In der vergangenen Woche hielt Papst Franziskus seine jährliche Ansprache an die Römische Rota. Darin forderte er die Richter in den Ehenichtigkeitsverfahren unter anderem auf, sich stärker Gedanken darüber zu machen, was aus jenen Partnern wird, die „die Nichtigkeitserklärung nicht akzeptieren“. Am 4. Februar feiert die Kirche den Gedenktag der heiligen Johanna von Valois, die dieses Schicksal teilte: Ihre Ehe wurde aus politischen Gründen für nichtig erklärt, obgleich sie selbst dies als Unrecht betrachtete.
Von zu Hause verstoßen
Johanna von Valois wurde am 23. April 1464 geboren. Ihre Mutter, Charlotte von Savoyen, war schon mit zehn Jahren in eine Ehe mit dem despotischen und grausamen König Ludwig XI. von Frankreich gezwungen worden, und Johanna war ihr viertes Kind – zum Bedauern ihres Vaters wieder nur eine Tochter und nicht der erhoffte Thronerbe. Außerdem litt Johanna unter einer Verkrümmung der Wirbelsäule und hinkte, weshalb man sie als minderwertig betrachtete und mit fünf Jahren vom Königshof entfernte. Sie wuchs bei Verwandten in der Provinz Berry auf. Hier entwickelte sie eine tiefe Spiritualität, meditierte oft über die Wundmale Christi und fühlte sich besonders angesprochen von dem Satz, den Christus am Kreuz zu Johannes sagte: „Das ist deine Mutter.“ Die Nachahmung der Tugenden Mariens wurde zu einem Leitfaden in ihrem Leben, unterstützt von einem einfühlsamen Beichtvater aus dem Franziskanerorden.
Mit zwölf Jahren erlitt Johanna eine weitere Demütigung. Sie wurde auf Wunsch ihres Vaters mit ihrem 14-jährigen Cousin Ludwig von Orléans verheiratet, aus einem perfiden Grund: Das verwachsene Mädchen galt als gebärunfähig, und durch die Eheschließung sollte verhindert werden, dass eventuelle Nachkommen aus dem Haus Orléans dem Haus Valois die Herrschaft streitig machen würden. Aber die Rechnung ging nicht auf: Als Ludwig XI. 1483 starb, folgte ihm zwar zunächst Johannas jüngerer Bruder Karl auf den Thron. Dieser starb jedoch 1498 durch einen Unfall, ohne Kinder zu hinterlassen. So fiel die Herrschaft doch an das Haus Orléans, und aus Johannas Ehemann wurde König Ludwig XII.
Befreit von der Unterwerfung
Dieser wollte jetzt so schnell wie möglich die ungeliebte Ehefrau loswerden, um die junge Witwe seines Vorgängers zu heiraten. Bereits von der feierlichen Krönungsmesse im Mai 1498 in Reims wurde Johanna ausgeschlossen, und noch im selben Jahr bat Ludwig XII. Papst Alexander VI. um eine Annullierung der kinderlosen Ehe mit Johanna. Das Ehenichtigkeitsverfahren wurde im August 1498 eröffnet. Bei ihrer Anhörung in der Kathedrale von Tours protestierte Johanna, als Ludwig behauptete, die Ehe sei nie vollzogen worden; sie verlangte von ihrem Mann einen öffentlichen Eid auf seine Aussage. Als Ludwig diesen leistete, gab Johanna sich geschlagen, auch wenn sie es als Unrecht empfand; die Ehe wurde am 17. Dezember 1498 für nichtig erklärt.
Zu ihrem Beichtvater sagte sie später: „In diesem Augenblick erwies unser Herr mir eine Gnade: Als ich die Nachricht vernahm, legte er mir die Überzeugung ins Herz, dass Gott es gestattet hatte, damit ich das Gute tun kann, was ich mir so sehr gewünscht hatte. Ich habe in den 22 Jahren, in denen ich mit dem König, meinem Ehemann, verheiratet war, nicht das Gute tun können, das ich mir gewünscht hätte. Jetzt kann ich jedoch meine Genugtuung bekommen, um tugendhaft zu leben, da ich von jeder Unterwerfung unter einen Mann befreit bin.“
Nachahmung der Tugenden Mariens Herzstück des Ordens und seiner Gründerin
1502 gründete Johanna, der nach der Annullierung ihrer Ehe der Titel „Herzogin von Berry“ zuerkannt worden war, die kontemplative Ordensgemeinschaft der „Annuntiantinnen“, für die sie selbst die Regel verfasst hatte. Sie legte 1504 im Kloster von Bourges die Ordensgelübde ab. Hier starb sie am 4. Februar 1505, im Ruf der Heiligkeit. Sie wurde 1742 selig- und am 28. Mai 1950 von Papst Pius XII. heiliggesprochen. Derzeit gibt es noch sieben Klöster der „Annuntiantinnen“ in Frankreich und eines in Belgien. Das Herzstück ihrer Spiritualität ist bis heute die Nachahmung der Tugenden Mariens.
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