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Coronakrise: Kardinal Sarah beleuchtet die spirituellen Hintergründe

In einem Interview mit Valeurs actuelles analysiert Kardinal Robert Sarah die spirituellen Zusammenhänge zwischen Coronakrise und einer von Allmächtigkeit besessenen Welt.
Robert Sarah stellt neues Buch vor
Foto: Paul Haring (KNA) | Robert Kardinal Sarah spricht in Interview über spirituelle Aspekte der Coronakrise

In einem ausführlichen Gespräch mit der französischen Wochenzeitschrift Valeurs actuelles untersucht der Kardinalpräfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Kardinal Robert Sarah, spirituelle Voraussetzungen und mögliche Folgen der Coronakrise. Denn das Virus habe sich als „Indikator“ erwiesen: Innerhalb weniger Wochen scheine „die große Illusion einer materialistischen Welt, die sich für allmächtig hielt, zusammengebrochen zu sein“. Und nun tauche ein mikroskopisch kleines Virus auf und „zwingt diese Welt in die Knie“, die „sich - trunken vor Selbstzufriedenheit - bewunderte, weil sie sich für unverwundbar hielt“. Doch die aktuelle Krise „ist ein Gleichnis“, wie der Kardinal anmerkt. Sie offenbare, wie viel von alldem, was man uns zu glauben aufforderte, „inkonsistent, fragil und inhaltsleer ist“. Man habe uns gesagt, „ihr werdet grenzenlos konsumieren können! Doch die Wirtschaft ist zusammengebrochen und die Aktienmärkte stürzen ab“. Uns sei versprochen worden, „die Grenzen der menschlichen Natur durch eine triumphierende Wissenschaft immer weiter zu verschieben. Man erzählte uns von künstlicher Befruchtung, von Leihmutterschaft, von Transhumanismus, von erweiterter Menschlichkeit“. Die Menschheit sollte durch die Erfolge der Biotechnologie „unbesiegbar und unsterblich“ werden. Doch nun lebten wir abgeschottet durch ein Virus, von dem man fast nichts wisse. Die „‘Epidemie‘ war ein überholtes Wort aus dem Mittelalter. Plötzlich ist es alltäglich geworden“. Die Gebrechlichkeit und die Verletzlichkeit des Menschen seien nun deutlich geworden.

Die Bedeutung der Beziehung zu Gott wiederentdecken

Kardinal Sarah hoffe, dass das Abgeschottet-Sein daheim uns ermöglichen werde, „uns aufs Neue den wesentlichen Dingen zuzuwenden, die Bedeutung unserer Beziehungen zu Gott wiederzuentdecken – und damit die zentrale Rolle des Gebets in der menschlichen Existenz. Und im Bewusstsein unserer Gebrechlichkeit uns Gott und seiner väterlichen Barmherzigkeit anzuvertrauen“. 

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Der große Irrtum des modernen Menschen bestehe darin, „radikal unabhängig“ sein zu wollen. Er wolle nicht von den Naturgesetzen abhängig sein. Er weigere sich, sich von anderen abhängig zu machen, indem er keine endgültigen Verbindungen wie die Ehe eingehe. Er betrachte es als „demütigend, von Gott abhängig zu sein“. Er meine, niemandem etwas schuldig zu sein. Doch all dies sei nur eine Illusion. Die Ausgangssperre habe vielen Menschen ermöglicht, wiederzuentdecken, „dass wir wirklich und konkret voneinander abhängig sind. Wenn alles zusammenbricht, bleiben die Bande der Ehe, der Familie und der Freundschaft. Wir haben wiederentdeckt, dass wir als Mitglieder einer Nation durch unsichtbare, aber reale Verbindungen miteinander verbunden sind. Insbesondere haben wir wiederentdeckt, dass wir von Gott abhängig sind“.

Eine Woge der Stille hat Europa überflutet

Dass es sich derzeit um eine spirituelle Krise handele, erkennt Kardinal Sarah in der „Woge der Stille, die Europa überflutet hat“. Schlagartig „haben sich sogar unsere lärmenden Städte innerhalb weniger Stunden beruhigt. Unsere Straßen, auf denen es von Menschen und Maschinen nur so wimmelte, sind heute menschenleer und still. Viele Menschen sind mittlerweile alleine in der Stille in ihren Wohnungen, die zu Einsiedeleien oder Klosterzellen geworden sind. Was für ein Paradox! Es bedurfte eines Virus, dass wir verstummen“. Und plötzlich sei uns bewusst geworden, dass unser Leben fragil ist: „Wir haben erkannt, dass der Tod nicht weit ist“. All das, was uns stark beschäftigte - unsere Volkswirtschaften, unser Urlaub, die Kontroversen in den Medien - erscheine uns nun „nebensächlich und müßig“. Und wenn wir nun in dieser Stille und Einsamkeit ganz einfach „wagen zu beten? Wenn wir es wagen, unsere Familie und unser Haus in eine Hauskirche zu verwandeln?“, fragt der Kardinal. 

 

DT/ks

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