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Emotionale Erpressungsversuche

In innerkirchlichen Debatten ersetzen Befindlichkeiten oft den Austausch von Argumenten.
Kirche bei Toulouse
Foto: Imago Images | Im Binnenraum der katholischen Kirche hat sich seit Jahrzehnten ein Sprech herausgebildet, der nur schwer zu imitieren ist in seiner Mischung aus Sozialarbeiterjargon und Psychiatergesäusel.

Was haben sie nicht alle Erik Flügges Buch „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ gelobt. Der SPD-nahe Kommunikationsberater geißelte darin vor einigen Jahren den schablonenhaften Kirchensprech. Prediger und kirchliche Kommunikatoren lasen das Werk dankbar, hoffend, endlich Hinweise zu bekommen, wie sich die Blockade zwischen Sender und Empfänger lösen lassen würde. 

Ein Sprech, der nur schwer zu imitieren ist

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Und in der Tat hat sich im Binnenraum der katholischen Kirche seit Jahrzehnten ein Sprech herausgebildet, der nur schwer zu imitieren ist in seiner Mischung aus Sozialarbeiterjargon und Psychiatergesäusel. Da wird „ein Stück weit“ irgendwas „gespiegelt“, in Diskussionen dies und das „dazu gelegt“, lässt man die Dinge wechselweise „stehen“ oder „nachklingen“. Stoff für hundert Glossen.

Fairerweise muss man sagen: Jargon bildet sich fast unvermeidlich heraus. Das ist auch in anderen Kontexten so: Parteien, Sportvereinen, Startups. In einer auf Verkündigung ausgerichteten Institution wie der Kirche wird es dann zum Problem, wenn andere Menschen sich stirnrunzelnd abwenden, weil sie die Art zu kommunizieren albern finden oder schlicht nicht verstehen.

Schlimmer aber ist, dass die Betroffenheitsrhetorik zunehmend das Argument ersetzt. Wer die kirchliche Laufbahn durchschritten hat, hat in zahllosen Stuhlkreisen, Supervisionen und Personalgesprächen gelernt, dass kirchliche Vorgesetzte mit gerunzelter Stirn und Betroffenheitsjargon zu beeindrucken sind. Mit wievielen Worten wurde jetzt nicht auf dem Synodalen Weg das Lied vom „Ich leide an meiner Kirche“ gesungen, stets vom verständnisvollen Kopfwiegen der Bischöfe begleitet.

Kardinal Koch hat rote Linien aufgezeigt

Neuestes Beispiel: die katholische Dogmatikerin Dorothea Sattler. "Abgründig traurig" zeigte sie sich diese Woche angesichts der Kritik, die der im Vatikan für Ökumene zuständige Kardinal Kurt Koch an ihren Überlegungen zu eucharistischer Mahlgemeinschaft mit den Protestanten übte. Es mangele an Wertschätzung aus dem Vatikan. Dabei hat der Kardinal in einer Materie von höchster dogmatischer Bedeutung – der Eucharistie – rote Linien aufgezeigt, wie es seine Pflicht im Dienst des Petrusnachfolgers ist. Frau Sattler mag dem Kardinal, der für seine Besonnenheit wie seine Fachkenntnis bekannt ist, als Theologin widersprechen. Ihre vor Publikum ausgebreiteten Befindlichkeiten hätte sie aber besser für sich behalten. Sie ersetzen nicht das Argument.

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