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Christus „amazonisieren“?

In seinem Interview mit Valeurs actuelles geht Kardinal Robert Sarah auf die großen Herausforderungen ein, die die Kirche heute bedrängen: Amazonassynode, Zölibat und Synodaler Weg .
Kurienkardinal Robert Sarah zum Priestermangel
Foto: Benedikt Plesker | Kardinal Sarah spricht im Interview über Amazonassynode, Zölibat und Synodalen Weg.

Nach seiner Analyse der Zusammenhänge zwischen Coronakrise und einer aus den Fugen geratenen globalisierten Welt, wendet sich Kardinal Robert Sarah in seinem Gespräch mit dem französischen Magazin weiteren Problemen zu, die der katholischen Kirche aktuell zusetzen.

So geht es auch um die Frage nach dem Zölibat, der von ihm in seinem jüngst erschienenen Buch „Aus der Tiefe des Herzens“ entschieden verteidigt wurde. Sarah sei „äußerst betroffen gewesen von der Heftigkeit und den groben Verleumdungen, die seit dem Erscheinen des Buches tobten“. Benedikt XVI. und er wollten eine „Grundsatzdebatte“, „eine ruhige, objektive und theologische Reflexion“ über Priestertum und Zölibat eröffnen. Doch sie standen plötzlich „hasserfüllten, lügenhaften und verleumderischen Anschuldigungen“ gegenüber: „Man wollte uns abqualifizieren, indem man uns zu Naivlingen erklärte, zu Opfern einer redaktionellen Manipulation. Ich habe viele Beschimpfungen und Kränkungen gelesen, aber sehr wenige theologische und pastorale Gedanken“.

Die Überlegungen von Benedikt XVI. und Kardinal Sarah sollten von der Amazonassynode unabhängig sein und seien in „einem Geist des tiefen kindlichen Gehorsams gegenüber dem Heiligen Vater verfasst. Wir wollten unseren bischöflichen Auftrag erfüllen: dem Papst und unseren Brüdern im Episkopat eine ruhige, im Gebet gereifte Reflexion liefern“. Sarah erhalte jeden Tag „ergreifende Zeugnisse von Priestern und Bischöfen, die mir sagen, wie sehr diese Zeilen sie gestärkt und zum Fundament ihres priesterlichen Lebens zurückgebracht hätten“.

Enttäuschung und Verdruss

Nach der Herausgabe des nachsynodalen Apostolischen Schreibens „Querida Amazonia“ hätten einige Prälaten „Enttäuschung und Verdruss“ bekundet. Sie seien jedoch nicht wegen der Völker Amazoniens besorgt, sondern deswegen enttäuscht gewesen, „weil die Kirche, ihrer Ansicht nach, diese Gelegenheit hätte nutzen sollen, um sich auf die moderne Welt einzustellen“. In diesem Augenblick sei deutlich geworden, so Sarah, dass das amazonische Anliegen „instrumentalisiert worden war. Man hatte die Nöte der Armen benutzt, um ideologische Projekte voranzutreiben“. Man wollte Jesus Christus „amazonisieren“ und „ihn mit den Glaubensvorstellungen und Praktiken der Einwohner Amazoniens vermählen, indem man diesen ein an ihre Situation angepasstes Priestertum nach menschlichem Maß vorschlug“. Doch die Völker Amazoniens und Afrikas brauchten einen „gekreuzigten Christus“, der für „Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ sei.

Die Einheit der Katholiken gründe sich, so Sarah, auf die Offenbarung, die Christus uns hinterlassen hat: „Wenn jeder seine Meinung, seine Neuerung verteidigt, wird sich die Spaltung überall ausbreiten. Die Häresie ist der wahre Feind der Einheit. Ich stelle bestürzt fest, dass der Subjektivismus die Debatten hysterisiert“. Wenn man „die unantastbare Objektivität des Glaubens infrage stellt“, verwandele sich alles in persönliche „Rivalitäten und Machtkämpfe“: „Weil die Diktatur des Relativismus das ruhige Vertrauen in die geoffenbarte Wahrheit zerstört, verhindert sie eine Atmosphäre der friedlichen Nächstenliebe zwischen den Menschen“.

Die Einheit des Glaubens „setzt die Einheit des Lehramtes in Raum und Zeit voraus. Wenn uns eine neue Lehre geschenkt wird, muss sie immer in Übereinstimmung mit der ihr vorangegangenen Lehre interpretiert werden. Wenn wir Brüche und Revolutionen einführen, zerschmettern wir die Einheit, die die heilige Kirche durch die Jahrhunderte leitet. Das bedeutet nicht, dass wir zur Starrheit verdammt sind. Doch jegliche Entwicklung muss ein besseres Verständnis und eine Vertiefung der Vergangenheit sein“.

Eine reiche deutsche Kirche

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Was sich derzeit in Deutschland mit dem Synodalen Weg abspiele, sei „schlimm“, betont Kardinal Sarah: „Man hat den Eindruck, dass die Glaubenswahrheiten und die Gebote des Evangeliums zur Abstimmung gestellt werden. Mit welchem Recht sollten wir beschließen können, auf einen Teil der Lehre Christi zu verzichten? Ich weiß, dass viele deutsche Katholiken unter dieser Situation leiden“.

Die Kirche Deutschlands sei „zu reich“. Wenn man über Geld verfüge, „ist man versucht, alles zu tun: die Offenbarung zu verändern, ein anderes Lehramt zu schaffen, eine nicht mehr eine, heilige, katholische und apostolische, sondern eine deutsche Kirche zu gründen. Das Risiko besteht für sie darin, sich für eine der weltlichen Institutionen zu halten“. Daher möchte der Kardinal seine deutschen Brüder auffordern, „die Erfahrung der Armut zu machen und auf die Subventionen des Staates zu verzichten. Eine arme Kirche wird keine Angst vor der Radikalität des Evangeliums haben. Ich glaube, dass unsere Bindungen an das Geld oder an die weltliche Macht uns oft zögerlich oder sogar feige machen, die Frohe Botschaft zu verkünden“.

 

 

DT/ks

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