtsklima und ein anspruchsvolles pädagogisches Profil gelegt.
Bildungsforscher wie Hattie, Ahnert und Gottmann betonen, dass die emotionale Verfügbarkeit von Lehrkräften und der angemessene Umgang mit Gefühlen bei den Schülern ein entscheidender Faktor für Schulerfolg und Motivation ist. Schüler brauchen verlässliche Lehrkräfte, die Struktur geben und bei Bedarf achtsam eingreifen können.
Die Mitgliedsschulen am Katholischen Schulwerk in Bayern sind auf einem guten Weg. Und um Qualität zu halten oder um einen positiven Schulentwicklungsprozess zu gestalten, bedarf es passgenauer Maßnahmen, um die Lehrkräfte für die aktuellen Herausforderungen fit zu machen. SchoolShip leistet dazu einen wesentlichen Beitrag. SchoolShip wurde exklusiv für katholische Schulen in Bayern entwickelt, um diesen Ansprüchen gerecht zu werden und das Qualitätskriterium katholischer Schulen – die Erziehungsgemeinschaft – maßgeblich zu unterstützen.
An katholischen Schulen „Leben in Fülle“ schaffen
Nothaft erstrebt für kirchliche Schulen ein eigenständiges Konzept, das besonders auch der christlichen Grundhaltung der Mitgliedsschulen gerecht wird. Dieses Training verbindet die christliche Haltung mit pädagogischem Handwerkszeug, so dass Lehrkräfte und Schulen, die dieses Konzept übernehmen, ihr christliches Profil stärken und gleichzeitig sicher im Umgang mit Schülern und Eltern werden können. Somit erfüllt dieses Training auch die Forderungen von Papst Franziskus in seinem Schreiben an die deutschen Katholiken zum Synodalen Weg, dass das Evangelium das Leben der einzelnen Menschen durchwirkt und wir uns um eine stetige Evangelisierung bemühen wollen. An den Schulen spiegelt sich Vieles, was auch die Gesellschaft trägt und durch dieses Training kann ein Beitrag geleistet werden, Lehrkräfte wieder an wesentliche Teile der Frohen Botschaft heranzuführen und diese auch im Alltag mit ihren Schülern, dem Kollegium und Eltern zu leben.
Die Inhalte von Schoolship greifen eine breite Palette des schulischen Alltags ab:
- Achtsamkeit und Quality-Time für Lehrkräfte und Schüler;
- Werte vermitteln und vorleben, beschreibend loben, ermutigen;
- Ressourcenorientiertes Vorgehen – der positive Blick auf den Schüler;
- gleichzeitig eigene Grenzen im Blick behalten, Grenzen ziehen bei inakzeptablem Verhalten;
- Lehrer-Schüler-Konflikte aktiv und gewinnbringend für alle lösen;
- verschiedene Verhaltensauffälligkeiten erkennen und Umgang damit üben;
- Umgang mit digitalen Medien bewältigen und steuern, verstehen, wo Jugendliche digital unterwegs sind;
- Feedback als Chance, den Lernzuwachs zu ermöglichen und auch die Lernbereitschaft zu erhöhen – das gilt auch für Lehrkräfte;
- Elterngespräche sinnvoll führen und Eltern als Partner in der Erziehung anerkennen, gemeinsam gute Lösungen finden.
Schnelle Umsetzbarkeit im Schulalltag
Das Ehepaar Doris und Diakon Stefan Zauner, beide Diplomtheologen und Pastoralpsychologen, hat das Training entwickelt. Für die beiden Autoren, Eltern von drei schulpflichtigen Jungs, war es wichtig, die schnelle Umsetzbarkeit in den Schulalltag zu ermöglichen, gleichzeitig aber auch fundierte Grundlagen zu schaffen, die zeigen, warum pädagogisches Handeln aus christlicher Perspektive nicht nur ein „Mehr“ im Schulalltag ist, sondern zur Prämisse im eigenen Handeln werden kann. Pastoralpsychologin Doris Zauner fasst es so zusammen: „Wenn Lehrkräfte erzählen, dass sie ihr eigenes berufliches Handeln verändern, Schüler mit anderen Augen sehen und sie erfahren, dass Beziehung und gegenseitige Wertschätzung zu einem besseren Klassen- und Lernklima führen, dann leben Lehrkräfte aktiv christliche Werte vor. Und Diakon Stefan Zauner ergänzt: „Damit leisten Lehrkräfte einen wichtigen Beitrag, dass Schule nicht nur ein Ort des Lernens ist, sondern dass ganz nach dem Grundprinzip katholischer Schulen, Schulen zu einem Ort des Lebens werden, wo ,Leben in Fülle‘ (Joh 10,10) möglich wird.“
So etwas kann aber nur gelingen, wenn man bereit ist, dies selbst zu leben. Wie die Autoren betonen, hat eine solche Haltung auch Auswirkungen auf das Zusammenleben in der Familie.
Es ist zu hoffen, dass viele Schulen ab September dieses Training abrufen und damit ihr christliches Profil stärken sowie einen guten Beitrag für den Schulerfolg jedes einzelnen Schülers leisten. Gleichzeitig betonen sie die Grundidee dieses Trainings: „Jede Schülerin und jeder Schüler ist wertvoll!“
Im Juni 2020 wurden 16 Trainer fertig ausgebildet, zertifiziert und mit einer Vielzahl von anschaulichen Materialien ausgestattet. Sie stehen somit ab dem neuen Schuljahr den 178 Mitgliedsschulen des Katholischen Schulwerks in Bayern zur Verfügung. Letztlich gilt es zu wünschen, dass die Arbeit mit SchoolShip Lehrkräfte in ihrer täglichen Arbeit entlastet und vielen Schülern an katholischen Schulen in einem wesentlichen Wegabschnitt ihres Lebens hilft, gut gestützt und begleitet zu lernen und zu leben.
Die Autorin ist Referentin für Schulentwicklung und Evaluation am Katholischen Schulwerk in Bayern sowie Verantwortliche für die Durchführung des Projekts SchoolShip.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe