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Oster: Kirche der Zukunft wird marianisch sein

Der Passauer Bischof Stefan Oster referierte im amerikanischen Steubenville über das „Fiat“ der Gottesmutter und dessen Bedeutung für die Kirche.
Passauer Bischof Stefan Oster bei einem Vortrag in Steubenville /USA
Foto: Armin Weigel (dpa) | Aus Marias ursprünglichen Fiat gehen „alle anderen Berufungen und Sendungen in der Kirche“ hervor, so der Passauer Bischof Stefan Oster in einem Vortrag in Steubenville /USA.

Wozu brauchen Christen Maria? Diese Frage beschäftigt nicht nur Protestanten, sondern längst auch Katholiken. Joseph Ratzinger hatte festgestellt, dass der „Sieg der ekklesiozentrischen Mariologie“ im Nachgang des Konzils zu einem „Kollaps der Mariologie überhaupt“ geführt habe und fragte: Warum eigentlich? Warum spielt „die Mariologie in den nachkonziliaren Ekklesiologien nahezu durchgehend eine untergeordnete Rolle“? Diese Fragen bildeten den Ausgangspunkt für die Betrachtungen des Passauer Bischofs Stefan Oster über die Rolle Mariens in der Kirche. Auf der Konferenz der „Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.“-Stiftung „Joseph Ratzinger’s Vision of the Church and Its Relevance for Contemporary Challenges“ letzte Woche in Steubenville (USA) referierte der Bischof über das „Fiat“ der Gottesmutter und die Zukunft der Kirche. Sein Fazit: Das Fiat Mariens und die Gegenwart Jesus sind die Motoren für die Kirche der Zukunft.  

Das ontologische ,Vorweg‘ als Mutter der Gläubigen

Ratzinger sei derjenige gewesen, so Oster, der immer wieder bemüht war, die „Marienvergessenheit zu überwinden“, habe man im Deutschen Spracheraum Maria bloß „auf private Frömmigkeitsformen im Gottesvolk“ reduziert. Und so war es das Anliegen des Bischofs, zu zeigen, dass Maria auch im „objektiven Sinn eines ontologischen ,Vorweg‘ als Mutter der Gläubigen und der Kirche verstanden werden könne — und seiner Ansicht nach müsse.

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Um dies zu erläutern, holte Oster weiter aus. Er zeichnete zwei Bilder desselben Gartens, um zu zeigen, „dass das Reich Gottes ein Reich der Freiheit, der Liebe und der Zuwendung Gottes zu seinen Kindern ist“, die Welt ohne Gott dagegen das Gegenteil von Paradies, mit entsprechenden Folgen. Im dersten Fall spiele das Kind in einem von den Eltern kultivierten Garten. Es wisse sich behütet und beschützt durch die Anwesenheit der es liebenden Eltern. Im andern Bild wird das Kind Fremden in denselben Garten gesetzt, allerdings als Waise. Er fühle sich ängstlich, schutzlos und einer bedrohlichen Welt ausgeliefert.

Kampfplatz des Überlebens

Der Waise stehe für Menschen, der nicht an die Anwesenheit Gottes glaubten und selbige nicht erführen. Für sie werde die Welt „zum Kampfplatz des Überlebens im Gegeneinander, in der Egozentrik, in der Gier nach Macht und Anerkennung, nach Genuss und Reichtum“, mit der Folge, dass der Mensch, „das ersehnte Glück, die ersehnte Herzensruhe ausschließlich in dieser Welt“ suchen müsse, gleichwohl spürend, dass dieses ersehnte Glück „irgendetwas mit Liebe zu tun haben muss“.

In diesen Kampfplatz hätten sich die Menschen immer wieder manövriert, so Oster. Und Immer wieder habe Gott in diese „verzweifelte Lage“ des sich von Gott abgewendeten Menschen gesprochen, ihm immer wieder neu seinen Bund angeboten — bis er schließlich beschloss, selbst in die Welt zu kommen, um sich zu entäußern, ans Kreuz zu gehen und dem Menschen dadurch ewiges Leben zu schenken. 

Maria als Eingangstor für Gott

Um dies tun zu können, brauchte er allerdings ein Eingangstor; jemanden, der fähig gewesen wäre, die Gabe — Gott selbst — zu empfangen, so dass Gott wirklich gegenwärtig werden konnte. Und das war Maria, die Gott geschaffen habe als „eine Antwortende, eine Empfängerin der Gabe, die ursprünglich so heil ist, dass sie mit ihrer ganzen Existenz ein Ja, ein ,Fiat‘ sagen kann, das so authentisch ist, dass Gott tatsächlich in ihr und durch sie zur Welt kommen kann“, erklärte Oster. 

Denn während alle anderen Menschen zwischen einer Gier, die das Große als Besitztum an sich reißen möchte und der Zurückweisung schwankten („Ich kann das unmöglich annehmen“), die nur eine Pseudodemut sei, „die sich nicht auf den Geber einlassen“, nicht von ihm abhängig machen wolle, sei Maria „seelisch und geistig von Gottes Gegenwart durchdrungen“ und absolut durchlässig für sein Wirken gewesen, führte der Bischof aus. Weil sie dem Wirken Gottes keinerlei Widerstand entgegengesetzt habe, sei die Atmosphäre „zwischen“ ihr und Gott „Anbruch des Reiches Gottes“.

Zurück ins Reich des Vaters

Durch Marias aus dem Glauben gesprochene Fiat konnte Gott in Jesus Christus „die Menschen als neue Gottesfamilie“ sammeln, sie „immer mehr befähigen, ihr eigenes, existenzielles Ja zu ihm zu sagen – und sie so nach Hause führen: ins Reich des Vaters“. Und schließlich, so Oster, gingen aus Marias ursprünglichen Fiat „alle anderen Berufungen und Sendungen in der Kirche“ hervor.

Darum sei Maria in einem „ontologischen Sinn ,Kirche im Ursprung‘, und zwar als konkrete Person, womit sie die Kirche, wie Ratzinger es formuliert habe, personalisiere. Oster wörtlich: „Sie ist konkretester Ort der Inkarnation – und damit im tiefstmöglichen Sinn die Verwirklichung des biblischen Bildes von der ,Wohnung Gottes unter den Menschen‘ (Offb 21,3)“. 

Ein Fiat aus der Freiheit vor Gott

Maria sei „die geschöpfliche Freiheit, die Braut im Gegenüber zum Bräutigam“, fügte der Bischof den Aspekt der Freiheit an. Daher komme dieses aus der Gnade ermöglichte Fiat „auch voll und ganz aus ihr selbst, aus ihrer Freiheit vor Gott“.  

Diese Freiheit, „die lebt aus einem ,In-Christus-Sein‘ das zugleich ein ,Gegenüber-zu-Christus‘ ist“, sei die Zukunft der Kirche und ihrer Sozialgestalt: Wo Menschen marianisch geprägt „miteinander beten und die absichtslose Liebe einüben – zueinander und zu den Menschen am Rand“, schloss Oster seine Ausführungen, „werden sie die Sehnsucht haben, dass möglichst viele andere mit dem Geheimnis in Berührung kommen, aus dem sie selbst leben: aus der Gegenwart Jesu und aus dem Fiat Mariens.“  DT/dsc

 

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