Exzellenz, in der römischen Kurie herrschen verschiedene Meinungen über den Synodalen Weg in Deutschland. Kardinal Hollerich zufolge reden über ein drohendes Schisma nur Menschen, die sich über ein Schisma freuen würden. Kardinal Ouellet andererseits warnt ausdrücklich vor einem Schisma. Wovon hängt unter diesen Umständen der Erfolg des Synodalen Prozesses der Weltkirche ab?
Ehrlich gesagt kenne ich niemanden und kann mir niemanden vorstellen, der sich über ein Schisma freuen würde - mit Ausnahme des Teufels oder anderer Feinde der Kirche. Der Synodale Prozess wurde als eine Zeit des Gebets und des wahrhaftigen Hörens auf den Heiligen Geist erdacht. Der Geist würde sicher nie im Widerspruch zur Heiligen Schrift oder zur Überlieferung, die eine Quelle der göttlichen Offenbarung ist (vgl.
"Dei Verbum"), stehen.
"Ehrlich gesagt kenne ich niemanden
und kann mir niemanden vorstellen,
der sich über ein Schisma freuen würde"
Ich habe allzu viele Versuche beobachtet, diesen Prozess entweder dafür zu benutzen, Klagen zu äußern oder ein Programm durchzusetzen. Es ist besorgniserregend, dass weniger als ein Prozent der katholischen Bevölkerung weltweit an dem Prozess teilgenommen hat. Natürlich ist er nicht als Kongress gedacht, aber man hätte sich erhofft, dass bei den verschiedenen Gelegenheiten, die es gegeben hat, mehr Menschen gebetet und auf den Heiligen Geist gehört hätten.
Und die Spaltungsgefahr?
Die Gefahr einer Spaltung besteht, sofern nicht, wie manche zu verstehen gegeben haben, die Versammlung stattfindet, Stimmen von allen Seiten gehört werden und der römische Papst nach seinem Ermessen handelt. So ist es bei der Sonderversammlung der Bischofssynode für die Pan-Amazonas-Region geschehen. Jeder Versuch, momentane Differenzen in puncto Meinungen oder Vorgehensweisen zu verschärfen, sollte sicher vermieden werden.
Der Vorsitzende der deutschen Bischöfe und einige seiner Mitbrüder haben sich dem klaren Verbot, einen Synodalen Rat einzurichten, das Rom mit Blick auf die deutschen Bischöfe ausgesprochen hat, widersetzt. Was raten Sie den deutschen Katholiken?
Die Kirche hat sich immer nach der Redensart gerichtet: "Roma locuta - causa finita". Treue deutsche Katholiken werden der Lehre des Bischofs von Rom und seiner Ratgeber folgen und Abstand davon nehmen, sich von Synodalen Räten oder sonst etwas beeinflussen zu lassen, das der Papst zurückgewiesen hat ("Lumen gentium"). Das ist 1517 mit den 95 Thesen Martin Luthers geschehen. Während damals die örtlichen Fürsten die fast ausschließliche Entscheidungsgewalt besaßen, haben die deutschen Katholiken heute die Freiheit, Papst Franziskus zu gehorchen und in der Kirche zu bleiben. Der Glanz der Wahrheit muss bewahrt werden und von ihm sollten sich die deutschen Katholiken anziehen lassen. Diejenigen, die sich anders entscheiden, werden sich außerhalb der Kirche stellen. Wenn wir das Wort Exkommunikation verwenden, vergessen wir fast immer, dass der Betreffende sich selbst außerhalb der Gemeinschaft mit der Kirche stellt und nicht andersherum.
Seit der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils und sogar schon vorher hat es enorme Anstrengungen gegeben, die Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften wieder zusammenzuführen, die sich zuerst beim Großen Schisma zwischen Ost und West und dann bei der protestantischen Reformation abgespaltet haben. Warum würde irgendjemand Rückschritte machen und sich von der katholischen Kirche trennen wollen? Werden wir weitere 500 Jahre auf Versuche zur Wiedervereinigung warten? Es wäre sicher besser zu gehorchen und eine neue Wunde in der katholischen Kirche zu vermeiden. Ich denke, dass Stolz in diesem Prozess eine Rolle spielt. Manchmal scheint es, als ob einige Menschen sich wie ein Kind verhielten, das seinen Willen durchsetzen will oder das Spiel findet nicht statt.
