Katholischer Religionsunterricht wird in Deutschland konfessionsübergreifend weder als Katechese noch als staatlich gelenkte Sonntagsschule verstanden, sondern als Mix aus Lebenshilfe und Hilfestellung, um Schüler „zu verantwortlichem Denken und Verhalten im Hinblick auf Religion und Glaube zu befähigen“, wie es in sprödem Beamtendeutsch heißt. Dieses Konzept verpflichtet den Lehrer zu einem hohen Maß an professioneller Diskretion: Er soll Zugänge zum Glauben zeigen und mit den Schülern Gottesbeweise und religiöse Fragestellungen durchdenken und diskutieren, ohne seinen Wissensvorsprung zu manipulativen Zwecken ausnutzen. Alles andere wäre Machtmissbrauch. Dass der Religionsunterricht diesem Anspruch selten genug Rechnung trägt, ist ein tristes Faktum.
Schüler werden vereinnahmt
Die jüngst veröffentlichte Materialsammlung für Religionsunterricht zum Synodalen Weg für die Sekundarstufe I und II entpuppt sich als Instrument, wie Schüler gegen alle pädagogischen Spielregeln vereinnahmt werden: Man schaue sich die Aufgabenstellung für das Rollenspiel „Mitglied der Synodalversammlung“ an: Falls Schüler überhaupt freiwillig zu einer Teilnahme am Synodalen Weg bereit sind, müssten sie, um reflektiert mitreden zu können, Kenntnisse der Schriftauslegung, Kirchengeschichte, Ekklesiologie und der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils mitbringen. Davon ist allerdings nicht auszugehen, zumal zweifelhaft ist, ob sich alle Religionslehrer auf diesem weitgesteckten Feld sicher bewegen. Die entsprechenden Rollenspiele von Schülern der Sekundarstufe I und II zu verlangen, läuft auf Entmündigung hinaus – als Marionette des Lehrers oder innerhalb der Gruppendynamik einer Klasse.
Auch die Einseitigkeit, mit der Schülern das weltkirchlich durchaus umstrittene Phänomen Synodaler Weg nicht nur als gangbar, sondern sogar als selbstverständlich vorgestellt wird, ist nicht frei von manipulativer Energie: Dass kritische Stimmen nur am Rande auftauchen, ist mehr als ein fachlicher Kunstfehler: Hier soll Meinung gemacht und nicht das selbstständige Denken angeregt werden.
Falsche Vorstellungen
Dass bei Schülern in Bezug auf den Synodalen Weg durch das Konzept falsche Vorstellungen über die Befugnisse und Kompetenzen genährt werden, legen Formulierungen wie „Grundlagen, Strategien und Verfahren, anhand derer Entscheidungen zu den Fragestellungen des Synodalen Weges gefällt werden könnten“ nahe. Auf dieser didaktischen Einbahnstraße führt kein Weg an sogenannten „Entscheidungen“ vorbei. Wie vielen Schülern wäre etwa die Verpflichtung zur Teilnahme an der Sonntagsmesse im katholischen Religionsunterricht noch in vergleichbarer Deutlichkeit vermittelt worden?
Flapsige Sprache
Ebenso problematisch ist die flapsige Sprache, die im Text über die Kirche verwandt wird. Ein seriöses Unterrichtskonzept wäre ohne Sprüche wie „Jesus verkündete das Reich Gottes – gekommen ist (enttäuschend genug) die Kirche“ ausgekommen. Dem pädagogischen Drill haftet ein Hauch forcierter Revolutionsromantik gegen die Kirche an: „Für Schülerinnen und Schüler, die diesen innerkirchlichen Debatten mehr und mehr befremdet gegenüberstehen, ergibt sich in der Auseinandersetzung mit den aktuellen Fragen die Chance, Kirche nicht als statisch und bewahrend, sondern auch als dynamisch, streitend und zukunftsorientiert wahrnehmen zu können“, belehrt das Dokument den Leser. Doch überschätzen die Autoren die innerkirchlichen Debatten gezollte Aufmerksamkeit damit nicht? Für viele Jugendliche liegt die katholische Kirche zu Gänze außerhalb ihrer Wahrnehmungssschwelle, andere registrieren sie gerade noch als moralische Instanz (Seite 12). Und wer könnte vernünftigerweise behaupten, einer an der überlieferten Lehre festhaltende Kirche fehle es an Dynamik, Streitbarkeit und Zukunftsorientierung? Nur wer zu Täuschung und Geschichtsklitterei im Unterricht entschlossen ist, könnte grünes Licht für dieses Papier geben.
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