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Kommentar um „5 vor 12“: Ökumenische Illusionen

Das Petrusamt ist nicht rein funktional, sondern wesentlich für die Einheit der Christen.
Ökumenische Illusionen: Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios I.
Foto: Tolga Bozoglu (EPA) | Der Papst träumt nicht von einer nebulösen „versöhnten Verschiedenheit“, sondern strebt nach der Einheit im Glauben wie in den Sakramenten.

Es ist fast eine Liebesgeschichte: Was sich seit den ersten, brüderlichen Begegnungen zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras im Verhältnis zwischen dem Vatikan und dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel getan hat, ist revolutionär. Die Annäherung zwischen den Nachfolgern der Apostel-Brüder Petrus und Andreas hat gewiss auch mit der charakterlichen Größe und spirituellen Tiefe der jeweiligen Amtsinhaber zu tun. Viel mehr aber mit dem Willen und Gebet Christi, seine Jünger mögen „eins sein“.

Einheit im Glauben wie in den Sakramenten

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In seiner Botschaft an den orthodoxen Bruder in Konstantinopel zum Andreas-Fest bekräftigte Papst Franziskus nun das ökumenische Ziel der „Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft, die durch die Teilnahme am selben eucharistischen Altar zum Ausdruck kommt“. Der Papst träumt nicht von einer nebulösen „versöhnten Verschiedenheit“, sondern strebt nach der Einheit im Glauben wie in den Sakramenten. Dem kann Patriarch Bartholomaios sicher zustimmen, denn Kircheneinheit manifestiert sich nach orthodoxem Verständnis in der Eucharistie.

Rom und Konstantinopel drängen in diese Richtung, doch die Hindernisse sind groß: Die Ökumeniker unter den Orthodoxen können sich ein Amt der Einheit als Funktion und Rolle vorstellen, würden vielleicht gar den Bischof von Rom als „Ersten unter Gleichen“, als „Vorsitzenden in der Liebe“ akzeptieren. Aus katholischer Sicht ist das Petrusamt aber von Christus eingesetzt, damit göttlichen Rechts und von theologischer – nicht nur praktischer – Dimension. Hier muss der ökumenische Dialog noch hohe Hürden nehmen, die sich nicht etwa in der Relativierung des Ersten Vatikanums oder in der Frage erschöpfen, wie das Papstamt wahrgenommen wird.

Politisches Agieren hat die Kirche gekapert

Nichts belegt die Notwendigkeit eines starken Amtes der Einheit heute deutlicher als das Chaos, das zwischen den autokephalen orthodoxen Kirchen tobt. So brüderlich das Verhältnis zwischen Rom und Konstantinopel heute ist, so feindselig agiert Moskau gegenüber dem älteren Bruder in Konstantinopel. Die russische Orthodoxie bricht sogar die eucharistische Gemeinschaft – und damit die Kirchengemeinschaft – mit all jenen orthodoxen Kirchen ab, die im kirchenpolitischen Streit um die Ukraine auf Konstantinopels Seite sind. Da hat politisches Agieren die Kirche gekapert. Und das zerstört die kirchliche Einheit.

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