"Von außen sieht es so aus, als sei die Megastruktur
der Deutschen Bischofskonferenz wie ein Schwanz,
der mit dem Hund wedelt"
Von außen sieht es so aus, als sei die Megastruktur der Deutschen Bischofskonferenz wie ein Schwanz, der mit dem Hund wedelt. Sie haben ihr Beschäftigungsverhältnis aufrechtzuerhalten und die Struktur zu tragen. Ist das nicht der Motor, der den Zug antreibt?
Auch von liberalen Katholiken in den Vereinigten Staaten gibt es Forderungen, die Lehren der Kirche zu verändern. Wie gehen Sie damit um?
Die kirchliche Lehre, die der göttlichen Offenbarung entspringt, kann nicht geändert werden. Das sollte klar konstatiert und niemand getäuscht werden. Sich einzelne Abschnitte aus der Bibel wie Rosinen herauszupicken, ohne die gesamte Lehre im Auge zu haben, ist immer als Häresie bezeichnet worden. Eine Wahrheit unter Ausschluss anderer auszuwählen ist schlicht und einfach ein falsches Verfahren. Ein Beispiel wäre die Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes. Ja, wir alle sind auf seine Barmherzigkeit angewiesen, doch man kann nur durch Reue und den festen Vorsatz, sich zu bessern, Anspruch darauf erheben, diese Barmherzigkeit zu erlangen. Jesus hat zu der Ehebrecherin gesagt, er verurteile sie nicht, aber er hat ihr auch aufgetragen, nicht mehr zu sündigen. Beide Teile dieser Perikope sind wichtig. Man kann nicht den ersten Teil unter Ausschluss des zweiten herausgreifen.
Jesus lädt uns zur Umkehr ein und gibt uns die Gnade dazu, doch wir müssen diese Gnade annehmen. Wir haben nicht die Befugnis, die Lehre des Einen zurückzuweisen, nach dem wir uns Christen nennen. Ich glaube, das muss man denen, die verlangen, die Kirche solle fundamentale dogmatische Wahrheiten ändern, immer wieder gewissenhaft sagen. Wir können es einfach nicht, wenn wir weiter katholisch bleiben wollen.
Welche Themen sollten Ihrer Meinung nach den Vorrang im Synodalen Prozess haben?
Zuallererst muss die Synode die Evangelisierung ansprechen. Die Aussendung der Apostel durch Jesus zu Beginn der Apostelgeschichte und am Ende der synoptischen Evangelien ist ganz klar. Der Auftrag für alle Zeiten ist, das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu verkündigen. Der heilige Johannes Paul II. hat die Aufgabe vom heiligen Paul VI. übernommen und zum Aufruf für die gesamte Kirche gemacht. Das Interesse für die missionarische Dimension der Kirche scheint zu schwinden, doch es sollte an erster Stelle stehen.
Die Synode sollte erörtern, wie wir andere Menschen mit dem Evangelium erreichen und alle Gläubigen in echte missionarische Jünger verwandeln können. Dieser Prozess ist damit verbunden, junge Menschen zum Glauben einzuladen, digitale Medien zu nutzen, Kontakt zu halten sowie Neubekehrte und Menschen, die Fragen stellen, zu begleiten. Es heißt nicht, die Forderungen des Evangeliums auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu reduzieren. Ein zweites Thema könnten die Berufungen sein. Sie scheinen überall da zurückzugehen, wo der materielle Wohlstand wächst. Dieses Thema ist zweifellos auch mit der Evangelisierung verbunden.
Ein drittes Thema könnte die Religionsfreiheit sein. Wir sehen, wie die Möglichkeit, das Evangelium zu verkünden, in vielen Ländern der ersten Welt beschnitten wird. Dem Wohlstand und geheimen - wenn auch manchmal sehr offenen - Versuchen, jede Stimme zum Schweigen zu bringen, die nicht der derzeitigen Mentalität folgt, muss irgendwie entgegengetreten werden, damit die Menschen die Wahrheit wenigstens hören können. Was Präsident Ortega in Nicaragua öffentlich getan hat, indem er jeden, der nicht seiner Meinung war, einsperrte, zum Schweigen brachte oder aus dem Land wies, geschieht in wohlhabenderen Gesellschaften häufig auf unmerklichere Weise.
Übersetzung aus dem Englischen von Claudia Reimüller
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