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Hausmadonnen: Wortlose Katechese an Hauswänden

Sie hängen an Häusern in Nischen. Verkündigung als Teil der Architektur. Hausmadonnen weisen Passanten auf die Geheimnisse des Glaubens hin. 
Königin des Himmels
Foto: Richter Fotoagentur | Gekrönt und mit Zepter wacht die Himmelskönigin über eine Straße in Regensburg.

Die Lichtspur des Glaubens durchzieht die Altstadt von Regensburg, die von historischen Gebäuden, Kunstwerken und zugleich einer lebendigen Marienfrömmigkeit gekennzeichnet ist. Entdeckt werden können Madonnen und Mariendarstellungen nicht allein in den Kirchen, insbesondere im Hohen Dom St. Peter, sondern auch an zahlreichen Häusern der mittelalterlich geprägten Stadt. Die Autoren dieses Bandes, herausgegeben vom Regensburger Institutum Marianum, heben zugleich behutsam und bewusst hervor, dass die Spuren eines marianisch kolorierten, christozentrischen Glaubens bis heute tief eingezeichnet sind in das Herz der Diözese. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer macht auf die „bemerkenswerte Tradition“ aufmerksam, die „offene und gläubig-geschulte Augen“ entdecken können.

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Zeugnisse an Wänden

Hausmadonnen zählt er zu den „sichtbar angebrachten Zeichen gläubigen Vertrauens, religiöser Identität und christlichen Bekenntnisses“. Im Glauben des Credos der Kirche verwurzelt zu sein, sich der Fürsprache Mariens und der Hausheiligen anzuvertrauen, das musste und muss weder schamhaft versteckt noch umständlich erläutert werden. Dies zeigen auch die „Kleinkunstwerke“, zu deren Entdeckung dieses Buch einlädt. Achim Dittrich schreibt über die Madonnenfiguren an „kirchlichen wie profanen Häusern“ in Regensburg: „Dort harrt die Mutter in schlichten Nischen, aber auch auf kunstvollen Podesten und Konsolen, unter ansprechenden wie praktischen Baldachinen; sie will den Passanten auf die Geheimnisse des Glaubens hinweisen: die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus, seinen Opfertod, seine Auferstehung, die Wirklichkeit und Herrlichkeit des Himmels, die Gnade Gottes. Sie ist Fürsprecherin, Vorbild, königliche Statthalterin, Gnadenmittlerin.“

Die biblische und theologische Fundierung der Marienverehrung wird kenntnisreich und anschaulich, auch für Laien verständlich, dargelegt. Dittrich zeigt, dass die Marienverehrung „zur Entfaltung des Evangeliums durch die Kirche von Anfang an“ dazugehört, also mitnichten eine frömmlerische Beigabe sentimentaler Gemüter ist. Die „Glaubensmutter Maria“, die am „häufigsten dargestellte Frau der Weltgeschichte“, deren Antlitz wir aber, wie Maria Baumann schreibt, nicht kennen, bleibt gegenwärtig, konkret präsent im Stadtbild von Regensburg. Sie beschreibt, wie in einer Darstellung des Erminoldmeisters die Muttergottes zugleich als „hoheitsvolle Himmelskönigin“ und als „liebevolle Mutter“ in „anmutiger Haltung“ erscheint, den Gläubigen Trost und Zuwendung schenkt.

Erneuerung des Glaubens

Die Geschichte der Marienverehrung in Regensburg würdigt Adolfine Treiber in ihrem instruktiven Beitrag und schildert in diesem Zusammenhang auch besonders das segensreiche Wirken von Bischof Rudolf Graber. Kurz vor Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils hatte er zu einem großen Gebets- und Sühnetag eingeladen, zu dem über 100 000 Gläubige sich versammelten. Unter einem Freialtar war das Gnadenbild der Alten Kapelle aufgestellt. Der Bischof rief zum Frieden in der Welt und zum Gebet für die „Erneuerung des Glaubens“ auf. Auch heute erfahren wir neu, dass beides untrennbar verknüpft ist.

Der Regensburger Dom zeigt viele marianische Motive. Die „Gestalt Mariens“ wird hier über das Historische hinaus gedacht und bildlich präsentiert: „Sie personifiziert die Kirche, die Ecclesia als Braut Christi.“ Jeder Mensch kann in das „Leiden Christi“ und in das „mütterliche Mitleiden Mariens“ den eigenen Schmerz und die eigene Not hineinlegen – und die tröstliche Hoffnung auf das Erbarmen Gottes erfahren.

Dieser Band zeigt besondere, marianische Wege durch Regensburg, auf denen Zeugnisse frommer Tradition und religiöse Kunstwerke behutsam und gläubig erkundet werden können. Die Glaubensgeschichte wird lebendig sichtbar, denn jede Hausmadonna lädt, wie dieses kostbare und wertvolle Buch sorgfältig zeigt, „zum Innehalten und Gebet“ ein.


Josef Kreiml/Maria Baumann/Achim Dittrich (Hg.): Die Schönste von allen. Hausmadonnen und Mariendarstellungen in den Straßen von Regensburg.  Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2022, 312 Seiten,
ISBN EUR 29,95

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Thosten Paprotny Bischof Jesus Christus Mariendarstellungen Rudolf Graber Rudolf Voderholzer Zweites Vatikanisches Konzil

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