An der Via Appia, die südlich aus Rom herausführt, liegen mehrere frühchristliche Friedhöfe, sogenannte „Katakomben“. Der Name leitet sich von „ad catacumbas“ ab, wie in der Antike der Ort hieß, wo seit dem 4. Jahrhundert die Basilika des heiligen Sebastian, eine der sieben Pilgerkirchen Roms, steht. An den Gräbern der Märtyrer versammelten sich die Christen, um gemeinsam die Eucharistie zu feiern. Einer dieser römischen Märtyrer war der heilige Sebastian, dessen Gedenktag die Kirche am 20. Januar feiert.
Über Sebastian selbst gibt es nur wenige zuverlässige historische Notizen. Der heilige Ambrosius sagte in einer Predigt, dass Sebastian ursprünglich aus Mailand stammte, wo er um das Jahr 280 geboren sein muss, da er als junger Mann nach Rom ging, um dort unter Kaiser Diokletian in der Prätorianergarde, der kaiserlichen Leibwache, zu dienen. Als er sich vor Kaiser Diokletian als Christ bekannte, ließ dieser ihn hinrichten: Sebastian wurde an einen Pfahl gebunden und von seinen Kameraden mit Pfeilen erschossen.
Legendenhafte Vita
Eine spätere legendenhafte Vita berichtet, dass er dieses „erste Martyrium“ überlebte. Eine Christin namens Lucina nahm ihn mit nach Hause und pflegte ihn gesund. Wieder genesen, ging er erneut zu Diokletian, um für die Christen Fürsprache einzulegen, und Diokletian verurteilte ihn erneut zum Tode. Diesmal wurde er erschlagen und starb in diesem „zweiten Martyrium“.
Wichtiger als die historisch wenig zuverlässige Lebensbeschreibung ist die Tatsache, dass die Grabstelle des heiligen Sebastian vom 4. Jahrhundert bis heute immer bekannt war und durch alle Jahrhunderte hindurch Pilger angezogen hat. Sie ist daher unzweifelhaft authentisch und von großem Wert, da sich Christen aller Jahrhunderte an dieser Stelle – bis heute – zur Eucharistiefeier versammelt haben.
Frühe Pilgerstätte
Schon früh wurde der Ort zur Pilgerstätte, und Papst Damasus ließ gegen Ende des 4. Jahrhunderts den Raum um das Grab erweitern und die Basilika darüber erbauen, von der aus man zum Grab wie in eine Krypta hinuntersteigen konnte. Als Rom gegen Ende des 7. Jahrhunderts von einer Pest heimgesucht wurde, trug man die Sebastiansreliquien in einer feierlichen Prozession durch die Stadt, wonach die Seuche zurückging. Seitdem gehört Sebastian zu den sogenannten „Pestheiligen“. Aus diesem Grund ließ Papst Gregor IV. im Jahr 830 die Reliquien des heiligen Sebastian aus der Katakombe in die Petersbasilika überführen, und zwar in die Kapelle seines Namensvetters Gregors des Großen. Dieser hatte im Jahr 590 einer schweren Pestepidemie, der auch sein Vorgänger Pelagius II. zum Opfer gefallen war, mit einer großen Bittprozession durch Rom unter dem Gesang der Allerheiligenlitanei ein Ende gesetzt und bestimmt, dass diese Litanei an jedem 25. April, dem Fest des Evangelisten Markus, gesungen werden soll, um Seuchen fernzuhalten.
Lebendige Verehrung
In der Basilika des heiligen Sebastian an der Via Appia verblieben nur wenige Reliquien des Märtyrers, die jedes Jahr um den 20. Januar herum feierlich ausgestellt werden.
Einen besonderen Platz erhielt die Kopfreliquie des heiligen Sebastian: Sie kam in einen eigenen Schrein, der in die Basilika Santi Quattro Coronati überführt wurde, wo sich zahlreiche Reliquien der frühen römischen Märtyrer befinden. Noch heute steht der Schrein mit der Kopfreliquie in einer kleinen Nische über einem Altar im linken Seitenschiff der Basilika. Die dort ansässige Gemeinschaft der Klausur-Augustinerinnen singt dort an jedem 20. Januar die Allerheiligenlitanei im Gedenken an den heiligen Sebastian und die anderen frühen Märtyrer. So ist die Verehrung des heiligen Sebastian, auch wenn von seiner persönlichen Geschichte historisch wenig überliefert ist, in Rom seit der Antike durch das Mittelalter hindurch bis heute lebendig.
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